Es gibt ein paar Dinge, die wir als Familie einmal im Jahr machen. Weihnachten feiern zum Beispiel. Silvester feiern. Einen Adventskalender befüllen. Geburtstage feiern. Plätzchen backen. In die Lochmühle fahren. Erdbeermarmelade kochen. Nach Speyer ins Museum fahren.
Manches davon hat kein festes Datum, es ist eher ein Zeitraum. Vorweihnachtszeit. Herbst. Sommer. Frühling. So, wie es nur zu einer bestimmten Zeit Stachelbeeren gibt im Jahr – und immer bin ich erstaunt, dass es schon wieder soweit ist! Wo es doch gerade eben erst vorbei war? Es ist schon wieder Sommer?
Dieser Kreislauf, er läuft schneller, gefühlt von Jahr zu Jahr. Inzwischen verlaufen mir die Jahreszahlen und ich weiß mitunter auch gar nicht – ist schon 2025? Oder haben wir 2023? Welches Jahr war letztes Jahr? Werde ich alt?
Aber scheinbar werde ich nicht allein alt. Es geht meinem Sohn ja ähnlich. Vorhin sagte mein Jüngster erstaunt, Mama, ich habe das Gefühl, mein Geburtstag ist irgendwie erst einen Tag her … (sein Geburtstag ist im September) … und ich nickte und meinte, so geht es mir gefühlt schon seit Jahren. Erst 8 Jahre alt, und auch er hat schon das Gefühl, dass die Zeit rennt. Wir jagen durchs Jahr. Ich kenne kaum jemanden, der oder die an der Stelle nicht auch nickt. Es ist rasant. Und ein ums andere Mal überlege ich dabei, warum. Und was. Was mache ich eigentlich hier? Und warum?
Heute war es ganz einfach. Es war einer dieser Tage, die es nur einmal im Jahr gibt. Auf die sich alle Kinder freuen. Auch die, die nicht dabei sind – die bekommen ja dennoch ein Glas Marmelade von uns.
Heute war ein ausgedehnter Tag. Zeitlich unbegrenzt. Ein Tag, der besonders duftet. Nach frisch eingekochter Marmelade. Nichts riecht besser und nichts schmeckt besser als frische Erdbeermarmelade …
Ich bin mitunter erstaunt, wie viel Kraft ein einzelner Tag im Jahr haben kann. Wie wichtig so ein Tag werden kann, welchen Wert er im Leben der Kinder oder von einem selbst hat. Einmal im Jahr, da gehen wir aufs Erdbeerfeld, pflücken ganz viele Erdbeeren, verderben uns ordentlich den Magen und kochen daheim dann Marmelade. Ganz viele Menschen tun das. Manche sogar mehr als einmal im Jahr. Ob es bei denen auch so besondes ist? Oder ist es das nur bei uns magisch? Vielleicht hat es dort einen anderen Stellenwert? Geben wir den Tagen so ein Gefühl? Warum tun wir das?
Dieses Jahr wäre der Erdbeermarmeladetag fast ins Wasser gefallen. Das Frühjahr und der beginnende Sommer sind in diesem Jahr ziemlich kühl und verregnet, das ist nicht optimal für Erdbeeren. Davon abgesehen ist die Zeit, in der man als Selbstpflücker aufs Feld darf, auch zeitlich stark begrenzt. Vielleicht vier Wochen? Maximal sechs Wochen, schätze ich. In dieser Zeitspanne braucht es also einen Tag, bevorzugt an einem Wochenende, an dem wir Zeit haben. Erstmal also – ein Wochenende, an dem die Jungs bei mir sind. Dann, ein Wochenende an dem niemand krank oder auf Klassenfahrt ist. Und dann – ist auf einmal Ende Juni und es regnet. Und es ist klar – die Selbstpflückzeit geht noch gut eine Woche. Wenn überhaupt. Ich habe heute telefoniert und das für uns herausgefunden.
Also sind wir zwischen zwei Regenphasen losgefahren. Es fing gerade frisch neu an zu schütten, als wir am Hofgut angekommen waren. Super. Erstmal im Hofladen ein Eis gekauft und gemütlich im Auto gegessen. Dann dabei zugesehen, wie Regentropfen kleine Pfützen bildeten. Draußen, natürlich. Dann dabei zugesehen, wie die Pfützen größer wurden. Draußen, natürlich. Dann das Fenster geöffnet, weil die Scheiben im Auto beschlugen und wir nichts mehr sehen konnten. Draußen, natürlich. Und nach gut einer Stunde dachte ich mir, komm, jetzt ist es auch egal, jetzt gehen wir halt bei Regen aufs Feld!
Mit Sammelbehältern aus Pappe! Die weichen nämlich gar nicht durch, wenn sie nass werden! So ein Glück!
Tatsächlich hat sich das Schicksal unser erbarmt. Es hörte tatsächlich auf zu regnen, als wir am Feld angekommen waren. Die Erdbeeren waren quasi schon gewaschen, ein unschätzbarer Vorteil für die spätere Verarbeitung 😉
Tatsächlich ist der Regen kein großer Freund der Erdbeere. Sie gammeln schneller am Strauch, wenn sie ständig im Regen stehen … wir haben dennoch gut 4 Kilo Erdbeeren gepflückt, die richtig richtig lecker waren! Und daraus sind 14 Gläser Marmelade geworden – zwei Kilo haben wir eingekocht.
Und wie wir da rührend in der Küche standen, war ich ganz gerührt. Weil wir wieder einen Meilenstein im Jahr gemeinsam erlebt und überlebt haben. Und das Jahr in seinem Tempo heute eine kleine Pause gemacht hat, damit wir das ganz in Ruhe erleben konnten. Wir werden uns noch in Jahren daran erinnern, wie es heute war. Eventuell verwischt die Erinnerung mit anderen Jahren, in denen wir auch Marmelade gekocht haben. Vielleicht wird es für meine Kinder, als Erwachsene, so sein, dass sie Erdbeermarmeladengeruch direkt mit diesen wenigen Tagen verbinden und ein Gefühl von Heimat im Herzen tragen. Das ist mein Ziel – denn damit habe ich mein Warum. Mein Warum ich das hier alles mache. Damit wir uns voller Freude daran erinnern können, wie schön das Leben auf dieser Welt sein kann!
Eine Welt, in der es Erdbeeren gibt und in der wir Erdbeermarmelade kochen können, die muss gut sein!
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