Letztes Jahr habe ich ein Glas voll altem Sand weggeworfen, dass in der Küche auf dem Fensterbrett stand. Samt einiger Muscheln darinnen. Der Sand hatte keine Geschichte für mich. Keine Erinnerung an einem Tag am Strand, kein Lachen, kein Wind im Haar, es war kein Sand, der noch Jahre später aus dem Koffer rieselt. Einfach gar nichts. Nicht mal eine Erinnerung daran, wie ich den Sand ins Glas gefüllt habe und mit welchem Gefühl ich das getan habe …
Gar nichts an Erinnerung ist des Aufhebens nicht wert.
Bis heute, ein gutes Jahr später, hat sich auch keines der Kinder bei mir beschwert, es vermisse diesen Sand oder die Muscheln. Das ist ein Zeichen, dafür, dass sich auch keines der Kinder emotional in diesen Sand vergraben hat.
Ich weiß bis heute nicht gesichert, an welchem Strand der Sand ursprünglich lag, noch, welches der Kinder die Muscheln gesammelt hat. Nur eine leise Ahnung kommt heute zu mir, dass es eventuell dieses eine Wochenende mit K3 und K4 war. Wir waren zu dritt in den Niederlanden, ein verrücktes Wochenende lang. Wir sind Samstag früh los, waren tagsüber in Delft und am frühen Abend an dem Ort, an dem wir in einem Planwagen übernachtet haben. Ein alter, umgebauter Bauernhof in der Nähe von Kinderdijk. Es war eine Nacht voller Stechmücken und voller Nähe.
Am Sonntag waren wir dann am Strand und haben stundenlang Sandburgen gebaut und Muscheln gesammelt. Später haben wir Nachos gegessen und sind danach ins Auto gestiegen und wieder heim gefahren. Ich tippe darauf, dass es K4 war, der den Sand mitnehmen wollte. Da ist ein ganz leises Ziehen in meinem Kopf, das sagt, ja, so war es. Die Jungs kommen bald heim, ich werde sie fragen, ob sie sich erinnern.
Das war ein total verrücktes Wochenende, im Sommer 2018. Bekloppt, quasi. K5 ist damals daheim geblieben, das war mir wichtig, einmal nur die Zeit für meine wunderbaren mittleren Jungs zu haben. Um eine Erinnerung zu schaffen. Eine, die sich warm ins Herz legt, und für immer dort bleibt. Eventuell, ganz eventuell, stammt der Sand aus diesem Wochenende. Aktuell ist es mein Wunsch, dass es so sei. Weil ich damit ein Gefühl verbinden kann. Damit wird die Geschichte dieses Sandes weniger belanglos. Dass ich ihn weggeworfen habe, tut dabei nichts zur Sache. Immerhin gibt es bereits zwei Blogartikel über den Sand und somit ist er da, wo er auf dem Fensterbrett noch nicht war. Er ist Erinnerung. Das ist schön, ich denke, es ist fast das Beste, was einem Sand passieren kann.
Erinnerungen bauen. Dafür fahre ich in den Urlaub. Dafür verbringe ich Tage mit den Kindern, außerhalb des Alltags. Deshalb bin ich etwas traurig, dass es auch dieses Jahr „nur“ für einen kleinen Urlaub für mich selbst gereicht hat, nicht aber für einen gemeinsamen Urlaub mit den Kindern. Es sind diese besonderen Tage, die Kindheitserinnerung werden und mitunter ein ganzes Leben lang tragen. Aber – dafür muss man tatsächlich nicht umbedingt ans Meer fahren oder in einem Planwagen übernachten. Es können auch besondere Ausflüge sein, die von daheim aus unternommen werden. Ich werde darauf meinen Blick lenken, ab morgen. Ab morgen beginnt die Urlaubszeit mit den Kindern.
Auf Sand gebaute Erinnerungen. Sie sind fragil, sie müssen vor Wind und Wetter des Alltags beschützt werden, sie müssen aufgeschrieben werden. So sehe ich das jedenfalls. Und ich sehe, so viel Zeit zu schreiben hat niemand im Alltag. Deshalb ist auch mein Schreiben jetzt, im Urlaub, viel intensiver. Das bedeutet nicht, dass ich den Alltag für weniger erstrebenswert halte. Nein, der Alltag ist das Fundament. Auf dass wir unsere Erinnerungen bauen. Alltagssand quasi.
Wie komme ich auf das Thema Sand? Ich habe mich heute eingehender mit Sand beschäftigt. Unglaublich, was alles möglich ist. Ganz Hogwarts lässt sich aus Sand bauen, und die Arche Noah noch on top. Faszinierend bis unglaublich.
Ich habe heute das Zandsklupturen Festival in Garderen besucht. Ich dachte, okay, einmal noch Tourist sein, eine „normale“ Aktivität auf dem Plan haben, bevor es wieder heim geht. Und erst dachte ich auch, okay, 15 Euro Eintritt, und eine Halle voll mit Exponaten. Das ist so ähnlich wie Sea Live. Eine Stunde rumlaufen und fertig. Schon schön, aber irgendwie auch unbefriedigend.
Ich hatte auch kaum mehr als eine Stunde dafür eingeplant. Ein kleiner Fehler. Das Gelände ist groß angelegt, mit Außenbereich, mit einem Sandhotel, in dem echte Möbel stehen, mit einem weiteren Themengebiet zum Thema Zweiter Weltkrieg (das ich aus Zeit- und Emotionsgründen nur kurz durchlaufen habe) und einem Bereich für Kinder samt Kletter-Rutsch-Paradies und Hüpfburg. Ich war ziemlich beeindruckt. Auch im Außenbereich gibt es noch zusätzlich Skulturen aus Stein oder Holz zu besichtigen – je nachdem, was einem gefällt, ist da von den Sieben Zwergen bis hin zu Aladin alles dabei.
Sandkunst.
Ich war ehrlich beeindruckt. Wir haben vor Jahren oft eine Folge von der Sendung mit der Maus gesehen, die Kinder und ich. Eine Folge über Sandskulpturen und wie sie hergestellt werden. Wie der Sand beschaffen sein muss, wie nass er sein muss, wie die Carver arbeiten. Daher wusste ich auch, dass es einen solchen Ort in den Niederlanden gibt. Also, mindestens einen Ort. Es gibt wohl noch andere Möglichkeiten, sich Sand in seiner kunstvollsten Form anzusehen. Und es gibt diese Möglichkeiten natürlich auch außerhalb der Niederlande. Zum Beispiel auf Rügen. Einfach mal googeln, die Welt ist voller cooler Skulpturen.
Ich habe mich für Garderen entschieden, weil es fast auf dem Weg nach Hause lag und als Kernthema Bücher hatte. Ich bin ein großer Buchfan, damit hatten sie mich schon direkt. Zudem war es ein kleiner Umweg und hat gut in die Route meines Heimweges gepasst.
Dieser Plan war nicht auf Sand gebaut, er war ziemlich erfolgreich. Ein schönes Gefühl! All den Sand im Getriebe habe ich festgehalten, so gut es ging. In Bildern. Und in meinen Gedanken – über Sand, über Ausflüge, über Touristenattraktionen, über Zeitvertreib, über Hobbies, über Kunst …
Ich werde in Ruhe sortieren und überlegen, welche Bilder mir besonders gut gefallen und im Blog zu sehen sein sollen.
Das Zandskulturen Festival in Garderen kann ich in jedem Fall als Tipp für und mit Kindern für einen Urlaub in den Niederlanden rausgeben. Mit Grundschulkindern kann man sich hier sicherlich gut vier Stunden aufhalten – mit Kindergartenkindern eventuell sogar länger. Ein schönes Café und ein Restaurant ist dabei, es gibt selbstverständlich einen Sandkasten für die Kleinen und einen für die Großen – in dem man sich selbst als Carver ausprobieren kann. Es gibt einiges zu sehen. Sollte ich mich nochmal in die Gegend verirren, ist es sicherlich einen zweiten Besuch wert, zumal es jedes Jahr eine neue Themenwelt gibt.
Es gibt also sandige Gründe, wieder in die Niederlande zu reisen. Obwohl ich dachte, es sei jetzt mal gut und ich müsse das nicht jedes Jahr machen. Mal wieder in die Berge fahren sei doch auch schön …
Wir werden sehen, was im kommenden Jahr ist. Letztes Jahr sagte ich auch, dass ich nicht mehr allein verreisen werde, weil ich mich so einsam fühlte. Weil es mir so unsäglich verheult ging. Ich habe letztes und das Jahr davor einen der wenigen Urlaubstage damit verbracht, zu weinen. Im Hotelzimmer sitzend. Oder, zu weinen. Beim Spazierengehen. Es war schwer, mit mir allein zu sein. Gestern hatte ich einen kleinen Anflug innerer Unruhe, das war aber zum Glück kein Vergleich zu den Vorjahren.
Heute war wieder ein guter Tag. Entspannt und fröhlich und ein wenig verrückt. Ich bin mit viel Freude ins Auto gestiegen und die restlichen vier Stunden einfach durchgefahren. Im Gepäck, viele Erinnerungen, einem gehäkelten Lampenschirm in pink, eine kurze Hose, die ich bereits getragen habe und ein paar andere neue Klamotten, dich mich immer auch an meinen Kurzurlaub in 2024 erinnern werden.
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