das bittere rückt vor

Ich bin nicht verrückt. Ich bin nur in meiner Verbitterung hängengeblieben. Ich stehe hinter meinen hochgezogenen Mauern, weitestgehend isoliert von der Außenwelt, und die reinste Hölle ist, wenn ich außerhalb meiner Routinen gerate und fühlen kann – dass es mir gar nicht gut geht.

An freien Freitagabenden zum Beispiel. An denen ich so viele spannende Dinge tun könnte. Stattdessen fühle ich mich wie gefangen, traurig, gereizt. Gerade die freie Zeit, sie strengt mich oft am meisten an.

Sobald ich wieder in meinen normalen Routinen bin, und meine Tage sind voll, davon kann ich ein Lied singen – sobald es soweit ist, beschwere ich mich gern, dass ich so wenig Zeit für mich habe und dass die Wochenenden so schnell rum sind 😉

Finde den Fehler!

Ich habe mich eingerichtet in dieses Leben, nach Möglichkeit ohne große Höhen udn Tiefen, damit meine Psyche Ruhe gibt. Die Routinen sind die lebenserhaltenden Maßnahmen meines Lebens.

Was aber, wenn das nicht stimmt?

In einer Welt, in der alle funktionieren, da ist der Druck hoch, ebenfalls zu funktionieren. Nicht auffallen, den normalen Wahnsinn überstehen, alle Zettel der Schule lesen und ausfüllen, die Telefonliste der Kinder am Kühlschrank hängen haben und immer saubere Socken im Schrank. All das. Und meine Unordnung, ist sie vielleicht nur ein Ausbruch meiner eigentlichen Verrücktheit, ein Ausbruch aus der Verbitterung?

Ist mein Leben bitter oder süß? Wo bin ich in Unordnung geraten?

Ich liebe süßes Frühstück, seit ich denken kann. Honig. Quark. Nutella. Marmelade. Heidelbeeren auf Erdnussmus. Süßes Leben. Gestern gab es eine Tafel Schokolade zum Mittagessen. Das ist allerdings die Ausnahme, normalerweise esse ich etwas ausgewogener 😉

Meine Müdigkeit lässt mich verbittern.

Was mich besonders beschäftigt, ist: das, was fehlt.

Der Antrieb. Die Lust. Der Hunger.

Lust, im sexuellen Sinne, habe ich seit Jahren verloren. Die fehlt mir nicht mal mehr. Lust im übertragenenen Sinne habe ich oft nur, wenn ich Süßes esse.

Antrieb habe ich, wenn ich im gesunden Maße gefordert bin. Wenn da Aufgaben sind, die erledigt werden wollen. Oft stellt das Leben diese Aufgaben. Selten stelle ich sie mir selbst.

Hunger habe ich selten. Meist esse ich. Ich meine aber auch gar nicht diesen Hunger. Sondern den Hunger nach Ergebnissen. Den Hunger nach dem Gefühl, ein Buch geschrieben zu haben, Pianistin geworden zu sein, ein eigenes Unternehmen gegründet zu haben.

Ich verhungere ohne Antrieb in Lustlosigkeit.

Boar.

Aua.

Und dann wache ich auf und stelle fest, ich lebe, aber wie? Und warum? Und wo soll die Reise hingehen? Täglich, mit oder ohne Murmeltier?

Warum bin ich so verbittert?

Ich wäre lieber verrückt! Verrückt im Leben, mit Antrieb, voller Lust und Hunger.

War ich das schon?

War ich. Nur ohne Ziel. Aber, ja, war ich. Meist habe ich mich treiben lassen. Ein Ziel, einen Wunsch, ein großes Ganzes, das ging noch nie in meinem Leben. Aber verrücktes Treiben war dabei. Da es ein zielloses verrücktsein war, hat es mich geschwächt, gesellschaftlich kränker gemacht.

Ich wünsch mir für jetzt, für die ruhige Seite – mehr verrücktes Treiben, aber zielgerichtet. Ich wünsch mir den Antrieb, meine Wünsche und Sehnsüchte auch wirklich umzusetzen. Und nicht nur die routinierte Müdigkeit, die in meinem Tag keinen Platz lässt für das Spontane und das süße Leben.

Lustlos.

Autsch.

Es kann nicht das Highlight des Tages sein, im Sessel zu sitzen und ein Sudoku zu lösen. Es kann schon, aber bei Gott, doch erst in 30 Jahren! Wenn ich weiß, was ich geschafft habe und grinsend sagen kann, dass ich immer noch Lust, Antrieb und Hunger habe.

Leise in Routinen zu sterben ist eine Form von Verrücktheit, die niemandem auffällt. Verrückt.

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