Einladung zum Schreiben

Ich habe eine Situation, die zum Schreiben einlädt. Eine Situation beschreibend. Ist das dann – situatives Schreiben? Stellen sich daraus situative Fragen, wie – Beschreib doch mal, warum bist du hier?

Ja, also – weil ich den Job möchte!
Oder, etwas ehrlicher – weil ich Geld verdienen muss.
Ausreichend Geld, um meine Familie, meine Kinder zu versorgen, um unseren kleinen Luxus zu finanzieren, um mir die Sauna leisten zu können, um ab und an ins Café zu gehen. Selten am Ende der Welt, aber im Zweifel auch dort.
Ich möchte mir hochwertige Lebensmittel leisten können, ohne Not zur Fußpflege gehen, ich möchte, dass meine Kinder qualitativ gut gekleidet sind und wir ins Kino gehen können, ohne dass ich Gewissensbisse wegen der Geldverschwendung habe. Urlaub wäre auch ganz schön. Oder – ein neues Sofa!

Warum bin ich also hier?

Warum arbeite ich, so, wie ich arbeite? Also, neben all den anderen Dailys habe ich mein Daily um 9:30 Uhr mit den Kolleginnen und dann arbeite ich weitere Dailys ab und dann kommt K5 heim, ich koche für die Jungs, es gibt oft noch was für die Schule zu tun, und wenn nicht, lege ich immerhin die Wäsche zusammen. Abends Zeit. In letzter Zeit – Abends noch eine Serie schauen mit K5, danach ins Bett, noch Wäsche aufhängen, die Küche machen und völlig hirnentleert ins Bett gehen. Nach Möglichkeit vor 22 Uhr, um der dollen Müdigkeit keinen weiteren Nährboden zu geben. Immer vor Augen – der nächste Aufenthalt in der Sauna, das nächste Durchschnaufen, die nächste Auszeit.

Autsch!

Und das nur, damit ich mir oben genanntes leisten kann. Der Grund, den Job anzunehmen, war – Geld verdienen und damit – Sicherheit.

Wer wünscht sich denn keine Sicherheit? Ich wünsche mir mehr davon als früher, vielleicht, weil ich älter werde? Oder – noch unsicherer? Das wäre fatal, weil ich mir ja eigentlich einbilde, viel sicherer meiner selbst zu sein als ich es früher war. Früher habe ich mir dennoch deutlich weniger Gedanken gemacht. Es lief halt immer irgendwie, und wenn es nicht lief, habe ich mich darum gekümmert, dass es wieder lief.

So oder so ähnlich lief das bei mir. Wenig Zweifel, noch weniger Selbst.

Ich bin heute viel mehr Selbst und manchmal erschreckt mich das. Weil ich sehe, wenn ich ganz ehrlich bin, dass ich selbst keine Antwort darauf habe, warum ich hier bin. Warum ich mir das antue. Warum ich mich jeden Tag zur Arbeit schleppe. Ist es die Konferenz, die ich vorbereiten darf? Oder die anderen Veranstaltungen? Das Marketing? Äh … Genau. Diese Antwort kenne ich. Ja und nein. Ich finde die Aufgabe, eine eigene Konferenz zu veranstalten und diese Veranstaltung selbst zu gestalten und zu bewerben, total sexy. Das gefällt mir. Ich mag Veranstaltungen! Ich bin sehr gern Gastgeberin und ich freue mich, wenn Menschen eine gute Zeit an einem guten Ort haben. ABER! Hier ein Aber.

Ich mag es lieber, wenn es für alle ist. Wenn es offen ist. Wenn es mehr als ein Thema ist. Wenn es – ein Zuhause ist. An der Stelle kommt gern der Gedanke ans eigene Café, an den Concept Store, dieses „mit Kind und Kegel und Second-Hand-Laden mit einem guten Gespräch“. Eltern stärken. Kinder spielen lassen. Ein Ohr haben für die kleinen Sorgen und ein Lächeln nach einer durchwachten Nacht mit dem fieberkranken Kind. Da sein. Verständnis haben. Guten Kaffee haben. Einen Obstsalat servieren. Ein Ort sein, an dem man sein kann. Eine Zuflucht. Ein Ausruhen. Ein Stärken. Um weiter voran gehen zu können.

Das ist die Art Veranstaltungsort, der mir vorschwebt. Nix für die, die eh schon alles haben. Vor allem viel Geld. Aber auch viel Verantwortung. Die viel Arbeiten. Um noch bessere Digitalprodukte zu bauen, die unser aller Leben besser machen. Als würde es auch nur eine App geben, die unser Leben besser macht! Nicht mal die Entspannungs-Apps tun das. Es gibt nicht viel, dass unser Leben besser macht, das digital daherkommt. Das Digitale ist ein klein wenig der Teufel, dem darf man nicht die gesamte Hand reichen. Da ist schon der kleine Finger mitunter zu viel.

Dabei bin ich durchaus für Digitalisierung. Ich finde es toll, dass ich die Fahrkarte von K5 direkt übers Handy kaufen kann, die Auskunft vom RMV ist auch top! Das erleichtert mir den Alltag. Ja, gebe ich zu. Also gibt es doch gute Apps. Meinetwegen. Nichtsdestotrotz – wirklich wertvoll empfinde ich Gespräche mit Menschen. An den guten Tagen im Office habe ich ein Gespräch geführt – entweder in echt, in einem Call oder aber es ist eher ein Schreiben. Ein Austausch mit Worten, zum Beispiel bei Linkedin. Wenn ich jemand erreichen konnte, auf einer persönlichen Ebene, wir gemeinsam gelacht haben oder philosophiert oder ein reales Problem besprechen konnten UND sich die Person danach besser fühlt. Dann geht es mir gut. Das macht mir Freude, gibt meiner Seele ein Lächeln.

Das passiert auch auf unseren Veranstaltungen und deshalb mag ich sie so gern!

Letztens hatten wir einen Call und einer Kollegin ging es nicht so gut. Ich war zum einen sehr dankbar, dass unser Verhältnis so gut ist, dass sie sagen konnte, was los ist – Stichwort psychologische Sicherheit – und dann war ich dankbar, dass ich ihr mit ein paar wenigen Worten helfen konnte, eine Entscheidung zu treffen. Danach ging es mir selbst wesentlich besser als vorher. Dieses gute Gefühl habe ich leider nie, wenn ich eine Exceltabelle mit Daten fülle oder ein Video schneide. Wenn ich aber mit unserem Videographen emaile, dann geht es mir auch wieder gut …

Warum also – oder sagen wir, was sollte ich daraus lernen? Es wäre ja gut, ich hätte einen Job, der mir so leicht fällt, jeden Tag, dass es so ist, als würde ich mich im Wasser treiben lassen. Damit ich nicht so viel Kraft verliere. Wenn ich ständig paddele wie eine Irre, habe ich am Ende des Tages nur noch die Kraft, mit meinem Sohn eine doofe Serie zu schauen und Chips zu essen. Mir fehlt dann gänzlich die Kraft, mit ihm zu lesen, zu kuscheln oder herumzualbern.

Apropos albern. Meine Fröhlichkeit ist irgendwo verschollen und ich habe sie noch nicht wiedergefunden.

Dafür hat mein Arzt was spannendes gefunden. Nämlich eine Diagnose. Eine, die ich schon kenne. F 32.2 G. Kann man googeln. Ist, was ich schon seit letztem Jahr im Sommer weiß und mir ständig einrede, dass es so schlimm nun auch nicht ist. Es geht mir doch gut! Ich habe doch einen Job, der mir mal Spaß gemacht hat! Tja.

Depressionen kommen ja gern zurück. Hier ist meine, wie ein Pingpong, leicht angeschnitten, bereit zum Aufschlag. Ich bin wieder da, und mit mir alle meine Fragen. Vorne weg dieses „Warum bin ich hier“?

Das gibt viel Stoff zum Schreiben. Apropos. Ich weiß, wie gut es mir tut, zu schreiben. Ich weiß das! Und doch ist das Schreiben das Erste, was ich sein lasse, wenn mein Sein mich nicht mehr lässt. Sprich – mir geht es schlechter, der Stresspegel steigt, ich kämpfe gegen doofe Wellen und tue nicht mehr das, was mir gut tun würde. Darüber schreiben.

Das ist kaum zu beschreiben, wie doof das ist. Aber auch das ist ein Teil der Krankheit. Ich weiß viel. Könnte ich alles anwenden, wäre ich nicht krank.

Jetzt gilt also – Schreiben.

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