Ein verhuschtes Gefühl. Schwebend, ganz leise streift es mich, lächelt vorübergehend und verflüchtigt sich so leise, wie es gekommen ist. Wie ein Duft, der einen überraschend erreicht und schwindelnd zurücklässt. Voller Erinnerung, satt von Aromen, und dennoch flüchtig. Ein Lächeln bleibt, auch wenn die Erinnerung nur verschwommen ist. Wie ich morgens, wenn ich ohne Brille durch die Wohnung gehe und denke, ach, ist das schön hier.
So ein Gefühl hatten wir gerade beim Frühstück. Es geht schon los, mit den ersten Kerzen am Tisch. Der Baum vor der Tür, der immer zuerst HIER ruft, egal in welcher Jahreszeit, ist fast schon nackt. Letzte Woche war er noch rotgolden, jetzt ist er rotbraun und es hängen nur noch sehr wenige Blätter. Der Regen und der Wind der letzten Tage hat ihn ordentlich entlaubt. Direkt daneben stehen weitere Eichen, die erst langsam ins gelb abgleiten. Für die hat der Herbst erst begonnen.
Ich orientiere mich an diesem einen Baum. Der früher dran ist. Ich mag, dass er ankündigt, was unwiderruflich kommt. Den Herbst. Den Frühling. Die beiden Jahreszeiten der Veränderung. Die beiden Jahreszeiten, die ich am liebsten mag. Der Winter und der Sommer sind mir zu – beständig. Zu gesetzt. Zu dunkel. Zu warm. Zu wenig Veränderung. Zu wenig Wachstum. Zu wenig Zerfall, den wir brauchen, um wachsen zu können. Zu wenig Laub. Zu wenig Blätter, die sich samtweich der Sonne entgegen rollen. Zu wenig knistern. Zu wenig Spannung. Zu wenig Sein. Zu wenig Äpfel. Zu wenig Erdbeeren. Dabei ist mir natürlich bewusst, wie wichtig die Regeneration und die Reife sind. Allein deshalb beginne ich, mich auch an diesen Zeiten zu erfreuen, in denen Dinge weniger in Veränderung sind.
Den Winteranfang mag ich zum Beispiel sehr. Wegen der zimtlastigen Gefühle. Wegen der Kerzen. Wegen der Plätzchen. Wegen des Chaos und der Tannen und den Sternen in den Fenstern. Wegen der Hoffnung im Licht. Sobald allerdings im Januar jegliche Hoffnung trauertief hängt, bin ich raus mit dem Winter. Schmutziggrau. Nein, Danke. Vielleicht ist das ein Zeichen und ein Hinweis an mich selbst. Mir mehr Ruhe und mehr Regeneration zu gönnen und das auch zu genießen.
Für die weniger attraktiven Monate Januar und Februar schaue ich seit Jahren, mir bewusst Schönes in den Alltag zu holen. Von Witzen über Kino über Kalendersprüche. Mal sehen, was mir im kommenden Jahr dazu einfällt. Gerade bin ich eigentlich – im Hier, und das Hier ist Ende Oktober, Laub, Wellant-Äpfel und Sauerkraut.
Und Gefühle, die sich beim Frühstück an den Tisch setzen. So eine Art Zufriedenheit. So ein Gefühl von anwesend sein, in mir selbst. Ein gutes Anwesend sein. So ein – Hier bin ich richtig.
Ein flüchtiges Gefühl, weil aktuell viel Arbeit für mich herumliegt. Im Bad. In der Küche. Auf dem Flur. Aber – diese tägliche Arbeit, dieser Alltag, gerade gefällt mir sogar das. Gehört ja nun auch dazu. Macht mich auch irgendwie zufrieden.
Vielleicht, weil ich mich gerade nicht überfordert fühle, mich nicht abwesend fühle. Sondern weil ich aktuell da bin, anwesend, gefordert. Ich bin hier. Mit meinem kleinen Leben. Mit meinen Kindern. Gerade mal nicht auf der Suche nach DEM NEXT BIG THING oder DEM SINN MEINES LEBENS. Gerade mal einfach zufrieden, dass wir sind. Genau dieses Gefühl, ohne die großen Erwartungen und ohne die Sorge, ob ich der Welt genug Gutes getan habe, um mein Sein berechtigt zu sehen. Ohne all dies. Ohne all dies fühlt sich Zufriedenheit sehr wohlig an. Wie ein heller Schein einer Kerze, die ruhig und aufrecht brennt. Hier wird heute nicht rumgeflackert!
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