flüchtig

Flüchtig, wie ein Duft, der erinnert, diffus, und schneller weg ist, als ich fühlen kann. Rasen, frisch geschnitten. Tymian, frisch zwischen den Fingern zerrieben. Sonnenmilch. Pommes. Zimt. Kaffee.

Flüchtig, auch die Gefühle. Heute morgen, ein starkes Gefühl von Dankbarkeit, mit meinem Sohn am Frühstückstisch sitzend, seinen Geschichten lauschend und fühlend, frisches Baguette mit Honig und Quark, samtener Geschmack mit einem lauen Wind, durch die offene Balkontür kommend. Wie gut es uns doch geht! Bis 10 Uhr schlafen, in Ruhe frühstücken, beste Lebensmittel am Tisch, ohne Termine, ohne Druck, ohne Hektik. Einfach sein. So sollte Urlaub sein. Flüchtig.

Flüchtig, in die Küche, um das Geschirr zu verräumen und wieder Ordnung zu schaffen, für die nächste sinnliche Essenserfahrung. Dabei denkend, dass ich jetzt schreiben möchte. Über das große Gefühl, für dass ich dankbar bin. Über den Moment, der meist so flüchtig ist, dass er im Alltag untergeht. Er winkt dabei kurz still. Ertrinken ist meist Leise.

Flüchtig in den Waschkeller, um noch eben die Waschmaschine anzustellen, damit während des Schreibens auch schon die ersten normalen Dinge laufen. Die Wäsche. Ach, und noch schnell das Klo sauber machen, das wollte ich ja auch tun. Dann, danach, kann ich ja schreiben.

Währenddessen passieren Dinge, ganz nebenbei, Gefühle ziehen vorüber, von dankbar über motiviert über glücklich über abgelenkt bis hin zu genervt. Genervt, weil ich jetzt dann doch nicht geschrieben habe. Weil die Zeit schon wieder rum ist. Weil das Gefühl schon wieder weg ist. Weil ich einkaufen gehen wollte und irgendwie – warum passiert das laufend? Warum verändern sich Wolken, Geräusche, Düfte, warum mischt sich Lärm in die Stille? Immer? Warum kann ich die Zeit nicht dehnen? Und warum habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich es doch mal tue?

Flüchtig lächele ich. Ich habs dann ja doch getan, mich hingesetzt, geschrieben. Ich musste vorher aber bewusst den Warenkorb eines Klamottenladens schließen, sonst hätte ich versehentlich im Gefühl noch ein Kleid gekauft, dass ich gar nicht brauche. Was ich brauche, ist die bewusste Wahrnehmung dieser flüchtige Momente. Ein Innehalten, wenn Dankbarkeit sich auf den Teller legt. Wie die meisten Aromen, ist auch das Glück flüchtig. Festhalten ist nicht drin. Es zieht weiter und hinterlässt mitunter ein Gefühl von Traurigkeit. Auch diese ist flüchtig. Wenn ich es zulasse, sie aushalte, ihr auch ein Gefühl von Dankbarkeit zuwende.

Letzte Woche war ich sehr traurig. Nach dem gemeinsamen Urlaub mit allen Kindern, der wunder-wunder-wundervoll war, war ich traurig. Ich habe sie vermisst, schon bei der Abreise. Sie alle, zusammen. Wie selten wir alle zusammen sind. Was normal ist, wenn Kinder erwachsen und ihr eigenes Leben leben. Und ich habe ja noch drei Kinder hier bei mir, bin in mehr oder weniger intensivem Austausch. Dennoch. Ich war traurig. Der Urlaub war flüchtig und intensiv, ich wünschte, er wäre länger gewesen, ich wünschte, wir wären öfter zusammen. Ich liebe intensiv. Vielleicht will ich später in einem Mehrgenerationenhaus leben. Wer weiß, wer das vielleicht noch will. Noch ist nicht später.

Heute, fünf Tage nach unserem gemeinsamen Urlaub, komme ich langsam wieder an. Die Traurigkeit, sie ist flüchtig. Ich konnte sie gut zulassen, ohne Angst, dass sie mich bestimmen könnte. Es folgt die Dankbarkeit, so eine wunderbare Zeit mit den Kindern verbracht zu haben.

Flüchtig.
Im Moment.
Fühlen.
Das kleine Glück fühlen.
Ziehen lassen, annehmen, freigeben.
Alle Gefühle, alle Gerüche sind flüchtig. Auch die Miesen. Die Traurigen, die Ätzenden, die Zweifelnden. Sie alle sind flüchtig. Es lohnt nicht, sie festzuhalten. Sie auszudehen. Sie zu zerdenken. Lieber einfach lächeln und winken und warten, auf die glücklichen Momente – und die, genau die, möchten aufgehoben, bewahrt, aufgeschrieben werden. Um sie genau dann zu durchleben, wenn das Glück flüchtig erscheint. Es ist da. Immer. Um uns.

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