Es gibt Menschen, die freuen sich, wenn sie gefragt werden. Ich gehöre nicht mehr dazu. Jedenfalls nicht mehr automatisch. Ich habe an zu vielen Abendkassen von Konzerten gesessen und zu viele Fragen beantwortet, die teilweise zum Fremdschämen dämlich waren. Heute sind es Fragen wie „wann kommt denn die Abrechnung der Betreuung“ oder „du weißt doch bestimmt wie ich meine Jacke flicken kann“, die kann ich nur mit Grunzen beantworten will.
Finde! Es! Selbst! Heraus!
Was kostet die Welt?
Wo ist die Toilette?
Wo ist der Einlass?
Und wo geht es wieder raus?
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann fragen sie noch heute.
Wie hast du denn gemerkt, dass du dir das Steißbein geprellt hast?
Ehrlich?
Sowas fragt man? Oder eher, Mann? Ja, jetzt überleg doch mal, woran ich das wohl gemerkt haben könnte. Da fällt mir so viel nicht zu ein. Eventuell – weiß ich nicht, wo das Steißbein überhaupt sitzt. Das weiß ja nun auch nicht Jeder. Für die, die es nicht wissen – es gibt dieser Tage zum Glück schon das Internet, und wenn es auch nicht für so viele Dinge sinnvoll ist, Informationen findet man doch ganz gut darin. Okay, natürlich auch Fake News, da muss man schon vorsichtig sein. Könnte ja auch am Kopf sitzen, das Steißbein. Nicht wahr?
Jedenfalls, woran habe ich das wohl gemerkt? Na? Wer kommt auch mit gesundem Menschenverstand von allein darauf? Wer? Hier bitte die Hand heben oder einen Kommentar schreiben!
Tatsächlich kann ich mich endlich wieder setzen. Das ist auch notwendig, bei all den Fragen, die mir tagtäglich gestellt werden. Manchmal an der Tür, manchmal werde ich auch extra dafür angerufen. Weil ich Expertin bin! Für Flicken auf Jacken, weil, ich bin Schneiderin. Und auch für die Frage, wann die Bestätigung für die jährliche Abrechnung der Betreuungskosten für K5 erfolgt. Weil, ich arbeite nebenbei noch bei der AWO. Einfach so. Weil ichs kann.
Ich bin die Eierlegende Wollmilchsau!
Und ich hasse es. Ich hasse es wirklich aus tiefster Seele. Auch wenn meine Kinder mir Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann, hasse ich das. Aber da bin ich etwas milder, je nach Reifegrad. Umso jünger, umso milder. Junger Gouda etwa. Wenn dann ein älteres Semester etwas fragt, freue ich mich – weil ich der jungen Generation, die bereits weiß, wie man im Internet nach Informationen forscht, weiterhelfen darf. Doch, das freut mich. Ich gebe super gern Auskunft, wie man eine Carbonara richtig zubereitet. Oder wo man diese super schönen Schlafanzüge shoppen kann. Ja, ich helfe gerne und teile meine Expertise 😉
Bei Beschaffungsinformationen bin ich raus. Ich bin nicht die Auskunft und auch nicht die allwissende Müllhalde. Obwohl ich selbst herausgefunden habe, dass ich mich am Steißbein verletzt habe. Ja. Unglaublich, oder? Der Arzt hat es sogar bestätigt, aber dabei wusste ich das natürlich ganz allein. Weil, wer hat die Schmerzen?
Aber halt, ich wollte ja nichts mehr fragen.
Oder wollte ich nicht mehr gefragt werden?
Es war wohl letzteres.
Nicht mal K5 mit seinen 9 Jahren stellt so doofe Fragen wie sein Vater. Ich sags ungern, aber ich hasse es, wenn erwachsene Menschen zu faul zum selber denken sind. Eventuell sind sie auch zu dumm, dann habe ich eventuell Mitgefühl. Die Betonung liegt hier auf eventuell.
Ich muss mich wirklich manchmal setzen. Es sind ja nur zwei beliebige Beispiele aus den letzten zwei Tagen. Ich könnte hier eine heitere Fragerunde zu Allem starten.
Was mich daran stört, ist das unreflektierte, automatisierte, Verantwortung von sich Weisende, dumme, Fragen. Ich bin dafür, dass Menschen gleich welchen Alters zuerst denken. Zum Beispiel, wie sie selbst eine Antwort auf ihre Frage finden können oder wie sie präziser fragen können. Könnte ja sein – man fragt bei Löchern in der Jacke den Schneider? Oder ein Fachgeschäft für Stoffe? Und wenn man wissen will, wann die Abrechnung kommt, dann ruft man da an, wo die Abrechnung ausgestellt wird?
Auf die Frage „kennst du einen guten Schneider“ oder „hast du die Telefonnummer von der AWO, ich finde die gerade nicht“ hätte ich pfleglicher reagiert. Da hätte ich schon das Gefühl gehabt, dass mein Gegenüber zumindest versucht hat, eine Lösung zu finden.
Mein Gegenüber denkt aber nicht. Also, nicht weiter als bis – zu mir. Ein Problem? Das löse bitte jemand anderes für mich. Im Zweifel die Kindsmutter. Die kennt sich aus. Immerhin ist sie ja die Mutter. Und Mütter können alles.
Leider können Mütter nicht alles. Könnte ich alles, ich würde Menschen beibringen, ihre sieben Sinne zusammenzunehmen und selbst zu denken. Danach dann selbst zu handeln UND dafür auch noch die Verantwortung zu übernehmen. Das wäre mein Wunsch an diese Welt. Lernt, zu denken, zu handeln und es zu verantworten.
Und fragt nicht Andere. Also, nur, wenn es nicht anders geht. Dann schon. Und auch dann bitte so, dass sich Menschen nicht total verarscht fühlen. Es gibt ja keine dummen Fragen. Also, sagt man.
Ich frage übrigens öfter mal zurück. Zum Beispiel, was er oder sie schon getan hat, um diese Frage zu beantworten. Die schlichte Antwort ist immer dieselbe: ich habe dich gefragt –
Das Leben ist eine Geduldsprobe. Fragt mich, ich weiß das.
Übrigens, so eine Steißbeinprellung, also, wenn man sich am Steißbein wehgetan hat, das merkt man. Zum Beispiel daran, dass es verdammt Hölle weh tut. Also, auch schon beim Hinfallen. Oder spätestens beim wieder aufstehen. Sitzen geht nicht. Stehen tut auch weh. Aber, hey, wie habe ich das wohl gemerkt, dass ich mir das Steißbein verletzt habe?
So eine tolle Frage! Hätte er gefragt, wie ich mich verletzt habe, das hätte ich beantwortet. Aber das hat ihn spannenderweise überhaupt nicht interessiert.
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