Dieses Weihnachten wie alle Weihnachten, ein Berg. Einsam erklommen in vielen Etappen. Von Plätzchen backen in der Weihnachtsnacht (irgendwann war das mal ein „in der Weihnachtszeit“) über Lebensmittel ins Haus karren (lassen, dank Lieferservices) und Geschenke liebevoll per Klick einsammeln …
Den Berg erklimmen, und dann stehst du da oben, atmest je nach Berghöhe frische oder dünne Luft, füllst die Lungen mit mehr oder weniger Sauerstoff und Begeisterung und erst dann überlegst du – wie komme ich eigentlich wieder runter? Ist ja toll, bis nach oben gekommen zu sein, aber hat irgendjemand auch über den Abstieg nachgedacht? Einmal durchs Geröll, durch das Geschenkpapier, durch die Reste von Bratensauce und Guacamole, die sich dank Sauerstoff verfärbt hat? Was ist damit?
Marke, den Gipfel erklommen, und jetzt ist das Ziel erreicht. Ich weiß ja nicht. Das ist doch nur eine Etappe. Diese Etappe, dieses „ganz oben stehen“ wird hier und in meiner Linkedin-Welt allerdings absonderlich gefeiert. Dabei ist es einfach nur ein besonders hübscher Meilenstein. Wenn alles aufgeräumt ist, der Fußboden und das Klo sauber sind, der Baum hübsch geschmückt und die Geschenke adrett und originell eingepackt. Wirklich das Ziel ist eigentlich erreicht, wenn das Geschenkpapier sinnvoll getrennt dem Müll übergeben wurde und parallel möglichst wenig Essensreste im Müll gelandet sind, wenn die Küche wieder begehbar und die Bleche aus dem Ofen wieder sauber sind, wenn wieder ausreichend Messer in der Besteckschublade liegen und wenn niemand mehr sich die Finger an der Adventskranzkerze Nummer eins verbrennt. Dann ist es doch erst erreicht, das Ziel. Oder?
Also, dann, wenn der Bergsteiger wieder wohlbehalten im Basiscamp angekommen ist! Da, wo sich meist niemand mehr feiert, weil das weniger sichtbar ist, als auf dem Gipfel ein Foto in Posermanier zu machen. Der Abstieg vom Berg ist meist gefährlicher, körperlich sowieso nicht zu unterschätzen und dann ist auch das Adrenalin nur kurzzeitig da. Das Adrenalin von der Bergspitzenzielerreichung hält meist keinen gesamten Abstieg. Es sei denn, es war nur ein kleiner Hügel. Dann vielleicht. Aber bei größeren Bergen wie dem Mount Everest muss man schon nochmal richtig Konzentration und Kraft aufwenden, für den Abstieg. Das geht richtig auf die Oberschenkel und Knie!
Ich denke also, die wahre Kunst ist nicht der Moment, in dem ich oben ankomme und mich in alle Richtungen dehne. Die wahre Kunst ist, auch den Abstieg sinnvoll mit eingeplant zu haben. Noch Ressourcen in der Mülltonne zu haben. Das Essen so zu planen, dass die Reste sich sinnvoll in den nächsten Tagen mit einbinden. Nicht zu stolpern beim Aufräumen. Keine Gläser zu zerschlagen. Und sowieso und dringend die Ruhe zu bewahren. Keine Hektik beim Abstieg und keine Überforderung in Form von – all meine Kraft habe ich schon ausgegeben, um den Gipfel zu besteigen. Leider habe ich keine Kraft mehr übrig für den Abstieg.
Weil, bei hohen Bergen ist auch das mit dem Durchatmen eine Fiktion. Also, der Sauerstoff ist einfach verdammt dünn da oben. Da will man nicht erstmal zwei Tage ausruhen. Besser nicht. Besser ist, auszuruhen, wenn man wieder im Basislager angekommen ist.
Wie also kann ich meine Kräfte sinnvoll einteilen, damit ich nicht unterm Geschenkeberg begraben liegen bleibe?
Im Grunde ist es einfach. Es braucht gute Vorbereitung, die passende Unterstützung, eine Portion Gelassenheit und wenig Perfektionismus. Dann geht das schon. Ich für meinen Teil hatte in diesem Jahr sehr viel Arbeit auf der Arbeit, bis einen Tag vor meinem Urlaub. Das war in den Vorjahren anders, da war weniger los und ich war weniger im Hamsterrad. Da blieb noch Muße, am Abend Plätzchen zu backen oder die Wohnung zu dekorieren. Das ist in diesem Jahr alles weggefallen und somit hatte ich deutlich mehr auf den letzten Metern zu erledigen. Weil, mein eigener Anspruch möchte Plätzchen! Und zumindest einen aufgeräumten Bereich in der Wohnung, für einen Moment!
Ordnung im Moment 😉
Jedenfalls – es ist mir gelungen, am heiligen Abend mittags habe ich aber dennoch kurz die Nerven verloren. Weil es noch so viel schien und weil ich es gar nicht will, an dem Tag noch zu putzen. Ich will da fertig sein! Nur in Ruhe die Vanillekipferl backen, wie jedes Jahr. Einen Obstsalat essen, mittags. In Ruhe mit den Kindern Gesellschaftsspiele spielen oder spazieren gehen. Vielleicht gemeinsam lesen. Kein Stress. Kein Aufräumen. Kein Putzen. Am Nachmittag gemeinsam kochen. Wir können das und ich habe dafür schon einen Plan. Dieses Jahr war es allerdings anders –
Und daraus darf ich lernen, falls es im kommenden Jahr wieder stressig ist im Job vor Weihnachten. Weniger ist mehr! Es braucht kein sauberes Klo, um entspannt Weihnachten zu feiern. Dieses „alles noch schnell perfekt“ bringt mich in Hektik und in Hektik stolpert man schneller. Daher – weniger Perfektionismus hilft. Und, natürlich hilft, früher anzufangen. Wenn das allerdings nicht geht, dann braucht es ein „und soviel ist wirklich notwendig, der Rest ist Kunst“.
Das ist die Kunst. An der habe ich dieses Jahr gearbeitet und viel gelernt!
Was gut geklappt hat? Der Abstieg ins Tal. Das weiß ich nämlich schon seit ein paar Jahren. Dass ich das mit im Blick haben muss. Sonst sitzt man nach den Festtagen zerstört auf diesem Berg, mit wenig Sauerstoff und mit müden Füßen, und sehnt sich nach dem Basiscamp …
Ich sitze gerade an einem sauberen Tisch, habe lecker gefrühstückt, die Sonne lugt rein und fordert mich auf, ein paar Schritte draußen zu machen. In den Aldi, zum Beispiel. Fürs Wochenende einkaufen. Ein ganz normales Wochenende, zwischen den Jahren. Da mache ich mich mal auf die Socken. Manchmal habe ich ja das Gefühl, dass es gar kein echtes Ziel gibt. Man klettert quasi täglich auf unterschiedliche Berge. Mal höher, mal niedriger, mal macht man auch einen Tag Pause, aber im Grunde ist es ein Dauerlauf mit Hinternissen. Mehr oder weniger. Bleibt wohl, einfach einen Geschenkpapierengel zu erwählen und jeden kleinen Schritt zu feiern. Nicht nur die Erklimmung des Gipfels. Nein. Jeden Moment. Auch den, an dem wir straucheln, verzweifeln oder Pause machen. Jeden Moment auf dem Weg. Zu welchem Zwischenziel auch immer.
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