Ohne Buchstaben keine Worte. Mir fehlen auch welche, also, Worte. Zeichen hingegen habe ich gleich mehrere. In Ypsilon-Grün, Purple-P und auch in Orange-U, samt blauer Fragezeichen.
Ich habe sie lange aufgehoben. In Kisten, mal dort, mal hier, mal irgendwo.
Magnetbuchstaben. Eines der Lieblingsspielzeuge von Herrn Richter und Frau Lehrerin. Vielleicht sind sie deswegen, wer sie sind? Oder zumindest ein Teil von ihnen? Ist das ein Zeichen, und wenn ja, wie nutze ich es für die jüngeren Geschwister? Ich könnte ihnen ein Zeichen setzen, vielleicht direkt magnetisch an den Kühlschrank?
Schreib mit mir!
Weil, Tafeln, das hat man ja nicht mehr so oft. Mein jüngster Sohn kennt noch keine Tafeln. Der wächst mit den Whiteboards in der Schule auf. Je nach weiterführender Schule kann er noch in den Genuss von quietschender Kreide auf einem Blackboard werden, aber die Wahrscheinlichkeit dessen sinkt von Jahr zu Jahr. Wo wir noch dem Lehrer die Kreide bringen durfmussten, oder es einen Tafeldienst gab, haben sich diese Dienste verändert. Es trägt auch niemand mehr ein Klassenbuch durch die Gegend, in dem die Lehrer:innen ihre Stunden sowie alle anwesenden Schüler abhaken.
Ach, dieses Klassenbuch. Welch Überforderung meiner selbst. Ich hatte auch Klassenbuchdienst, obwohl ich dafür gänzlich ungeeignet war. Ich habe mir dann in diesen Wochen natürlich große Mühe gegeben – das Buch nicht zu vergessen, pünktlich zu sein, aufmerksam. War nicht einfach. Ich war eher ein Schussel. Unpünktlich. Ohne Stifte. Ohne Hefte. Ohne Hausaufgaben. Ohne Plan. Haha. Die Lehrer waren meist ebenso entsetzt wie ich selbst, wenn ich mal wieder dran war, mit dem Klassenbuch.
Noch heute lege ich ungern Dinge ab. Es fällt mir einfach schwer. Ähnlich schwer, wie, Magnetbuchstaben abzulegen. Sie sind immer noch da, auch wenn die Kinder, die damit spielten, inzwischen erwachsene eigene Wege gehen. Ob sie manchmal erinnern, wie es war, als sie Kinder waren? Und Schule spielten, an unserer Tafel? Auf der einen Seite magnetisch, auf der anderen Seite konnte geschrieben werden? Die Monster saßen brav auf dem Boden und lernten lesen und schreiben. Und heimlich Pizza kaufen mit Mamas Kreditkarte.
Auch die Monster sind noch da. Sie sitzen am Fußende im Bett von K5, der bisher nicht so gern Schule spielt. Er spielt lieber, nicht gern in der Schule sein 😉
Jedenfalls, er hat die Magnetbuchstaben in seinem Leben noch nicht kennengelernt. Auch die Tafel, wie oben erwähnt, nicht. Weder hier daheim noch in der Schule. Ob ich die Zeichen für ihn setze und ihn am Sonntag mit Buchstaben überrasche?
Bin unsicher.
Ich könnte das auch einfach wegwerfen. Oder auf Ebay Kleinanzeigen verkaufen. Oder aufheben, weil ich nostalgisch bin. Weil es schöne Zeiten waren. Weil wir nicht aufs Handy schauten, auch ich nicht. Weil wir viel mehr Zeit miteinander hatten, weil wir nicht aufs Handy schauten. Wobei ich auch damals schon viel Zeit im Internet verbracht habe – ich habe beruflich einen Webshop für Eintrittskarten betreut und ab und an bei „Wer kennt wen“ gechattet. Möglichkeiten gab es auch da schon.
Dennoch erscheint es mir im Vergangenen oft so, als sei es anders gewesen als heute. Weniger hektisch. Mehr Ruhe. Kinder, die noch Rollenspiele spielten, in aller Intensität. Ich habe das so nicht mehr erlebt danach, nicht mit K3, nicht mit K4, auch nicht mit K5. Sie sind anders – Kinder einer anderen Zeit. Einer hat gern mit Autos gespielt, darin ist er aufgegangen – er tut das noch heute, jetzt halt als Azubi in einer Werkstatt. Alle eint das begeisterte Spiel mit Lego.
K3 und K5 sind andere Geister. Rennend, Fußball spielend, schimpfend, gewinnend, oft auch jammernd, vergleichend, aufbrausend, begeisternd. Liebevoll im Umgang mit Tieren der eine, total desinteressiert an Tieren der andere. Geeint im Wiederworte geben, im Finger in die Wunde legen. Selten im Rollenspiel, und wenn, dann natürlich Manuel Neuer.
Ich gebe ihnen mal ein paar Zeichen, vielleicht hilft es beim Worte finden.
Und ja – sie sind auch anders bequem. Bei Langeweile wird gern das Handy genommen. Wo früher Monster eifrig das Kinderzimmer auf den Kopf stellten, hängen heute Beine aus Betten, und man hört Monster komische digitale Geräusche machen, während sie entweder kämpfen oder platzen.
Schade.
Und ich, trenne ich mich von Magneten oder fühle ich mich magisch angezogen, weil es so schön Retro ist? Hänge ich am Vergangenen? Schreibe ich damit die Zukunft? Reichen diese wenigen Zeichen? Sollte ich mich kürzer fassen? Oder lächele ich nur milde über mich? Und vielleicht finden meine Kinder, eines der fünfen oder alle fünf gemeinsam, diese Buchstaben in der Stube, und fragen sich. Warum. Warum hat unsere Mutter diese Buchstaben aufgehoben?
Wisst ihr was, wenn es soweit ist – schreibt mir einen Nachlass in Magnetbuchstaben und esst ABC-Kekse dazu. Das würde mir gefallen. Und bitte nur Worte in Liebe, mit Freude. Keine Trauer. Weil, es ist eine Freude, dass wir miteinander waren, mit Magneten und ohne. Jeder so, wie es seiner Zeit entsprach.
Manche Erinnerung kann man einfach nicht wegwerfen.
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