Was verhindert, dass ich sicher gelenkt durch meinen Tag komme? Und wie kann ich mit der Ablenkung sinnvoller umgehen? Weil – sie ist da – und ich kenne sie gut. Sie sitzt in diesem kleinen schwarzen Kasten, den ich als Nabelschnur zur Außenwelt nutze. Da sind all so feine Informationen drin, auch sinnvolle. Wie das Wetter wird, zum Beispiel, oder, ziemlich sinnfrei – wie das Wetter ist, gerade. Dabei wäre ein Blick aus dem Fenster auch schon hilfreich, um das herauszufinden.
Der Kasten weiß auch, wo die nächste Tankstelle ist und wie ich den Weg dahin finde. Außerdem kann der Kasten sehr genau mitzählen, wie viele Schritte ich dahin gegangen bin. Soweit, so sinnvoll.
Natürlich laufe ich nicht den ganzen Tag zur Tankstelle, und selbst wenn, wäre das auch schon witzig. Ich wollte mal ein Buch über Tankstellen schreiben, bzw. über Raststätten. Ich finde Raststätten sehr romantisch. Also, so unterschätzt romantisch. Quasi, Undercover Romantic Places. Ich habe schon an Raststätten übernachtet, geduscht, einen Tag verbracht, lesend und mit anderen Truckern quatschend. Ich wollte auch mal Truck fahren. Einen Rock’n’Roll Truck. Hatte ich erwähnt, dass ich die mit den 1000 Träumen bin?
Jedenfalls, ein Buch über Raststätten. Oder, noch besser, eine eigene Raststätte, die so kultig und großartig wird, dass Menschen absichtlich vorbeikommen bzw. ihren Urlaub so planen, dass sie nicht drumherum kommen, auf meiner Raststätte zu pausieren …
Und schon ist es wieder passiert. Ich bin abgelenkt. Mein Hirn tut das ständig, es braucht dazu keinen schwarzen Kasten. Diese Form der Ablenkung schätze ich allerdings sehr – sie ist so schön kreativ! Dafür habe ich mir letztes Jahr auch ein Projektbuch gekauft und wollte täglich meine kleinen Spinnereien und Ideen darin auffangen. Bildlich und schriftlich. Eine Doppelseite habe ich geschafft, vor einem Jahr, in meinem letzten Urlaub in den Niederlanden. Eine! Doppelseite! Dabei stand in dem Buch, dass mich dazu inspirierte, dass ich das jetzt 1-2 Wochen konsequent machen soll. Auch, um meinen Gedanken und Träumen einen Raum zu geben. Um mich wert zu schätzen, weil auch ich mit meinen Scanneranteilen wertvoll bin. Nicht nur die Experten ihres Fachs sind wertvoll. Auch die Nicht-Experten mit den herausfordernden Ideen. Ohne uns gäbe es kaum bewegtes Bild auf Leinwand. Da bin ich mir sicher.
Also, alles hat seinen Platz in dieser Welt und ist auf seine Art wertvoll. Jedenfalls alles, das einen positiven Ansatz und Impact hat. Wie, mein Projektbuch. Das ist übrigens mit in den Urlaub gefahren. Es liegt ein wenig traurig auf dem Sofa neben mir. Mit dabei ist auch das Buch von Barbara Sher, dass mich damals so frei und glücklich gemacht hat: Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast …
Muss ich nicht. Fühlt sich aber mitunter so an. Schon zu entscheiden, ob ich jetzt in die Stadt gehe oder erst das Museum besuche, ist herausfordernd. Ich könnte ja irgendwo irgendwas verpassen??? Die Möglichkeit, Möglichkeiten zu verpassen, gefällt mir nicht so gut …
Aber zurück zum Thema. Ablenkung. Und wo sie herkommt. Die schlimmste meiner Ablenkungen ist die Expertise der anderen. Dargestellt in den sozialen Netzwerken. Alles Experten. Sogar Hans Dampf ist dabei und verunreinigt die Gassen. Kaum noch Platz zum Laufen, vor lauter Wissen. Auch kaum noch Platz in meinem Hirn, dass versucht, sich da einen Weg durch zu bahnen. Bewusst weiß ich, die kochen auch alle mit Wasser und gehen zum Scheißen aufs Klo. Das interessiert mein unteres Bewusstsein nicht. Das blökt verzweifelt wie ein Schaf, dass zur Schlachtbank gezerrt wird.
Ich lese mir Unsicherheiten an. Ich schaue mir Unsicherheiten an. Und nebenbei verzweifele ich, weil ich das auch alles können will. Also – Alles. Ein eines Thema habe ich nie. Gerade bin ich auf dem Hormon-Steuerungs-Enzym-was-brauche-ich-Tripp. Wie funktioniert mein Hirn? Wie kann ich Serotonin steigern, ohne Tabletten zu nehmen? Wie kann ich dafür sorgen, dass die Neurotransmitter bei mir das Richtige transmitten? Habe ich darauf Einfluss, und wenn ja, wie viele?
Außerdem beschäftigt mich natürlich die Raststätte! Und die Frage, erst Stadt oder erst Musuem? Dazu kommt, das Ladekabel für den schwarzen Kasten ist im Auto und das steht auf halbem Weg zur Stadt in der Tiefgarage. Am Ende entscheidet oft die Sinnhaftigkeit und das, was halt zu tun ist. Einkaufen gehen. Offene Wunden verarzten. Ladekabel retten. Zähne putzen. Ach, Zähne – das habe ich doch tatsächlich schon erledigt! Ein Fleißpunkt für mich und weiter gehts!
Das Ladekabel zur Ablenkung. Das ist auch ein schöner Buchtitel. Wie schnell bist du abgelenkt?
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