mich um mich selbst zu kümmern, Folge 21.
Kennst du das auch? Du schaust eine Serie, und der Hauptcharakter macht in jeder Folge denselben bescheuerten Fehler? Du willst schon durch den Fernseher kriechen, um ihn zu schütteln? Du ahnst es schon im voraus, weil die ersten Hinweise auch immer identisch sind und du spätestens seit Folge 5 ganz genau weißt, worauf das hinausläuft?
Und interessanterweise schaust du dir auch die nächsten 15 Folgen noch an, in der bekloppten Hoffnung, dass der Hauptcharakter doch jetzt endlich! Jetzt! Endlich! Verstanden haben MUSS!
Aber was soll ich sagen. Wir müssen ja nicht so viel im Leben. Nur Trinken, regelmäßig auf Klo und Sterben. Lassen wir Trinken weg, müssen wir auch nicht mehr auf Klo und das mit dem Sterben geht schneller. Aber übers Sterben wollte ich gar nicht schreiben.
Über Hoffnung wollte ich schreiben!
Hoffnung! Das A und O in der Resilienz. Ohne Hoffnung keine Folge 22 im Endlosen Wiederholungsmodus. Und täglich grüßt das Murmeltier haben wir ja auch bis zum Ende geschaut. Bis er aus allen, allen, allen Situationen so viel gelernt hatte, dass er sie optimal nutzen konnte. Alles hat gepasst. Der Weg dahin war weit, mühsam, sich frustrierend wiederholend, nahezu unglaublich anstrengend.
Ja!
Ich bin auch so ein Murmeltier. Schade nur, dass ich dabei laufend älter werde. Ich wünschte, ich würde auch noch so aussehen wie in Folge 1. Das fände ich fair, weil, die Hinweise, die ich mir selbst gebe, erkenne ich auch in Folge 21 nicht rechtzeitig – es sind also immer noch dieselben Hinweise wie in Folge 1. Warum kann ich nicht auch noch so aussehen wie in Folge 1?
Schade. Ich habe gelesen, dass bipolare Menschen im Schnitt 9 Jahre kürzer leben als Menschen ohne diese Störung. Wir verlieren etliche Lebensjahre lebend. Wenn ich mir so anschaue, was hier los war, als ich akut krank war – das sind verlorene Jahre. Auch für mein Gedächtnis. Damals lief die Aufzeichnung noch nicht … Was ein Glück! Ich würde wohl ab und an heulen, wenn ich nochmal sehen und fühlen könnte, was ich damals sehen und fühlen durfte. Es war alles in allem sehr hoffnungslos.
Dabei ist Hoffnung nunmal – der Anker. Das I-Tüpfelchen. Ohne Hoffnung braucht es keinen achtsamen Umgang oder Atemübungen. Beides tolle Elemente, aber überflüssig ohne einen hoffnungsvollen Ansatz.
Hoffnung ist, was mich morgens aufstehen lässt. Und, das Wissen, dass mein Sohn meine Unterstützung braucht, um rechtzeitig mit Frühstück im Bauch aus dem Haus zu kommen. Ich fühle mich weiterhin oftmals nach außen verpflichtet und tue Dinge. Mich mir selbst verpflichten ist auch in Folge 21 schwer.
Das ist (noch) so, weil, ich bin noch in der Wiederholungsschleife gefangen und lerne vor mich hin. Happy end ist halt noch nicht.
Aber! Ich kann erwähnen – ich fange halt auch jedes Mal wieder hoffnungsvoll an. Jedes Mal! Ich stehe jedes Mal auf und stelle fest – dass ich halt wieder von vorne anfangen muss. Weil ich wieder wochenlang abends meine Zähne nicht geputzt habe. Weil ich wieder wochenlang abends zu spät ins Bett gegangen bin. Weil ich wieder wochenlang nicht beim Sport war. Weil ich wieder wochenlang kaum geschrieben habe. Weil ich wieder wochenlang keinen Tagesplan schreiben konnte. Weil ich wieder wochenlang Süßigkeiten im Kleiderschrank gehortet habe UND sie auch gegessen habe. Weil ich wieder wochenlang keine Vorbeuge betrieben habe, nicht im wörtlichen und auch nicht im übertragenen Sinne.
Ich weiß, was ich tun muss, damit es mir gut geht. Ja, der Protagonist der Geschichte ist ja nicht doof. Das ist ein ganz schlaues Kerlchen. Aber zwischen wissen und tun liegt eine Tafel Schokolade.
Ich komme gerade aus meinem kleinen Loch gekrabbelt und stelle fest, dass ich wieder vergessen habe, mich um mich selbst zu kümmern. Das passiert in kleinen Schüben, es schleicht sich ein. Und ich sehe es. Ich sehe es ganz genau und denke am Anfang – ach, einmal, egal, mal alle fünfe gerade sein lassen, wird schon.
Ich kann berichten, ich sehe, was passiert. Noch schaffe ich es nicht, mich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, also, rechtzeitig. Der Tag kommt vielleicht – oder vielleicht auch nicht. Die Auslöser für mein sich wiederholendes Verhalten sind nämlich – unterschiedlich. Die Stressoren sind nicht jedes Mal dieselben. Ja, ich kann Muster erkennen und umso besser meine Mustererkennung wird, umso besser kann ich auch reagieren und Strategien anwenden. Dennoch – ich stehe, was das Mustererkennen angeht, noch am Anfang. Ich komme jetzt erst an den Punkt, an dem ich sehe – dass ich ja schon wieder – wegen X und Y – in die falsche Achterbahn eingestiegen bin …
Also!
Ich lerne. Mit jeder Folge! Die Muster zu erkennen, die mich abschmieren lassen. Die mir nicht gut tun. Die mich unsicher, traurig, ohne geputzte Zähne und mit Schokolade im Mund zu spät ins Bett schicken. Und das ist so.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf! Auch Folge 22 wird sicherlich spannend! Also, nicht abschalten, der Hauptcharakter hat noch eine Chance aufs Happy End verdient!
Und was wäre das auch für eine Serie, in der es keine seltsamen Wendungen samt vertrauten Wiederholungen gibt? In der der Protagonist sein Leben perfekt im Griff hat und jederzeit gelassen auf jede Herausforderung reagiert? Wer würde sich das denn anschauen? Das wäre ja grenzwertig gruselig. So ein gelecktes Arschloch, dem immer die Sonne aus dem Arsch scheint? Dann doch lieber das chaotische Steh-Auf-Männchen, dass ich nunmal bin. Ich bin ein bisschen wie ein Kind, das Laufen lernt. Ich falle halt auch mit 51 noch hin. Und stehe wieder auf. Irgendwann! Lern ich noch, nicht zu vergessen, mich gut um mich selbst zu kümmern.
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