Ganz Deutschland

schaut Fußball. Ganz Deutschland. Minus meine Nachbarin, die rauchend auf der Terrasse sitzt und minus mein Sohn, der schlafen muss und minus mich selbst, die auch schlafen muss.

Anstelle zu schlafen, tippere ich aber noch heimlich im Internet herum. Natürlich so, dass niemand was merkt! Wie früher, wenn ich noch heimlich gelesen habe. Kaum war meine Mutter auf der Treppe zu hören, war flugs das Licht aus und ich im Bett. Mit hektisch klopfendem Herzen vor lauter Aufregung. Bloß nicht erwischt werden!!

Vermutlich hat sie mein Herz klopfen gehört bis zur Zimmertür. Meist hat sie das aber nicht kommentiert und ist einfach wieder nach unten gegangen. Einmal mehr, Glück gehabt. Nicht erwischt worden!

Heute lasse ich mich auch nicht erwischen. Ich lese einfach morgen früh ganz schnell, wie das Eröffnungsspiel der Fußball EM gelaufen ist und plappere das dann eifrig nach. Niemand wird merken, dass ich gar keine Ahnung habe und das Spiel im Traum an mir vorübergegangen ist. Nichts interessiert mich weniger als Fußball. Sagt sie und macht die Schienbeinschoner sauber 😉

Ich bin einfach froh, dass meine Woche rum ist und ich keine weiteren Fälle von Heul hatte. Es war ja zum Heulen genug am Montag. Ich habe auch immer noch leicht diffuse Verwirrung in meinem Hirn, spüre aber, dass meine Psyche sich so langsam erholt. Sie hat heute gelächelt und laut gelacht!

Mit den Jungs war ich heute noch shoppen am Nachmittag. Das führt in der Regel nicht dazu, dass ich lächele oder lache, weil ich shoppen gehen tatsächlich anstrengend finde. Jedenfalls am Ende der Woche mit all der Müdigkeit im Schlepptau. Besonders nervig ist, dass K5 mit seinen 8 Jahren einfach nicht mehr in den Kinderwagen passt. Die Quengelware läuft also mit und jammert dabei leidlich. Immerhin nicht mehr darüber, dass laufen so anstrengend ist. Seit er im Fußball ist, wächst seine Ausdauer – das erleichert vieles! Ich bin dem Fußball an der Stelle wirklich dankbar!

(Schreibt sie, hält inne und schmunzelt – da ist sie, die Dankbarkeit, manchmal ist es doch ganz leicht mit ihr!)

Shoppen. Mit Kindern. T-Shirts, kurze Hosen und Schuhe. Dazu in jedem Fall eine Pizza vom Ditsch, Wurscht von Best Worscht in Town und ein kleines Eis. Außerdem minimum ein farbliches Highlight. Heute: ein Regal mit Gummistiefeln. Das ist ja genau meins! Sommer! Gummistiefel und Rock! Sie hatten leider nur nicht meine Größe da …

Tatsächlich war shoppen heute total easy. Wir wussten, was. Wir wussten, wo. Beziehungsweise, wir hofften, zu wissen. Einmal mehr ist es gut, zu wissen, was wir wollen. Mit der Verkäuferin im Schuhladen bin ich inzwischen per du. Nicht, weil wir da alle zwei Wochen auftauchen. Nein. Nur, weil wir sehr nett sind. Sie ist ja auch sehr nett. Auch wenn wir ein halbes Jahr nicht da waren, weiß sie immer, wer wir sind. Erinnert sich immer an das letzte Einkaufserlebnis mit uns. Das macht mich lächeln. Sie auch.

Dabei fällt mir auf – lächeln mit Menschen beim Einkaufen kann ich super! Ich bin immer charmant, unterhalte mich, mache Komplimente und bekomme ganz oft witzige Geschichten erzählt. Warum auch immer. K4 fand das bisher immer ein wenig peinlich – Mama spricht echt mit Jedem! –
Heute aber meinte er, “Mama. Ich glaube, der Verkäufer hat sich richtig gefreut, dass wir da waren – der hat dir ja sogar erzählt, was er denkt, wie Deutschland heute spielt!”
Ja, kein Wunder, hat der sich gefreut! Ich bin ja auch direkt reingegangen, an den Verkaufstresen, und habe das Folgende gesagt: “Hallo! Wir waren vor knapp einem halben Jahr bei euch und hatten voll das tolle Einkaufserlebnis. Das wollen wir heute gern wiederholen. Mein Sohn sucht kurze Hosen mit weitem Bein.”
Und schwupp, ist das losgelaufen. Voll unkompliziert und passend. Einkaufserlebnis, top! Da gehe ich doch glatt wieder hin.
Wobei – das Geheimnis auch darin liegt, freundlich zu sein und Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Job zu machen – sofern sie den denn machen wollen.

K4 jedenfalls war es heute gar nicht peinlich, dass ich so viel mit “fremden Menschen” spreche. Er fand es eher – beeindruckend. Freut mich. Er wird doch älter. Tatsächlich ist es halt hilfreich, wenn ich etwas kaufen möchte – dass ich auch weiß, was ich kaufen möchte und dass ich den Verkäufern mitteile, was ich kaufen möchte. Klar kann ich auch allein suchen. Und dreihundert Hosen anprobieren. Stunden später finde ich vielleicht auch das, was mir passt.

Also – die Kunst dabei ist wohl, dass beide Seiten so klar wie möglich kommunizieren und beide Seiten auch wissen, wo die Grenze ist. Wann es anstrengend wird. Verkäufer, die wie Geier vor der Umkleide kreisen, um möglichst noch mehr zu verkaufen, finde ich anstrengend. Verkäufer, die mir das Blaue vom Himmel herunterlügen, wie toll ich in dieser Hose aussehe, sind mir auch ein Gräuel. Aber Verkäufer, die einfach hilfsbereit sind und lächeln – die mag ich.

Mein Stichwort. Lächeln. Ich glaube, da wollte ich eigentlich hin. Ich habe gar nicht mehr geweint die Woche! Ich bin deutlich stabiler und heute, auf dem Weg in die Stadt, ist mir aufgefallen, dass ich ganz allgemein wenig gelächelt habe mit den Kindern in den letzten Tagen und Wochen. Ich hab sie auch direkt gefragt. Ist das so? Habe ich in letzter Zeit wenig gelacht? Und K4 hat das bejaht und gleichzeitig gesagt, dass das gar nicht schlimm sei, wir können ja nicht immer gute Laune haben …

Können wir nicht, stimmt. Aber wir können schon was dafür tun, dass unsere Laune zumindest nicht unterirdisch wird. Zum Beispiel, nett sein. Lächeln. Uns in den Arm nehmen. Habe ich dann auch noch ganz viel. Nein, keine Sorge, nicht die Verkäufer:innen in den Läden, in denen wir unterwegs waren. Nur meine Söhne. Beide. Ganz dolle.

Auch K4 mit seinen knapp 16 mag Umarmungen sehr gern. Immer noch. Ich finde das wunderbar. Ich glaube, Teenager brauchen viel mehr Umarmungen als sie normalerweise zulassen. Jedenfalls von Eltern zulassen. Hier kam heute zu den Umarmungen auch noch ein liebevolles Danke hinzu. Ein mehrfaches Danke. Danke für die schönen Klamotten. Danke für die leckere Wurst. Danke für das schöne Einkauferlebnis. Danke, Mama.

Ich Danke, Sohn. Es war mir eine große Freude, dir neue Klamotten zu shoppen. Und jetzt gehe ich ganz freudig ins Bett. Ich hatte voll das tolle Einkaufserlebnis. Dabei gehe ich gar nicht so gerne shoppen. Oder, nur, wenn ich weiß, was ich will und wo ich das bekommen kann …

Wenn ich als Customer gescheit Research betreibe, ist Shoppen doch ganz schön!

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