Fragen zur Rückführung

In allem steckt ein Warum, auch in diesem.
Warum will ich heute meine Linkshändigkeit leben?

Was bedeutet mir die Händigkeit?

Die Händigkeit ist mir ebenso normal uninteressant wie andere angeborene Dinge – Hautfarbe, Augenfarbe, Haarfarbe, Sexualität. 
Und? Ist so. Ist weder gut noch schlecht. Ist. 

Ich denke nicht in Händigkeit, Hautfarbe oder Sexualität. 
Ich komme nicht auf die Idee, zu verurteilen was ist.

Interessant wird es an dem Punkt, an dem Angeborenes zu Nachteilen führt. Diskriminiert wird. Schlecht gemacht wird. 
An dem Punkt werde ich wach. Reagiere. Ich hasse Diskriminierung. Im Großen und im Kleinen. Ich halte immer die Tür auf. Jeder und Jedem. Vor allem Menschen, die einen Kinderwagen schieben. 

Ich möchte heute über eine kleine Diskriminierung sprechen. Wohl wissend, dass es Probleme auf dieser Welt gibt, die größer sind. Heute spreche ich ausschließlich über meine eigenen Probleme – und die sind für mich ausreichend groß und wahrlich alt. Sie beginnen in meiner Kindheit. 

Was hat mich als Kind geprägt?

Eines hat mich als Kind stark geprägt. Die zwanghafte Umschulung auf meine rechte Hand. Die gute Hand. Die richtige Hand.

Ich war nicht richtig.
Ich war nicht gut genug. 

Meine Strafe war Schreiben. Schön schreiben, mit der rechten Hand. Schläge, wenn ich die linke Hand nutzte. Sorge, dass ich im Leben nicht bestehen werde, wenn ich nicht wie alle anderen rechts schreibe. Sorge, was aus diesem Kind wird, wenn es so anders ist … 

Ich weiß, dass ich einige Wege dennoch mit links gegangen bin. Ich laufe mit links los. Ich binde meine Schuhe mit links. Wringe einen Lappen mit links aus (auch dafür gab es Schläge … ). Drehe Dinge mit links auf und zu. Ich habe keine Ahnung, wie man Spielkarten mit rechts mischen kann. Wie macht ihr das? Das ist mir völlig unbegreiflich!! 

Welche Auswirkungen hatte die Umerziehung auf meine Schullaufbahn?

Keine wirkliche Bestätigung habe ich dafür, dass es an der Umerziehung auf rechts lag. 
Schulisch bekam ich mich nicht auf die Reihe. Unkonzentriert, fahrig, ungeschickt, unsportlich habe ich die Schule abgebrochen. Keine Ausbildung. Kein Studium. 
Nicht mal ausprobiert habe ich diese “normalen” Wege. 

Wie ist es beruflich weiter gegangen?

Im Job bin ich quer eingestiegen und geblieben. Ich habe mir eine agile, unkonventionelle Branche gesucht. Rock’n’Roll. Es war nicht wichtig, mit welcher Hand ich schreibe, ob ich eine Ausbildung als Bürokauffrau habe oder gar BWL studiert habe. Wichtig war, dass ich mir schnell Wissen aneignen und es anwenden konnte.

Stolz darauf zu sein, dass ich eine sehr gute Intuition habe, in Krisen Ruhe bewahre, wunderbar kommunizieren kann und mir jedes Thema erarbeiten kann – auf die Idee bin ich nie gekommen. 
Im Gegenteil dachte ich, dankbar sein zu müssen, überhaupt einen Job gefunden zu haben. Wo ich doch sowieso nicht gut genug bin … 

Wie lerne ich?

Bevorzugt: Dazu! 
Ich kann nur schwer theoretisch lernen. Ich weiß nicht, wie ich Struktur aufbauen kann. Ich habe Knoten im Hirn, fühle mich schon überfordert, wenn ich einen Plan entwerfen soll.

Praktisch hingegen funktioniert es gut. Ich muss Dinge immer tun im Lernen. Ich verstehe ein Programm, eine Software erst, wenn ich sie nutze. Immer und immer wieder. 
Ähnlich ist es mit Namen und Vokabeln, Begriffen. All das lerne ich nur durch Bezug und ständiges Wiederholen. Wiederholung ist dabei das Problem. Es fällt mir schwer. Zu oft habe ich das A wiederholt auf einen Zettel geschrieben, mit rechts. Immer und immer wieder. Bis das A schön genug war … 

Was bringt mich auf die Palme?

Ich klettere nicht gerne … dennoch gibt es einige Glaubenssätze aus meiner Kindheit, die mich wirklich auf die Palme bringen und mich dazu veranlassen, auch direkt mit Kokosnüssen zu werfen …. 

Da bist du aber selbst dran Schuld.

Jeder bekommt, was er verdient.

Sei mal dankbar für das, was du hast. 

Vermutlich funktioniert deshalb auch das Dankbarkeitstagebuch für mich Null … 

Wann ist mir bewusst geworden, dass das Thema Linkshändigkeit wichtig für mich ist?

Im Dezember 2021, während eines Zoom-Calls mit dem wunderbaren Massimiliano Salerno …

Über die Händigkeit habe ich immer meine Witze gemacht. Es mal am Rande erwähnt, gerne auch im Blick auf meine Tochter, die Linkshänderin ist. Ich habe dann zum Beispiel erzählt, dass ich ja auch Linkshänderin bin, mir das aber aberzogen wurde. Naja, war halt so. Ist echt nicht schlimm. Ich schreibe super mit rechts.

Wie sehr dieses Thema Einfluß auf mich hatte und hat – das habe ich nicht gesehen. 
Bis es mir im oben genannten Gespräch über die Aktivierung der rechten und linken Gehirnhälfte wie Schuppen von den Augen fiel. Wo mein Problem sitzt. 

Ja, in der Händigkeit. Ich bin Linkshänderin, verdammt.

Noch mehr allerdings in dem, was meine Eltern mir unwissend angetan haben. Sie wollten mein Bestes. Ich mache ihnen keinen Vorwurf mehr. Ich suche, das abzulegen. 

nicht angenommen sein
nicht geliebt sein
nicht richtig sein

Das Gefühl, dass ich nicht okay bin, so, wie ich bin.

Und das nur, weil ich Linkshänderin bin. Ein absurd geringer Grund, einen Menschen nicht anzunehmen. Gering genug, mich gering zu fühlen.

Was ist meine Motivation, die Rückführung in die Linkshändigkeit zu beginnen?

Das Thema Linkshändigkeit ist für mich weit mehr als ein “ich schreibe dann ab September mit links”. Es ist ein Anfang, meine Stärke in mir zu spüren. Mir meiner bewusst zu werden. Auf mich zu achten. Stolz auf mich zu sein. 

Man könnte sagen – läuft doch mit rechts, warum änderst du etwas? Für wen die Anstrengung?

Na, für mich! Für wen denn sonst? I Pay Myself First! 

Schreibe ich in der Rückführung bereits mit links?

Nein, die ersten Schritte sind langsam. Ich denke groß, male mit der linken Hand in großen Bogen. Außerdem trainiere ich die linke Hand mit einem Ring, den ich knete. Um die Kraft zu steigern. 

Eine weitere Aufgabe besteht aktuell darin, bewusst wahrzunehmen, wie ich Dinge tue. Wo ich die linke Hand einsetze. 
Das ist ein sehr spannendes Feld, in dem ich mich aktuell befinde. 

Ich bin dankbar, mir eine Unterstützung geholt zu haben. Ich denke, eine Begleitung in dem Thema ist sehr wichtig – schon gleich mit Blick auf die Glaubenssätze aus der Kindheit, die mich in der Rückführung sicherlich noch öfter besuchen werden.

Welches Ziel habe ich?

Ich habe für mich das Ziel formuliert, mit links schreiben zu wollen. Es ist ein Smartes Ziel, so das ich auch einen Termin festgelegt habe – bis wann ich das Ziel erreicht haben möchte. Für mich ist das der September.