not that tricky

Das kann doch nicht so schwer sein! Oder: wie ich mir eine ganz blöde Angewohnheit wieder abgewöhnen will.

Heute geht es um fieses Suchtverhalten. Sowas wie – Rauchen – oder – Trinken – oder – Glücksspiel – oder – Cola trinken – oder – Fingernägel kauen – oder – Popeln – Ih! Wer tut denn sowas?

Popel – der ungebetene Gast

Im Vergleich zu Rauchen, Trinken (von Alkohol oder Cola) und Glücksspiel erscheint einem ja das Fingernägel kauen oder das Popeln total harmlos. Isses aber nicht unbedingt. Beim Fingernägel kauen wird oft die Nagelhaut verletzt, was dazu führen kann, dass Bakterien schneller und effektiver ins Immunsystem eindringen können. Sprich, der Körper wird Immunschwächer.

Beim Popeln gilt ähnliches, nur schlimmer. Hier kann die Nasenschleimhaut verletzt werden, was widerum das Immunsystem belasten kann. Und ein mechanisches Problem kann auftreten. Bei zu argem, aggressivem Popeln kann ein Loch in der Nasenscheidewand entstehen. Das führt dann zu Durchzug in der Nase …

So eins habe ich erworben! Ich habe eine schöne, große Perforation im Septum. Ich erinnere noch, wie ich mir selbst ein Loch in die Nase gezimmert habe … das war kurz nach der Trennung vom Vater von K3 und K4 vor etwas über 10 Jahren. Der Druck war hoch – sowohl privat als auch im Job – und ich bin oft aus dem Großraumbüro ins Klo geflüchtet, um in Ruhe zu popeln. Druckabbau. Bis es blutet. Das war alles in allem einige Jahre bevor ich offiziell mit einer Depression krank geschrieben wurde. Es war allerdings auch schnell klar, dass ich schon Jahre vorher immer wieder depressive Episoden hatte. Das zählt garantiert dazu.

Es war die Zeit, in der ich also zum Popeln aufs Klo gegangen bin. Um dann mit massiv viel Klopapier das Nasenbluten zu stillen. Außerdem bin ich beinahe täglich weinend nach Hause gefahren. Ich war so erschöpft und so leer, dass ich auf dem Heimweg regelmäßig geweint habe. Und eines Tages bin ich daheim zum Netto gelaufen und hatte die ganze Zeit so ein komisches Gefühl in der Nase. Da habe ich zum ersten Mal beim Nase bohren gemerkt, dass ich den Popel von rechts nach links verschieben kann. Quasi, von einem Nasenloch ins andere Nasenloch …

Ich fands faszinierend. Was nicht alles geht! Wir müssen nur sehr lange sehr stark unter Druck stehen …

Mit dem Loch in der Nasenscheidewand neige ich seitdem noch mehr zur trockenen Nasenschleimhaut und zur Borkenbildung. Was widerum dazu führt, dass ich ständig vor allem durch dieses Loch eine Verborkung habe. Die spüre ich. Die stört. Die will ich loswerden. Und so bohre ich weiter mehr oder weniger beschämt in der Nase.

Mitunter ist es sogar ein Gefühl von Geborgenheit, dieses Nase-bohren. Es baut tatsächlich Druck ab. Es ist eine liebgewonnene Macke. Ich hänge an dieser Form der Selbstverstümmelung.

All dieses “ich achte gut auf mich und esse nur noch gesund und etc.pp.” ist wenig wert, wenn ich mir andererseits fröhlich Löcher in die Nase bohre. Naja. Fröhlich ist hier vielleicht das falsche Adjektiv. Ist ja schon eher Galgenhumor.

Ich habe in meinem Leben bisher zwei üble Angewohnheiten überwunden. Einmal das Nagelkauen (auch hier, bis aufs Blut) und dann noch die Cola-Sucht. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich das geschafft habe. Ich nehme an, nach dem Nagelkauen kam eventuell das Popeln? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mit was angefangen oder aufgehört habe. Ich weiß nur, an den Fingernägeln kaue ich nur noch sehr selten. Das ist quasi eine Ausnahme.

Cola habe ich im Alter von 18, 19 Jahren getrunken wie heute Wasser. 2 – 2,5 Liter am Tag! Ich sag mal nix – das war krass!

Seitdem weiß ich, dass Alkohol, Tabak, Drogen und Videospiele reines Gift für mich sind. Ich neige zur Suchterkrankung. Ich darf das alles nicht. Ich habe zum Glück schon früh erkannt, dass Alkohol mich ausschließlich traurig macht und Tabak mich zum Husten bringt. Drogen als solches fand ich erschreckend und das einzige, was mir manchmal fehlt, sind Videospiele. Ich fand Zelda toll! Ich habe allerdings nichts anderes mehr gemacht, als Zelda gespielt. Nach einer Woche habe ich das dazugehörige Gerät verbannt …

Also, Sucht.

Süchtig nach Popeln? Geht das? Kann eine Gewohnheit, die so intensiv unterbewusst gesteuert ist, eine Sucht sein? Und wenn ja, wie beende ich das denn?

Weil – ich will das beenden. Ich muss das beenden. Meine Nase ist jetzt schon ein Trümmerfeld, irre breit und riesig. Das Loch ist groß, es könnte dazu führen, dass die Nase einbricht. Das will ich mir optisch echt nicht vorstellen. Und deshalb habe ich am kommenden Dienstag einen Termin in der HNO des Klinikums. Die Nase soll gerichtet werden. Ein bisschen werde ich dabei auch gerichtet, vielleicht.

Mein HNO hat mich überwiesen. Und jetzt ist dann schon auch klar, dass ich wirklich aufhören muss!

Wann bohre ich?

Ich beobachte seit längerem, welches Verhalten mein Nasebohren herbeiführt. Also, in welchen Situationen ich den Finger wandern lasse. Da sind mir schon ein paar Dinge aufgefallen:

  • nach dem Aufwachen, noch im Bett (ich spüre die Borken und sie stören beim Atmen, außerdem bin ich noch so duselig)
  • auf der Toilette (das kommt bestimmt von früher, im Job, als ich so extrem gestresst war)
  • beim Autofahren (das führe ich auch auf den Stress von damals zurück)
  • beim Spielen (Gesellschaftsspiele mit den Kindern fordern mich – ich will mehrere Dinge auf einmal: das Spiel verstehen, das Spiel gewinnen, den Streit zwischen den Kindern abfedern)
  • bei Langeweile und Unentschlossenheit (was soll ich tun, was will ich lernen und was soll ich denken? alle Gedanken sind träge, das führt zu Unruhe, und ich kann besser fokussieren, wenn ich – in der Nase bohre)
  • bei Müdigkeit (ähnliches Phänomen wie stundenlang auf Insta herumhängen)
  • beim Duschen (da würde ich auch gerne direkt die Nase sauber machen, es ist so ein Gefühl von – Reinheit)
  • wenn ich hochkonzentriert auf eine Lösung hindenke (ähnlich wie Langeweile oder Unentschlossenheit)

Und jetzt? Was lerne ich daraus?

  • morgens nach dem Aufwachen, muss das hier der erste Gedanke sein: NEIN! Finger weg!
  • das klappt schon ganz gut – ich muss dann nur fünf Minuten später aufpassen, wenn ich auf dem Klo sitze –
  • weil, ich bin ja noch müde, und müde ist schwer
  • beim Autofahren juckt es mir quasi in den Fingern, das ist so sehr verankert, dass es besonders schwer fällt –
  • ich spiele nicht mehr mit den Kindern!
  • haha, nein, das ist natürlich auch keine Lösung. ich versuche es parallel mit Essen. Was aber auf Dauer auch keine Lösung ist. Das ist vertrackt.
  • beim Duschen schneuze ich nur –
  • ich benutze regelmäßig Nasenspray mit Meersalz, das hilft gleich doppelt: es befeuchtet die Nasenschleimhaut und weicht die Borken auf, so dass die sich besser abschneuzen lassen
  • Tja –
  • ach, bei Müdigkeit lege ich mich hin.
  • jedenfalls denke ich darüber nach 😉

Tausche schlechte Angewohnheit gegen gute Angewohnheit

Es ist tricky. Es ist richtig schwer! Es ist wie Mückenstiche aufkratzen. Dringlich halt. Das Gefühl, jetzt gleich durchzudrehen, weil die fiesen Stiche einfach zu doll jucken. Das tun sie nur kurz, vielleicht fünf Minuten. Das kann schon ausreichen, um auszuflippen und DOCH zu kratzen.

Wie lenke ich mich in diesen fünf Minuten ab? Bei anderen Angewohnheiten wie, der Lust zu rauchen, kann das Zeitfenster sogar 20 Minuten betragen. Was tue ich in der Zwischenzeit, um NICHT zu rauchen und NICHT zu kratzen und NICHT zu popeln?

Das finde ich gerade heraus. Eine neue Angewohnheit, die ich bisher im Auto teste, ist: den Beckenboden anspannen. Das nimmt den Fokus weg von der Nase und führt zu einem besseren Körpergefühl. Das tut gut!

Im Job hilft mir, mich mal auf ein Bein zu stellen. Wenn ich balanciere, popele ich nicht parallel in der Nase. Das funktioniert einfach nicht.

Das Meersalznasenspray habe ich direkt im 10er-Pack gekauft, weil es dann deutlich günstiger ist. Ich denke, ich werde in jedem Zimmer eine Dose platzieren. Als sichtbaren Hinweis darauf, dass ich mehr Meersalz in meiner Nase haben will. Und weniger Finger.

Das sind drei gesunde Angewohnheiten, die ich im Tausch gegen das Nasebohren einsetzen werde!

Wie läuft es aktuell?

Aktuell schaffe ich meistens bis mittags, auf das Nasebohren zu verzichten. Dann verirrt sich doch ein Finger. Heute wars beim Spielen, ganz überraschend. Es war mir gar nicht bewusst, und schon war es geschehen. Gestern habe ich es bis 22 Uhr geschafft. Dann saß ich müde auf dem Sofa, war ein wenig willenlos im Kopf und schwupp, war der Popel draußen. Mist.

Zwischen 1 bis 3x am Tag erwische ich mich selbst beim Popeln, aktuell. Das ist gut – es war schon deutlich, deutlich mehr! Das Ziel ist klar – ich will da raus. Ich will Aufhören. Und ich will das allein schaffen, ohne Stromschläge oder eklige Paste auf dem Finger –

Ich war als Kind ein Daumenlutscher. Bis meine Eltern mir so eine Paste auf die Daumen gestrichen haben, damit ich damit aufhöre. Es hat wohl ziemlich blöd geschmeckt, weil – ich habe aufgehört. Und ich glaube, ich habe da direkt mit den anderen Dingen angefangen. Fingernägel kauen. Nase bohren. Nur Cola gab es damals noch nicht für mich …

Ich sehe jedenfalls, welche Muster mein Popeln hat. Das hilft mir hoffentlich, mich bewusster damit auseinander zu setzen und mir selbst zu helfen. Bei jedem Verlangen den Beckenboden anspannen. Das ist der Plan. Oder – mich auf ein Bein stellen. Auch das braucht einen klaren Fokus, der mich hindert, mir noch parallel in der Nase zu bohren. Es soll ein Bewusstsein entstehen, ein körperlicher neuer Anker, der mir ermöglicht, das alte Verhalten abzulegen.

Ganz ehrlich?

Mir einfach in der Nase zu bohren ist so viel einfacher und entspannender! Ich habe ja blöderweise danach sogar das Gefühl, dass es mir besser geht. Dass ich Druck abgebaut habe. Manche Gewohnheiten sind älter als ich es bin, wie es mir scheint.

Ich bedauere wirklich, dass ich mich nicht erinnern kann, wie ich mir das Colatrinken abgewöhnt habe … Es war auf einmal vorbei. Ob ich das wieder schaffe, nur, diesmal mit meiner Nase?

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