Sommer der Urlaube

Sommerferien! Zeit der Vergleiche! Wer hat die schönsten Bilder im Status? Welche unfassbaren Sinneseindrücke aus Sand, blauem Himmel und Eiscreme werden uns serviert? Wer gewinnt die Spiele?

Ich hab schon früher im Schwimmbad die Kinder getunkt, wenn sie mir zu viel von ihren Urlauben erzählt haben. Mein Urlaub, das war die Dauerkarte im Freibad im Ort. Meine Begleitung war wechselnd – immer die, die gerade nicht im Urlaub waren. Kamen sie zurück und haben erzählt – wurden sie getunkt und belacht. Urlaub, schau, ist auch schon wieder rum! Und was war so toll daran? Hast du dich nicht schrecklich gelangweilt, ohne uns? Ist es nicht anstrengend, die lange Fahrt, und dann vor Ort, man kennt nichts und niemand? Und dann, was macht man? Ausflüge? An besondere Orte? Oder stundenlang am Strand liegen? Und das ist toll? Weiß ja nicht …

Ich kann das super. Anderen den Urlaub madig reden 😉

Dabei will ich nur eins. Selbst abhängen. Selbst an neue Orte fahren und meine Nase in fremde Angelegenheiten stecken. Also, im übertragenen Sinne natürlich. Es ist der Neid, der mich den Urlaub der Anderen madig reden lässt.

Schon als junge Erwachsene war mir klar – meine Kinder sollen Urlaub bekommen! Sie sollen nicht neidisch im Schwimmbad ihre Freunde tunken, wenn die erzählen, wie toll es wo-auch-immer-war.

Und ist das geglückt?

Tja.

Bedingt. Noch in Beziehungen, konnte ich mit den Kindern in Urlaub fahren. Zwei Gehälter zur Verfügung zu haben ist echt Luxus! Nur ein Gehalt, das ist weniger luxeriös, reicht aber für ein normales Leben mit lecker Essen, ein paar Ausflügen und die Mama kommt regelmäßig in die Sauna. Eine Handtasche hat sie sich auch gekauft! Urlaub machen wir leider keinen. Seit drei Jahren nicht mehr. Also, allein mit den Kindern bin ich seit 10 Jahren, aber für ein paar Tage hat es immer irgendwie gereicht. Kleines Ferienhaus 80 Kilometer vom Strand entfernt (egal, da fährt man mit dem Auto hin), Mini Zimmer in der Jugendherberge mit kaum Platz zwischen zwei Hochbetten (egal, da atmet man mit den Teenagern einfach nicht) und ähnliche Ausflüge waren dabei. Wir haben immer das Beste draus gemacht und oft auch einfach so getan, als sei das super.

Die Ausflüge waren es immer! Ich habe sehr darauf geachtet, dass wir dann auch in jedem Fall tolle Dinge tun. Dass wir Erinnerungen schaffen. Welche auf Bild, vor allem, welche im Kopf! Heute können wir über das unfassbar kleine Zimmer in der Jugendherberge lachen und die Fahrt an den Strand war immer lustig. Wir haben viel gesungen.

Es war nicht alles schlecht. Es war oft sehr einfach. Geflogen bin ich das erste und letzte Mal mit 19 Jahren. Seitdem habe ich keinen Flieger von innen gesehen. Ich kann das gar nicht bezahlen, mit meiner Schar von Kindern. Ein Ferienhaus in den Niederlanden ist auch inzwischen unbezahlbar geworden. 2000 Euro für eine Woche? Hallo? Gehts noch?

Ich fühl mich manchmal, als würde ich all die anderen Familien gern ins Schwimmbad einladen, um sie zu tunken. Damit sie aufhören, von ihren Urlauben zu sprechen. Ich bin neidisch. Ich möchte meinen Kindern das auch bieten können. Und kann es nicht. Obwohl ich es mir so fest vorgenommen hatte! Als ich jung war.

Wie fühlt sich das an? Dass ich im Namen der Selbstverwirklichung und der Achtsamkeit eine Tasche für mich gekauft habe und drei Tage allein weggefahren bin? Na, wie fühlt sich das wohl an? Dass ich regelmäßig in die Sauna gehe, um mich mental im Gleichgewicht zu halten? Und da auch noch im Restaurant WAS ESSE?

Fühlt sich Scheisse an!

Fühlt sich sehr egoistisch an!

Dabei ist mir durchaus klar, dass es mir gut gehen muss und ich echte Pausen brauche. Sonst kann ich meinen Job nicht machen. Zu meinem Job gehört auch, den Kindern zu vermitteln, dass es toll ist, dass ihre Freunde ganz viel in Urlaub fahren, und dass sie bitte nicht neidisch sein sollen, weil wir halt nunmal nicht in Urlaub fahren …

Neid ist ein ganz schlimmes Gefühl! Wie Mückenstiche! Total überflüssig! Darf man nicht dran kratzen, sonst wird das schlimmer.

Mich kratzt das leider dieses Jahr wieder. Ich fühl mich echt nicht gut damit, dass wir daheim sind. Dabei habe ich viel Zeit für die Kinder, wir haben gemeinsam gespielt, Ausflüge gemacht und herumgegammelt. Es könnte schlimmer kommen. Ob andere glücklicher sind, weil sie weiter weg sind? Ich weiß das nicht. Meinem Kind zu sagen, dass es ja froh sein kann, weil wir bestimmt glücklicher sind als seine Freunde, das fände ich aber schon ein wenig anmaßend. Weil. Vielleicht sind die Freunde glücklicher? Vielleicht haben sie tolle Urlaube mit ihren Eltern und genießen es? Alle sind entspannt, die Betten sind bequem, das Essen gut und das Wetter sowieso?

Ich – weiß – es – nicht. Ich fühle mich nur wie jedes Jahr im Sommer zur Ferienzeit. Unwertig. Unfertig. Beschädigt.

Als Kind hatte ich einen Urlaub mit meinen Eltern. Ein verlängertes Wochenende in der Schweiz. Das wars. Sonst – nix. Als ich älter wurde, bin ich mit auf Freizeiten gefahren, zum Zelten. Das war wunderbar! Das tut jetzt auch K5 mit Begeisterung, gerade erst habe ich ihn auf eine Freizeit in den Herbstferien angemeldet. Ich bin froh, dass ich mir das gut leisten kann.

Und ich weiß – uns geht es dabei verdammt gut. Es gibt genug Familien, die fahren auch nicht in Urlaub. Die können sich das auch nicht leisten. Diese Familien gehören leider nicht zu unserem normalen Umfeld. Es würde den Kindern vielleicht gut tun, zu sehen, dass wir normaler sind, als sie denken.

Wobei es nur noch meinen jüngsten Sohn betrifft. Der vergleicht sehr. Es bleibt ihm auch nichts, die anderen Kinder sind auch sehr deutlich. Das ist in dem Alter einfach normal. Er fährt mit seinem Vater immer ein paar Tage weg, damit gibt er dann an. Er erzählt dann breit und lang, wie er mit seinem Vater im Europapark im Hotel war oder im Centerpark oder – er erzählt nicht, dass er mit Mama im Maislabyrinth war und im See geschwommen ist und wir lange Kinoabende gemacht haben…

Ja, das versetzt mir einen Stich. Weil ich keinen Urlaub zum Angeben schaffen kann. Auch, weil mein Sohn wohl mein Gefühl übernommen hat. Es scheint ihm ja wichtig zu sein, vor den anderen Kindern gut dazustehen. Und dazu braucht es wohl Urlaub oder zumindest den Europapark.

Äh. Wie unangenehm! Wo ich doch Angeber doof finde! Und jetzt gibt mein Kind an, mit dem bisschen drei Tage mit Papa irgendwo. Dabei sind seine Freunde drei Wochen am Stück ganz weit weg …

Ob ihm das auch so viel ausmacht? Ob er das aus meinem Mangel mitgenommen hat? Ob ich zu viel davon spreche, dass wir leider auch das dritte Jahr in Folge keinen Urlaub machen können? Ob ich mich selbst zu sehr zum Opfer mache und meine Kinder das übernehmen? Ob ich mein Geld und mich nicht im Griff habe? Ich könnte doch mehr Geld sparen, für Urlaub.

Aber – mit so vielen Kindern – selbst wenn ich die beiden erwachsenen Kinder nicht mitnehme – drei Kinder und Mutter, das kostet.

Die Überquerung dieser Brücke hier, die wir besucht haben, damit ich doch sagen kann, dass wir etwas Besonderes getan haben im Sommer 2024, die hat für vier Personen 39 Euro gekostet. Abhängen kann teuer sein. Dazu, Anreise mit dem Auto, Übernachtung im Hotel und einmal McDoof auf dem Rückweg. Davon fliegen andere eventuell in den Pauschalurlaub nach Griechenland?

Jedenfalls – ich denke zu viel. Ich vergleiche zu viel. Ich tunke immer noch Kinder im Schwimmbad. Mein Sohn gibt mit dem wenigen Urlaub mit Papa an und mir tut das weh. Ich will das auch. Ich will auch in den Urlaub. Ich will auch diesen doofen Luxus, der völlig überbewertet wird. Ich will auch Bilder im Status. Und sei das Zimmer noch so klein. Oder der Weg an den Strand noch so weit.

Meine Unzufriedenheit nervt mich selbst am Meisten. Ich entschuldige mich den lieben langen Tag dafür, dass ich nicht genug Geld verdiene. Dass wir uns dies nicht und das nicht und das da drüben auch nicht leisten können …

Ich denke, es wird Zeit. Dass ich mal in Ruhe abhänge. Und in Ruhe schaue, wie gut es uns doch geht! Wir sind über den Skywalk in Willingen gelaufen! Wir haben einen tollen Abend mit meinem Bruder verbracht! Wir haben gemeinsam im Hotel übernachtet! Wir hatten viel Spaß miteinander und ein paar tolle Fotos für den Status sind auch dabei herausgekommen. Wir haben auch viel Spaß daheim, mit uns. Es geht uns gut! Wir spielen, lachen, schauen fern, verirren uns im Maislabyrinth und gehen im See baden. Es könnte uns kaum besser gehen!

Vergleichen ist der Tod der Freude. Ich weiß das. Ich darf aufhören damit. Auch und vor allem IM SOMMER!

Im Sommer.

Warum wird so viel Wirbel um den Urlaub gemacht? Es ist schon eine Krux. Es war nur ein Jahr wirklich angenehm ruhig. Als alle wegen Corona NICHT in den Sommerurlaub fahren konnten. Da fühlte ich mich sehr zugehörig 😉

Jedenfalls. Ich übe. Mit meinem Kind. Angeben ist doof. Vergleichen auch.

Bin ich die Einzige, die Urlaub wie Druck empfindet? Was kann ich tun, damit wir im kommenden Jahr gemeinsam wegfahren können? Ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen? Ich bin offen für Tipps 🤷‍♀️

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