unerwartet

Wir sollen ja den Tag nicht vor dem Abend loben, jedenfalls habe ich den Spruch so noch in Erinnerung. Frei nach dem Motto, es kann auch noch richtig Scheiße werden! Bloß nicht zu früh freuen! Geringe Erwartungshaltungen werden weniger enttäuscht. Dabei entsteht allerdings auch weniger Freude. Weil, auch die im Vorhinein ist eine Freude! Sogar eine Freude, die beflügelt und leicht und sinnig macht. Also, etwas Gutes steckt ja schon auch in Erwartungen. Oder?

So wie ich gestern, voller Erwartungen in meinen Workshop gestartet bin. Der war dann nicht so wie erwartet – er war halt anders als gedacht – und ich habe natürlich dennoch mitgemacht. Tatsächlich auch ganz positiv, ich habe mitgenommen, was ich mitnehmen konnte. Einen Block, einen Stift, acht Lobkärtchen mit liebem Feedback zu meiner Person. Also, das Feedback ist ehrlich schön! Tatsächlich aber traue ich ihm nicht. Weil – ja, ist schön, aber wir durften ja auch kein kritisches Feedback geben. Und ich erwarte ja eher kritisches Feedback. Warum auch immer. Der kleine Teufel hüpft und tanzt weiterhin ab und an auf meiner Schulter und kichert mir ins Ohr: “Wenn die gedurft hätten, hätten sie bestimmt geschrieben, dass du ganz schön dick aussiehst in dem Kleid!”

So ein Teufel ist das!
Und ich bin das ja schon gewohnt, ich erwarte gar nichts anderes mehr …

Heute morgen war ich dann – es war kaum anders zu erwarten – voll durch. Ich habe unruhig geschlafen und bin unruhig in den Tag gestartet. Zwei wichtige Meetings vor mir, von denen ich wusste – dass ich sie improvisieren muss, weil sie nicht vorbereitet sind. Inhaltlich ist alles da – also, in meinem wirren Kopf – aber es ist nicht schön säuberlich in Miro-Boards gemalt.

Will meinen – ich war kurz davor, heute morgen meinen Spaziergang zu streichen, um möglichst schnell noch ganz viel nachzuarbeiten. Weil, ist wichtig. Ich will ja meinen Erwartungen gerecht werden … Ich überlegte zusätzlich, das Mittagessen mit einer Bekannten abzusagen … Weil, besser nicht Pause machen, besser schnell noch weiterarbeiten …
Und dann war da noch der Gedanke, ich könnte mich ja auch einfach krank melden.

Mein innerer Schweinehund hat sich schon die Hände gerieben. Cool! Ich hab sie im Sack, schon morgens! Die macht heute gar nichts! Die lässt sich einfach gehen! Dann gibt es auch Toast mit Nutella drauf! Yeah! Sieg auf voller Linie!

Zum Teufel mit dem Schweinehund!

Es mag ganz amüsant klingen, wenn ich das so aufschreibe. Es ist mit allerdings völlig ernst. Das Gefühl dahinter ist lähmend. Wie eine bleierne Müdigkeit voller zappelnder Gedanken. Unbeschreiblich. Es fühlt sich an, als käme gleich eine Welle voller Panik vorbeigeschwappt. Und als müsse ich mich hinsetzen und nicht mehr aufstehen.

Ich kenn das schon. Fokus hilft dann. Den darf ich dann suchen. Zum Glück habe ich inzwischen eine ganz gute Orientierung in mir selbst, so dass das zumindest heute geglückt ist! Ich bin zu allererst mal raus gegangen und habe meinen Spaziergang gemacht. Dabei habe ich mir eine Menge Ruhe gezogen und ein paar schöne Bilder gemacht. Fotografieren hilft mir wirklich, weil ich da ganz besonders gut fokussieren kann. Ich fotografiere auch tatsächlich gern einzelne Blumen oder Blüten. Den Rest schicke ich in die Unschärfe. Ganze Blumenwiesen interessieren mich nicht. Darin verliere ich den Überblick. Ich möchte nur diese eine, besondere Blume. Im passenden Licht, in der passenden Umgebung. Dann fühle ich mich ruhiger. Dann habe ich Fokus geschaffen, der sich auch auf meinen unruhigen Geist auswirkt.

Nein, obwohl ich das weiß, ist das kein Garant dafür, dass ich ruhiger werde und mein Tag wider Erwartung sich ins Positive dreht. Aber es ist eine meiner Möglichkeiten, und heute hat es funktioniert …

Zusätzlich halte ich auf diesen Spaziergängen den Kontakt zu meinen Freundinnen. Asynchron. Oft schicke ich eines meiner Bilder mit einem Gruß in den Tag, manchmal auch Sprachnachrichten. Manchmal habe ich aber auch genau in dieser Zeit die Muße, Sprachnachrichten anzuhören, die mir geschickt werden. Es ist eine gute Zeit, wenn ich einen Morgenspaziergang mache.

Viel besser als arbeiten, auf alle Fälle. Mir ging es besser, als ich heim kam. Ich hatte das gar nicht erwartet.

Im Flow-Zirkus

Da war ich dann heute, und es war total schön! Das hatte ich nach dem anstrengenden Start am frühen Morgen nicht erwartet. Der Flow kam völlig unerwartet und recht schnell. Im ersten Meeting. Mit 10 Minuten Vorlaufzeit auf den Punkt vorbereitet und vorgetragen. Das war die letzten Wochen so nicht möglich. Auch das war unerwartet.

Es lief – im Job – beim Mittagessen – danach wieder im Job – und besonders gut am frühen Abend. Da habe ich den Flow-Zirkus eingepackt und wir sind zum Fußballplatz gefahren. Die B-Jugend hatte ein Spiel und unser Trainer hat die Kinder gestern eingeladen, doch einfach vorbeizukommen und die Mannschaft anzufeuern. In Verbindung mit einer Pizza, die wir uns ja vorher noch in der Pizzeria holen können …

Und dann haben wir das gemacht! Sogar K4 kam mit – als er Pizza hörte – und hatte Spaß. Wir saßen entspannt neben dem Spielfeld, eine Freundin von mir war zufällig auch in der Nähe und hat sich zu uns gesetzt. Die Pizza hatte zu viel Käse. Es sei ihr verziehen. Von ihr hatte ich tatsächlich mehr erwartet, so hoch wie die Pizzeria gelobt wurde. Nun. Was soll ich sagen. War eher Durchschnitt. Aber – ich konnte gut mit der enttäuschten Erwartung umgehen. Weil, manchmal ist das halt so. Besser, wir haben Erwartungen, als wir haben keine. Ganz ohne Erwartung, dass ist dann tiefes Nichts-Fühlen.

Oder, wie gestern schon festgestellt, es braucht halt die goldene Mitte. Eine Balance, die uns nicht kippen lässt in extreme Begeisterung oder extreme Frustration. Einfach gelassen erwartungsoffen. Im Flow.

Wo der heute herkam, der Flow. Keine Ahnung. Aber der Spaziergang hat in jedem Fall mit dazu beigetragen. Und das Fotografieren. Und nette Nachrichten von lieben Menschen. Und ein Meeting, das so locker lief wie früher. Ich erinnere mich noch, wie locker es lief, damals. Im März und April. Lange her 😉

Jedenfalls – und das Sahnehäubchen waren einmal mehr die Kinder. Auf dem Fußballplatz, mit Pizza und zu viel Käse. Ein bisschen den Magen verderben vor Glück. Ein bisschen schon ein Gefühl von Ferien, die vor der Tür stehen. Ein bisschen so wie Sommer vielleicht sein kann, wenn es uns gut geht.

Seit ich für mich verstanden habe, dass ich eine Art Summertime Sadness mit mir trage, geht es mir etwas besser. So, als hätte ich eine Art neue Betriebsanleitung für mich selbst entdeckt. So, als könne ich mehr Verständnis für mich haben. So, als könne ich die Erwartungen an mich selbst leichter anpassen.

Ich konnte heute die wirklich schwere Unruhe am Morgen drehen. Ich hatte die Erwartung, einen sehr schweren Tag vor mir zu haben. Und dann hab ich es einfach anders gemacht. Ich bin voll stolz auf mich!

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