der falsche Mann

Ich strebe Vollkommenheit an, sagte heute der Mann, der die Liege neben mir in der Sauna hatte. Hätte ich nicht gelegen, da hätte es mich wohl gelegt. Welch seltsame Menschen doch herumlaufen, manchmal ist es kaum zu glauben. Und gestern schrieb ich noch, dass ich immer neugierig bin auf Menschen und deren Geschichten. Dass ich verstehen und fühlen mag. Hier allerdings … fühlte ich, dass es zwar viel zu verstehen gab, ich aber keine Lust dazu hatte 😅…

Aber von vorne. Ich war heute in der Sauna. Ich habe jetzt endlich das Gefühl, dass ich für die nächsten zwei Wochen ausreichend oft in der Sauna war. Das ist ehrlich gesagt ein sehr schönes Gefühl, weil es für mich bedeutet, dass ich wenig gestresst bin. Ruhe ist angekommen, ich kann jetzt wieder unruhiger werden 😉

Mein Plan für heute ist jedenfalls voll aufgegangen, ich war rechtzeitig um 10:23 Uhr an der Sauna und habe mich in die Reihe der Wartenden eingereiht. Alle anderen hatten denselben Plan wie ich – rechtzeitig da sein, einen tollen Liegeplatz bekommen, den Tag genießen. Die Sauna öffnete um 10:30 Uhr heute. Ich hatte kurz das Gefühl, einem besonderen Happening beizuwohnen, und am Einlass drängelten alle ein wenig 😉
Rockkonzertfeeling!! In der Sauna

Schon an der Garderobe begegnete ich ihm – er sah charmant aus, war gut gelaunt, wir lachten gemeinsam über diesen “rechtzeitig da sein” Hype. Ich konnte schon immer gut über mich selbst lachen. Das ist ja der Grund, warum auch ich so früh da war. Ich wollte eine gute Liege ergattern. Handtuch drauf, meins. Eine sehr deutsche Angewohnheit. So stelle ich mir das in Malle am Pool vor …

Da die Sauna schon morgens so gut gefüllt war, hat sich angeboten, dass dieser fröhliche Mann und ich zusammen in so eine “Zweierbox” gehen. Seit Corona stehen Trennwände zwischen den Liegen. Manche Trennwände grenzen auch einzelne Liegen ab, die ich in der Regel ebenfalls gerne nutze. Obwohl es oft eng ist – zwischen zwei so Trennwänden – und ich die Doppeldinger lieber mag. Ich habe einfach mehr Platz auf so einem Zweierslot, sogar, wenn da noch eine Person liegt. Also, gesagt, getan, wir haben einen tollen, ruhigen Platz gewählt und ich war erstmal happy. Es versprach, ein ruhiger Tag in hoffentlich weiterhin netter Gesellschaft zu werden.

Ziemlich schnell war klar: ich hatte dann, was ich hatte – auf der Liege neben mir, einen Vertriebler auf dem Weg zur Vollkommenheit. Das war so unglaublich, dass ich es aufschreiben muss. Vor allem aber, weil es mir so bekannt vorkam. Ich hege die Befürchtung, dass ich auch schon über Grenzen gegangen bin, weil ich sie nicht sehen konnte. Einfach weiterplapperte, ungestüm wie ein junges Fohlen, voller Freude. Es war, als hätte mir jemand den Spiegel vorgehalten, gelächelt und gesagt – und so bitte nicht mehr!

Wobei, ganz so hart möchte ich gar nicht mit mir ins Gericht gehen. Ich habe eh schon einen mitunter zu hohen Anspruch an meine Vollkommenheit. Ich kann durchaus verstehen, dass Menschen, die neben mir auf einer Liege in der Sauna liegen und in einem Buch lesen, dass die sicherlich kein Gespräch führen wollen. Auch schlafende Menschen wecke ich nicht, um ihnen ein “Tschüss” zuzurufen. In der Regel lache ich auch nicht durchgehend oder spreche viel zu laut. Wobei, meine Mutter würde das wohl verneinen.

Jedenfalls. Ich habe seinen Namen vergessen, ehrlich! Er meinen aber nicht. Ganz nach guter Vertrieblermanier hat er den auch oft genug verwendet. Das soll ja Bindung herstellen und ein Gefühl von – ich bin gemeint! Also, ich. Larissa. Naja. Ich fand es schräg und anstrengend.

Auch seine Fragen, beziehungsweise die Art, wie er im Gespräch bleiben wollte, war schon nach 10 Minuten voll daneben. Wann ich geboren sei. Er sei sehr spirituell. Ich war erstaunt, dass er mich nicht direkt mein Human Design berechnet hat … Er hat dann natürlich erzählt, wann er geboren ist und was das bedeute … Er hat sowieso viel über sich selbst erzählt. Dann innegehalten und immer mal eine offene Frage an mich gerichtet, wie – was gibt es Ostern bei euch zu essen? Bist du Frühaufsteher oder Langschläfer? Auf beide Fragen gab es durchaus eine klare Antwort – die Zeichen konnte er dennoch nicht erkennen. Schwierig.

Besonders bezeichnend fand ich seinen Kommentar zu seiner jetzigen Beziehung und zu seinen beiden Ehen. Es waren die falschen Frauen. Ich habe mich spontan gefragt, ob er sich wohl je gefragt hat, ob er eventuell der falsche Mann war?

der falsche Mann

Für mich ist dieser Mann jedenfalls der falsche Mann. Ich habe ihm meine Adresse nicht verraten 😉

Ich war heute auch zwischenzeitlich mit meiner normalen “Sauna-Gang” unterwegs und habe mich nett unterhalten. Er war dann etwas beleidigt, weil ich so wenig am Platz war. Aha. Also – verrückt. Wie kommen Menschen nach einem fröhlichen Hallo am Morgen eigentlich auf die Idee, dass man sich seit Jahren kenne und gemeinsam um die Häuser ziehe? Unfassbar. Übergriffig. Anstrengend. Lesen konnte ich auch nicht. Er musste ständig was erzählen, was fragen und dabei mit dem Liegestuhl kippeln. Ich glaube, so was schräges habe ich ewig nicht erlebt.

Zwei Dinge hat mir das mitgegeben heute. Zum einen, ich darf nochmal hinschauen, ob ich deutlich genug kommuniziere, auch körpersprachlich. Damit so Menschen mir nicht weiterhin zu nahe kommen. Ich habe dann durchaus verbal mitgeteilt, dass ich meine Ruhe haben möchte. Verstanden hat er aber auch das nur bedingt. Eventuell ist also meine Körpersprache völlig in Ordnung, er war nur einfach komplett blind.

Jedenfalls, das zweite ist der Blick auf den “falschen Mann”. Ich habe das auch schon über meine Ehen gesagt. Und es ist nicht wahr. Ich habe nicht dummerweise den falschen Mann geheiratet. Neeee, ich habe mir meine Männer schon bewusst ausgesucht. Ich hätte ja auch Nein sagen können. Es waren genau die richtigen Männer, zu diesem Zeitpunkt. Herausforderungen und Wachstumspotenziale. Ich konnte sie gar nicht als falsche Männer für mich wahrnehmen. Zu sagen, ach, ich habe zwei Idioten geheiratet, stimmt zudem auch nicht. Es war so, wie es war. Punkt. Heute würde ich mit diesen Männern vermutlich nicht mal mehr die Liege in einer Zweierbox teilen –

Am Ende

hilft Klarheit. Auf dem Weg zur eigenen Vollkommenheit hat dieser Mensch heute offenbar total verlernt, auf andere Menschen zu achten und deren Grenzen wahr zu nehmen. Ich habe dafür gelernt, mich verbal abzugrenzen. Außerdem wünsche ich ihm sehr, dass er bald die Reinkarnation zur Vollkommenheit erlebt, in welchem Orbit auch immer. Und mir wünsche ich eine Einzelbox mit Stellwänden, damit ich so schnell keine neuen Menschen auf dem Weg zur Vollkommenheit kennenlernen darf 😉

Ich kann auch so seltsam sein und viel erzählen. Nicht über Vollkommenheit und Reinkarnation, aber das kann ja noch kommen … ich möchte nie so übergriffig und selbstzentriert werden, dass ich gar nicht mitbekomme, wenn andere Menschen am liebsten weglaufen möchten …

Meine beiden Exmänner und die dazugehörige Zeit samt Kindern möchte ich auch nicht mehr als “den falschen Mann geheiratet” betiteln. Das passiert mir leider manchmal. Das ist nicht fair. Da kann ich sicherlich etwas besseres finden, dass ich sagen kann. Ich denke da mal drüber nach.

Ich sage ja auch nicht, dass ich mir heute den falschen Mann für die Liege neben mir ausgesucht habe. Das wäre zu einfach. Ich hatte durchaus den richtigen durchgeknallten Typen neben mir. Richtig, um etwas zu lernen.

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