Heulsuse

Ich. Habe heute im Marketingmeeting eine Heulpause eingelegt. Ehrlicherweise konnte ich die Tränen nicht zurückhalten, und wenn ich eines gelernt habe, dann – Heul doch!

Weinen hilft!

Gefühle lassen sich manchmal nicht wegzwinkern, nicht aus den Augenwinkeln wischen und auch nicht unauffällig ins Taschentuch rotzen. Ab und an müssen wir den Menschen den Rotz direkt auf den Pulli schmieren.

Hier. Für dich. Achtung, ist eventuell ein wenig versalzen, diese Suppe.

Eventuell bin ich heute einfach nur zur falschen Uhrzeit aufgestanden … also, nicht nur eventuell. Tatsächlich haben wir alle verschlafen. Nur für K5 hat es noch für ein schnelles Frühstück gereicht. Der Rest ist einfach so aus dem Haus gefallen. Ich habe binnen kürzester Zeit meine Planung komplett über den Haufen geworfen und neu gestrickt. Darin bin ich ja schon immer gut gewesen.

Nur, ich bin deshalb unvorbereitet in einen Termin gestolpert, der mich dann auch noch direkt am Tränenwurzelkanal erwischt hat. Gerade höre ich immer nur auf dem Appellohr. Dies nicht gut genug. Das nicht fertig. Hier noch ein besserer Vorschlag. Warum ist das Miro-Board nicht aktualisiert. Ja, warum nur?

Ich hab sowas von keine Lust mehr, dazu immer freundlich zu nicken. Ich habe einfach zu viel Arbeit auf dem Schreibtisch liegen und komme nicht dazu, das mal in Ruhe abzuarbeiten. Deshalb habe ich heute nochmal klar Nein dazu gesagt. Nein, das ist zu viel. Nein, das geht zeitlich nicht. Nein, das hat gerade keine Prio. Nein, ich habe keine Ladekapazität mehr. Nein, verdammt.

Es ist aber auch zum Heulen!

Gerade erst am Freitag hatte ich beschlossen, dass es mir jetzt wieder gut geht. Dass ich lange genug mit all meinen Selbstzweifeln Schokolade gegessen habe. Dass es Unsinn ist, sich von schlechtem Feedback so runterziehen zu lassen. Dass mich nicht Jede lieben muss.

Ich bin mental aktuell unfassbar dünnwändig. Und es wird schlimmer. Ich versuche, an den Wochenenden zur Ruhe zu kommen, mir selbst gut zuzureden, den mentalen Load zu verringern. Es scheint mir nicht so gut zu gelingen. Sonst würde ich wohl kaum im laufenden Meeting in Tränen ausbrechen. Immerhin habe ich nicht einfach die Kamera ausgeschaltet oder einen Hustenkrampf vorgetäuscht. Neeee. Ich habe meinen Tränen in die Kamera geblafft. Eins zu Eins. Mir geht es gerade schlecht, die Situation überfordert mich, ich verstehe nicht, was ich denn jetzt schon wieder noch erledigen soll. Ich bin am Limit.

Nur, heute morgen wusste ich noch nicht, dass ich am Limit bin. Das habe ich erst im Meeting gemerkt. Und ja, ich bin stolz darauf, eine Heulsuse zu sein! Sogar, eine öffentliche Heulsuse zu sein. Früher bin ich zum Heulen aufs Klo gegangen – und das ist vorgekommen! Ich habe sogar mal einen Heulkrampf im Parkhaus bekommen, so dass ich einfach nicht heimfahren konnte mit dem Auto. Fertig. Ich habs keinem erzählt. Musste mich aber direkt danach krank schreiben lassen. Und kam 1,5 Jahre nicht zurück. Ins Büro. Ich bin einfach in diesem Parkhaus geblieben, gefühlt.

Das passiert mir nicht nochmal!

Deshalb heule ich jetzt öffentlich in Meetings. Vor den Kolleginnen. Und blaffe meinen Chef an. Das nennt sich New Wort und psychologische Sicherheit. Die Sicherheit, dass ich deswegen nicht wegen Unzulänglichkeit gefeuert werde. Oder dumm angeguckt. Oder Beides. Bisher jedenfalls ist noch keine Abmahnung wegen Überforderung meiner Umwelt bei mir eingegangen.

Ich bin auch nicht sauer auf mich oder schäme mich oder sonstwas. Im Gegenteil. Ich kann immerhin sagen, dass ich überfordert bin. Übermüdet wohl auch, obwohl ich ganz viel Schlaf hatte am Wochenende. Ich glaube, mein Leben ist irgendwie zu schnell geworden.

Meine Brüder haben mich früher oft Heulsuse genannt. Ich habe wegen Allem und Jedem sehr schnell geweint und wurde oft gehänselt. Daheim, von den Geschwistern. In der Schule, von den Klassenkamerad:innen.
Heul doch! Heul doch!

Ich rutsche gerade (wieder) in die Opferrolle. Das ist der Grund, warum ich heule. Das habe ich doch schon hinter mir. Ich will doch kein Opfer mehr sein. Ich will mich auch nicht so fühlen. Wenn ich aber vor lauter Überforderung wütend werde und heule – befinde ich mich mental im Chaos. Das Letzte, was ich will.

Bleibt, besser auf mich zu achten. Und wo fange ich damit an? Genau, im Marketingmeeting. Mit klaren Nein. Leider weine ich auch dann noch, wenn ich klar Nein sage. Eventuell fällt mir Nein sagen nicht so leicht.

Gut. Weiterüben. Dann bin ich halt eine Heulsuse. Hauptsache, ich heule nie wieder allein im Parkhaus! Sondern in aller Öffentlichkeit.

Gerade muss ich dann doch grinsen. Vielleicht sollte ich ein kleines Video drehen, mich beim Weinen, und daraus netten Content für Linkedin machen. Wie ich in der Krise zu mir selbst finde, oder so.

Lachtränen.

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