Haha, ich habe Wortveränderungsstörungen. Refluxieren finde ich gerade ganz wunderbar, und Demutivierung. Manches stößt mir halt sauer auf oder kommt mir direkt hoch. Was da hilft, habe ich schon in der Schwangerschaft mit K1 ausgiebig getestet. Ungeschälte Mandeln und Milch. Kann ich empfehlen bei Sodbrennen, egal ob es mir mental aufstößt oder in echt – also, in echt echt.
Die Refluxion. So ein schönes Wort.
Seit Tagen gibt es bei mir Reflexion. Für Arbeitsthemen. Mit dabei, meine letzten Erkenntnisse, aus Feedback gewonnen. Ich war die letzten Wochen ziemlich lost wegen eines Feedbacks, dass ich gewonnen habe. Und dem ich mich kaum stellen konnte. Ich bin ein verdammter Teenager, der sich vor lauter Aufbegehr direkt die Haare grün färbt und sich ein Tattoo stechen lässt. Irgendwas mit “fuck you all you fuckers” oder so. Also – ich bin reichlich unerwachsen und wenig kritikfähig. Vor allem, wenn ich weiß, dass die Kritik in Teilen berechtigt ist und ich mich eh schon schäme und hoffe, niemand merkt, dass ich verrückt bin …
Ich kann da Gras drüber wachsen lassen, das dauert mir aber viel zu lange. Lieber schaue ich nochmal hin, was da denn los war die letzten Wochen. Wie viele Anteile von mir Anteil genommen haben, und welche davon sich inzwischen beruhigt haben.
Feedback für Anfänger
Ich bin ein ziemlicher Feedback-Anfänger. Wir haben früher nicht gefragt, willst du Feedback? Es gab einfach eins über die Rübe. Fehler gemacht? Direkt ein Tritt vors Schienbein, schau her, das geht so nicht, bring das in Ordnung. Und dann habe ich mich entschuldigt und das in Ordnung gebracht. Die Tonalität in den Konzertagenturen, in denen ich gearbeitet habe, war sehr direkt. Da wurde geflucht, geschimpft, kritisiert. Es war schnell, hart und ehrlich. Fehler durfte man manchen und hat man dann auch direkt ausgebadet. Eigenverantwortung habe ich in den ersten Jahren im Job gelernt, Entscheidungsfreude und ein dickes Fell habe ich mir angeeignet.
Es gab kein “erst sagen was gut war, dann sagen, was scheiße ich und dann damit abschliessen, wie man es sich denn jetzt in Zukunft wünscht” oder so. Es gab “das hier ist der letzte Mist, mach es besser”. Ja, war nicht immer schön und ab und an war ich auch mal zum Heulen auf dem Klo. Aber es war zumindest vollkommen ehrlich und – vollkommen ohne Wertung der Person. Es ging um den Job. Das verdammte Gefühl dahinter war hinderlich.
Ich habe mir wenig Gedanken darüber gemacht, was die Menschen von mir denken, ob die mich mögen oder ob ich die mag. Das war total zweitrangig. Vordergründig wichtig war: das Ding läuft, der Job läuft, wir sind am Ende des Tages erfolgreich mit dem, was wir tun. Familie hatte ich daheim, nicht im Job. Wenn es mal ruppiger wurde, war niemand beleidigt, weil es mal ruppiger wurde. Es war normal. Niemand kam auf die Idee, zu denken, er oder sie könne nichts. Und falls doch mal jemand auf diese absurde Idee kam, zu denken, er mache keinen guten Job, konnte er oder sie direkt nachfragen. Wir haben das nicht stunden- oder wochenlang mit uns getragen und dann eine Feedback-Runde gemacht.
Also, versteht mich bitte nicht falsch, richtig echtes Feedback soll uns ja wachsen lassen. Im Optimalfall. Wertschätzend, freundlich, zugewandt. Das hat meine Feedback-Partnerin versucht. Sie hat soweit alles richtig gemacht – mich vorher gefragt, ob sie mir Feedback geben darf. Dann alle Regeln beachtet und alle Sätze, die man in den üblichen Ratgebern finden kann, angewandt. Konkrete Beispiele genannt, um mir zu verdeutlichen, was sie meint. Kein Wischi-Waschi. MeinProblem mit ihrem Feedback war und ist nur – es betrifft mehr sie selbst als mich.
ohne Unterbrechung
Dieses Thema war für mich das Unangenehmste, weil es so wahr ist. Auch für mich und für andere Menschen wahr ist. Ich unterbreche Menschen. Beim Denken. Meist denken sie nämlich während sie reden. Sie kommen nicht auf den Punkt. Sie reden und wissen nicht, was sie erzählen wollen. Sie haben eine Idee, aber, dann, eventuell, vielleicht und eigentlich, was meint ihr? Da falle ich vom Glauben ab. Mein Hirn hat schon drei Lösungen ausgespuckt, oder, schlimmer – sie auch schon fertig gebaut auf dem Schreibtisch stehen. Aus Knete.
Jaha, das ist super ätzend. So Kollegen wie mich, die unterbrechen, um Dinge endlich zu Ende zu bringen. Auch, mitunter, um die Lösung präsentieren zu können, zu den fünf Gedanken der Anderen. Um voran zu kommen. Dabei ist es ja immer nur meine Wahrheit, in meinem Kopf.
(Wobei das nicht stimmt, ich liege verblüffend oft richtig mit dem, was ich sage – ich habe mehr als einmal erlebt, dass Menschen verblüfft antworten, dass sie genau das sagen wollten, es aber irgendwie nicht auf den Punkt bringen konnten) – siehe oben –
Auf den Punkt. Wenn Menschen wirklich was zu sagen haben, unterbreche ich selten. Dann höre ich zu und versuche, zu verstehen und zu lernen.
Ich habe das im Internet gegoogelt. Menschen, die andere Menschen unterbrechen, sind böse Selbstdarsteller, unangenehme Menschen, Narzisten, Arschlöcher. Ihr Antrieb ist meist selbstdarstellerisch, ich-bezogen, sie sind rücksichtslos und ignorant. Bin ich das?
Ich habe jetzt lange darüber nachgedacht, bin ich so? Bin ich so ein schlechter Mensch? Oder habe ich nur einfach nicht gelernt, mich zu kontrollieren?
Ich glaube, ich bin gar nicht so schlimm. Ich bin sprunghaft und schnell im Denken. Okay – ich halte jetzt einfach meine Klappe und melde mich. Und hau dann meine Gedanken raus. Ich habe in einem der letzten Meetings bemerkt, dass mir 2 von 3 Personen auch gar nicht folgen können. Denen bin ich viel zu schnell. Denen muss ich das, was ich bereits erledigt habe, bis zu dreimal erklären, damit sie es verstehen. Es ist unglaublich! Echte Expertinnen auf ihrem Gebiet, aber unfassbar eng gehalten im Kopf. Und mir ist bewusst, dass ich diese Expertinnen um mich brauche, weil sie die Ideen in die Tiefe ausarbeiten können. Pixel-Perfect.
Tja. Ich arbeite also an mir. Ich lasse ausreden. Ich versuche, nicht zu herablassend zu klingen, wenn ich mal wieder denke, wie kann man so beschränkt denken? Wie kann man die Zusammenhänge nicht sehen? Nicht fühlen? Wie kann man a und b nicht zusammenbringen, obwohl es eine direkte Verbindung ist? Ich verstehe ja, dass nicht jeder f und k mit einbauen kann in die Verbindung, weil es halt über mehrere Ecken geht. Aber a und b?
Und dann lerne ich tatsächlich Demut. Ich will ja auch angenommen werden, wie ich bin (und ich bin oft eine Landplage für meine Kollegen). Also darf ich auch annehmen, wer sie sind. Menschen sind unterschiedlich. Ich sollte das wissen, weil ich die bin, die viel unterschiedlicher ist als der Rest. Ich bin irgendwie das bunte Einhorn in dieser Truppe. Eins, das zu viel redet.
Also, Klappe halten. Melden. Selbst Feedback geben. Tempo drosseln. Sonst verlieren die Anderen den Anschluss. Und tatsächlich will nicht alles allein machen in dieser Firma. Im Gegenteil, ich habe eh schon das Gefühl, zu viel zu machen, und meist Allein. Tempo drosseln.
mein Spielbereich
Das weitere Feedback ging stark in Richtung Neid und Unsicherheit. Und nicht mein Neid und nicht meine Unsicherheit.
Ich bin – zu laut, nehme zu viel Raum ein, bin zu präsent und erzähle zu viel persönliches. Warum ich das denn tue?
Da war ich baff. All das, was ich mich jahrelang nicht getraut habe. Ich habe mich nicht gezeigt. Ich habe mich versteckt, weil ich seit Kindertagen genau das höre. Sei nicht so laut. Nimm nicht so viel Raum ein. Du bist nicht so toll, wie du denkst. Sei bescheiden. Halt dich zurück. Und um Gottes Willen, rede doch nicht so viel. Was sollen die Leute denken?
Die Leute denken wohl noch heute, dass ich zu viel bin. Zu strahlend. Zu viel Raum einnehmend. Zu präsent. Und dann spreche ich auch noch besonders gern über mich selbst! Wie hier, auf diesem Blog. Es geht mir um mich. Aber – halt – ich stelle mir gerade vor, ich spräche nur über Andere? Wäre das nicht noch komischer?
Ja, ich weiß schon, dass bei mir viel Unsicherheit hinten dran steht. Ich beschäftige mich besonders intensiv mit mir selbst, weil mir Urvertrauen fehlt. Ich bin ein fehlerhaftes Kind, ein ungewollter Mensch. Wenn ich Absagen zum Geburtstag bekomme oder so ein Feedback, wie von meiner Kollegin, dann weint mein inneres Kind. Schluchzend sagt es, siehst du, dich will halt niemand. Du bist falsch. Du bist eine Last für diese Welt. Besser wäre, es gäbe dich nicht.
Die beiden letzten Sätze ruhen zum Glück momentan. Dennoch kenne ich sie noch, ich habe sie mehr als einmal gedacht.
Mit meiner Art – strahlend die Bühne einnehmend, höchst überzeugt, sicher – schaffe ich mir nicht so viele Freunde. Es braucht dafür ja Menschen, die ähnlich selbstbewusst sind. Deren Selbstwert meine Schnelligkeit und Präsenz aushält. Davon gibt es nicht so viele Menschen. Die meisten tragen selbst ein dickes Päckchen. Und ja – ich helf gern tragen. Auch darum spreche ich so viel über mich selbst. Ich baue damit eine Brücke zu Menschen. Und oft werden das tolle Brücken! Kurze, lange, schwingende und ganz stabile, manchmal halt auch mit morschen Brettern und Löchern …
Verbindung herzustellen gelingt mir nicht immer. Das ist auch okay so. Ich darf dennoch so bleiben wie ich bin. Laut, Raumfordernd, Präsent. Bei mir. Daran habe ich jetzt jahrelang gearbeitet, da mache ich jetzt keinen Schritt zurück in die Dachkammer oder den Keller, um mich zu verstecken.
Warum auch immer gerade ich auf die Bühne will. Wem auch immer das gut tut – oder für wen es wichtig sein mag – das kann ich alles noch nicht beantworten. Klar ist nur – meine Kollegin darf damit Probleme habe. Sie darf sich auch aus meinem Arbeitsbereich entfernen, wenn ich ihr nicht gut tue. Das ist ihr Thema. Ich darf so sein, wie ich bin – die restlichen Kollegen stört es auch gar nicht, die fühlen sich von mir nicht verdrängt oder in die Ecke gestellt –
Und so sind Menschen unterschiedlich geprägt. Ich komme aus einem sehr schnellen Agenturalltag, in dem ich wirklich viel gelernt habe. Diese softe, agile Feedbackkultur mit “wir haben uns alle lieb” finde ich sowieso mitunter sehr anstrengend. Sehr – weichgespült. Wen jemand einen schlechten Job macht, möchte ich das unverblümt sagen dürfen. Wie jemand persönlich ist, als Mensch ist – das ist mir egal, so lange der Job stimmt und niemand gemobbt wird. Ich lästere auch nicht laut über die langsamen Kollegen oder rolle mit den Augen. Ich bin schlimmer, ich unterbreche direkt 😉
Nein, ich mache mir schon ernsthaft Gedanken. Eher zu viele als zu wenige. Ich habe kurz überlegt, dann halt gar nicht mehr zu sprechen, die Kollegen in Ruhe zu lassen, meine Fröhlichkeit und meinen Esprit daheim zu lassen. Mich einzufrieren. Weil, zu all dem Raumnehmenden gehört auch meine Energie. Und die trägt. Wenn es mir gut geht, bin ich fantastischer sozialer Kleber. Also achte ich weiter darauf, dass es mir gut geht.
Die letzten Wochen ging es mir stetig schlechter. Ein schlechtes Feedback, uns schon stelle ich mein ganzes Sein in Frage. Ich habe zum Kotzen viel gezweifelt an mir und dabei Schokolade gefressen. Dabei habe ich einen Mega Job gemacht mit dieser Konferenz. Darauf darf ich stolz sein! Ein paar Menschen werden immer ein Problem mit mir haben. Das ist ja nicht neu. Und ich werde auch immer Probleme mit denen haben. Hauptsache, wir finden einen Weg, ohne Schmerzen miteinander umzugehen.
Aber wenn du dich schlecht fühlst, weil ich lachend in einen Raum komme – bin ich dann das Problem oder bist du es?
Frage.
Darf ich lachen und strahlen und einen Schwank aus meiner Jugend erzählen? In einem Raum mit zig Leuten? Oder muss ich schweigen, weil eine Person mich kaum erträgt? Die rollt jetzt schon die Augen, wenn ich nur zur Tür herein komme. Mein Fehler? Ihr Problem? Mein Problem?
Ich nehme jedenfalls Rücksicht und betrete aktuell keine Räume, in denen sie sich befindet. Oder wenn, dann nur auf leisen Sohlen. Und, ich reflektiere wie eine Gestörte. Hauptsächlich achte ich aber darauf, dass ich nicht wieder in mein “ich bin nichts wert und niemand mag mich” hinein rutsche. Ich bin in erster Linie für meine eigene Psyche verantwortlich. Und meine Kollegin darf für ihre eigene Psyche Verantwortung übernehmen. Gut, dass sie das tut. Meinetwegen auch mit diesem Feedback.
Kritisch betrachtet zu werden, das darf ich ja wirklich üben. Von daher bin ich ihr dankbar, sie hat mich herausgefordert. Das ist wichtig und mutig war es auch von ihr. Ich weiß das zu schätzen. Und finde es dennoch zum kotzen 😉
Ich bekomme jetzt meinen Reflux wieder in den Griff. Ich habe genug darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen – dass ich mir meine Bühne hole. Dass ich an meinem Selbstwert arbeite, weiterhin. Dass ich an meiner Kritikfähigkeit arbeite und lerne, Feedback besser an mir abperlen zu lassen. Nur das anzunehmen, was wirklich zu mir will und an was ich arbeiten kann.
In diesem Fall: lerne ich, Menschen aussprechen zu lassen. Auch wenn es mitunter schwer fällt. Wenn es schwer ist, ist es zumindest herausfordernd 😉
Und Herausforderungen mag ich!
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