mehr zu kündigen

Nachdem ich gestern die aktuellen Mitgliedschaften der Familie in diversen Sportvereinen gesichtet und teilweise gekündigt habe – hat sich das Thema „kündigen“ ziemlich breit gemacht in meinem Hirn. Mein Hirn kündigt also an, mehr dazu sagen zu wollen. Und es gibt ja auch so viele Dinge, die wir kündigen können. Neben Jobs auch Mitarbeiter. Oder die Zusammenarbeit. Auch Wohnungen können gekündigt werden. Und Freundschaften … Oder, das Abo bei den Weight Watchers. Auch die ein oder andere Organisations-App lässt sich kündigen.

Es gibt auch Dinge, die sich ankündigen lassen. Wie, dass ich ab kommender Woche wieder Fasten werde. Zum Start ins neue Jahr und um dieses nachweihnachtliche „ich esse alle restlichen Plätzchen auf“ wieder aus meinem Kopf zu bekommen. Mein Fleisch ist schwach. Ich lasse mich leicht in Versuchung führen. Ich stelle mir damit eine Abmahnung an mich selbst aus. Ich kündige quasi an, dass ich den Süßigkeiten kündige!

Selbst gekündigt zu bekommen, den Job oder die Wohnung, das musste ich noch nicht erleben. Ich weiß (noch) nicht, wie sich das anfühlt und gebe zu, dass ich es auch gar nicht kennenlernen möchte. Ich bin aus meinem vorvorletzten Job sehr unschön gegangen, das reicht mir als Joberlebnis mit Kündigungscharakter. Da herrschte eine wahrlich toxische Unternehmenskultur. Dem hatte ich damals gesundheitlich nicht viel entgegenzusetzen. Ich durfte eine Form des Micromanagements kennenlernen, die mich quasi wahnsinnig gemacht hat. Ich hätte schon längst kündigen sollen, damals, die Angst hat mich aber weitermachen lassen. Weil. Wo soll ich einen neuen Job finden? Wer nimmt mich schon, alleinerziehend mit fünf Kindern, von denen ein Kind gerade mal im Krippenalter ist? Und das stärkste Argument gegen die Kündigung war: Ich kann doch nichts!

Mit „ich kann doch nichts“ im Kopf kündigt es sich sehr schwer. Weil, auch kündigen kann man dann ja nicht …

Aber ich wollte ursprünglich gar nicht über diese alte Erinnerung sprechen (auch wenn ich weiß, dass die auch mal aufgeschrieben werden möchte), sondern eigentlich über all die Dinge, die ich heute, wo ich weiß, das ich was kann – gekündigt habe. Also, ich habe das nicht alles HEUTE gekündigt. Ich habe es nur gerade heute im Kopf. Das Thema. Kündigung. Hat ja keinen so guten Ruf.

Wenn man seinen Job selbst kündigt (und noch keinen neuen Job hat, Gott bewahre!!), hat das einen negativen Touch. Mal davon abgesehen, dass man vom Arbeitsamt eine Sperre fürs Arbeitslosengeld bekommt, weil man quasi fahrlässig seinen Job verlassen hat, bekommt man oft auch im Freundes- oder Bekanntenkreis Unverständnis. Kündigen, ohne Not, das tut man (immer noch) nicht. Eher hält man fest, es könnte ja noch besser werden! Es könnte sich der toxische Umgangston verbessern! Es könnte auch an Weihnachten schneien. Allerdings ist der Wahrscheinlichkeit hier in Südhessen echt sehr gering! Da stehen wir Weihnachten eher in einer Pfütze, bei 10 Grad Plus.

Was ich damit sagen will. Was du selbst nicht zum Besseren verändern kannst, das darfst du getrost kündigen. Weil es sich in der Regel nicht von allein zu deinem Besseren verändern wird. So ist eine toxische Unternehmenskultur vermutlich immer noch toxisch, wenn du weg bist. Dann halt – ohne dich! Und eine toxische Beziehung, die dir noch vermittelt, dass du selbst Schuld bist und nur bekommst, was du sowieso verdienst – die darfst du auch kündigen. Ganz grundsätzlich bin ich dafür, Dinge, die uns nicht gut tun, einfach sein zu lassen. Oft geht es auf Kosten unserer psychischen Gesundheit (bleiben wir beim Beispiel einer toxischen Kultur im Unternehmen oder einer toxischen Partnerschaft). Und, Überraschung, von dieser Sorte Gesundheit haben wir genau – EINE! Jobs da draußen in dieser Welt, gibt es mehr als Einen. Und Männer oder Frauen oder diverse andere Konstellationen gibt es auch in vielfältigem Maße. Es braucht uns nicht, als Opfer in schlechten Beziehungen.

Was es braucht, das ist Mut. Den Mut, zu kündigen. Den Mut, diesen finalen Schritt zu machen. Auch den Mut, hinzuschauen, was passiert da wirklich. Wie geht es mir? Was passiert hier? Und dann, den Mut, all das auszusprechen. Auch, den Mut, eine Veränderung anzukündigen und dann auch umzusetzen.

Kündigen braucht Mut!

Vermutlich nicht, wenn wir den Sportverein kündigen, aber auch hier beobachte ich zum Beispiel bei meinen Kindern, dass es ihnen das schwerfällt. Da ist man seit drei Jahren im Team, versteht sich gut mit dem Trainer, mag die anderen Kids auch gerne, die Weihnachtsfeier war schön, da kann man doch nicht kündigen? Dann sind die anderen doch vielleicht enttäuscht? Und naja, es hat ja auch Spaß gemacht und man ist ja auch gerne hingegangen, früher. Es war nicht alles schlecht! Ich mache doch noch weiter …

Ich ermuntere meine Kinder dazu, genau hinzufühlen. Willst du diesen Sport wirklich noch machen? Du musst das nicht aushalten, durchhalten, weil du die Erwartungen Anderer erfüllen willst. Du darfst wechseln. Ausprobieren. Jetzt nicht direkt nach vier Wochen, weil das als Zeitraum etwas kurz ist. Aber auch für Sportvereine und Musikinstrumente gibt es eine Art Probezeit, in der man ausprobiert. Wie es klingt. Und wenn es gut klingt – dann gerne Vollgas. Und wenn nach zwei Jahren doch auffällt, dass da Misstöne sind, dann schaut man gemeinsam hin und überlegt, ob man das hinnehmen oder verändern will.

Ich hatte zum Beispiel Misstöne im Gesangsunterricht. Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt, wenn ich dort war. Ich hatte so eine wunderbare Lehrerin, mit der ich mich auch über viele andere Themen ausgetauscht habe. Unter anderem über den Job. Ich habe die Gespräche sehr genossen und auch gerne meine Gesangsübungen gemacht, wenn ich bei ihr war. Begleitet von ihr, am Klavier. Der Klang, so wunderschön! Daheim habe ich allerdings quasi nie geübt …
Und für „gar nicht üben“ wurde diese Gesprächsform einfach zu teuer. Es schien, als sei es doch nicht das Richtige für mich. Das Singen zu kündigen, wie ich es im vergangenen Jahr getan habe, ist mir sehr schwer gefallen. Weil ich wirklich sehr gerne dort war! Und mich danach besser gefühlt habe! Und weil ich meine Lehrerin sehr mochte und natürlich auch nicht wollte, dass sie eine Einnahmequelle verliert. Ich habe mich doppelt verantwortlich gefühlt. Für sie. Und für mich.

Und dann habe ich es dennoch getan! Weil mir klar wurde, dass ich ein Hobby, dem ich nicht nachgehe, nicht finanzieren kann und will. Dafür fehlt mir Geld und Zeit. Also habe ich gekündigt. Um Zeit und Geld auf den Sport zu packen und zu schauen, passt das eventuell besser für mich? Macht mich das auch glücklich, fühle ich mich danach auch besser? Und welche weiteren positiven Aspekte hat es für mich? Übe ich vielleicht sogar – daheim?

Und siehe da. Ich bin NOCH glücklicher, nachdem ich mich bewegt habe (und das Singen war schon großartig für mich!). Im Singen konnte ich Atemtechnik erlernen und meine Stimme stärken. Das ist mir nicht verloren gegangen – diese Technik ist noch da. Im Sport stärke ich die restlichen Muskeln rund um meine Atmung. Es ist also – noch intensiver, als zu Singen. Und, ich singe weiterhin gerne, allerdings nur im Auto und daheim in der Küche. Und ohne darauf zu achten, dass ich „richtig“ atme. Ich singe halt einfach. Ich habe für mich getestet und herausgefunden, Gesangsunterricht ist es halt nicht. Und das ist okay so. Wenn es das (noch) nicht ist, dann kann ich es kündigen.

Und so habe ich es auch mit der Mitgliedschaft bei den Weight Watchers gemacht. Zum Abnehmen habe ich mich dort eh nicht angemeldet, sondern eher für die Community und für das Schreiben. Ich hatte so viele wunderbare Kontakte, tollen Zuspruch auf meine Texte, Kommentare und echte Freundschaften, die daraus erwachsen sind. Es war eine schreibintensive Zeit. Und als ich mehr im Blog geschrieben habe, habe ich noch festgehalten, dass ich halt auch gerne bei den Weight Watchers schreibe und das auch beibehalten will. Gerade zu den Themen, die mich rund ums Essen beschäftigen. Und doch – ist es dann eingeschlafen. Ein Mangel aus Zeit war daran Schuld. Ich habe nur begrenzt Zeit in meinem Alltag. Wenn ich im Blog schreiben will und Sport machen, dann ist keine Zeit mehr, noch zusätzlich bei den Weight Watchers zu schreiben und Kommentare zu beantworten …

Dabei fehlen mir die Kommentare sehr! Ich habe das sehr genossen, ins Gespräch zu kommen! So, wie ich die Gesangsstunden an sich mit meiner Lehrerin sehr genossen habe! Dennoch, einen Tod sterben wir wohl immer, und von daher – ist beides gekündigt. Weil es nunmal nicht anders geht. Es geht nicht Alles. Auch wenn uns das Außen oft mitteilt, dass wir ALLES erreichen können. Wir müssen nur wollen. Das ist allerdings glatt eine Lüge, behaupte ich. Wir können niemals Alles erreichen. Oder, dieses „Alles“ erreichen wir nur, wenn wir auf Anderes verzichten. Den Fokus ganz auf unser „Alles“ richten. Weil, auch für Alles hat der Tag nur 24 Stunden. Mehr ist nicht. Und Alles, das würde ja bedeuten, dass ich singe, Sport treibe, Stunden in der Community verbringe, meinen Blog pflege, ach, Kinder habe ich ja auch und, ups, ich arbeite Vollzeit.

Jetzt wirds kritisch. Ich glaube, irgendwas muss ich wohl kündigen …

Kündigen hilft! Hinschauen und aussortieren hilft! Ausprobieren hilft auch. Und nein, es ist kein Aufruf, immer sofort und beim kleinsten Problem den Job, den Mann, das Kind und Freundschaften zu kündigen. Definitiv nicht. Es ist eher so ein Mitteldings. Das, was ich noch daheim gelernt habe, war: Das kannst du aushalten! Das ist nicht so schlimm, jammer nicht! Das Leben ist kein Ponyhof, hopp jetzt!

Ja, ich kann Dinge auch aushalten. Dinge, die mir gut tun und die dennoch ab und an schwer fallen. Quengelige Kinder und gereizte Kollegen. Kein Problem. Da kündige ich nicht. Aber dieses übermäßige Aushalten, weil ich wem auch immer diene – der Familie, dem Mann, dem Job – das ist wirklich von vorgestern.

Ich will nix aushalten, was mir nicht gut tut.

Ich kündige, wenn es mir schlecht geht. Oder, wenn ich feststelle, dass ich halt jetzt Sport treibe, anstelle zu singen. Alles fein, in meiner Welt.

Was würdest du gerne kündigen? Und warum tust du es nicht?

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