mein Ego ist hungrig

Mein Ego, das steht in der zweiten Reihe beim Teamfoto. Das Team. Also, die Hansel, die am Veranstaltungstag Gespräche geführt, Zeitkarten hochgehalten, Präsente überreicht haben. Die Hansel, die im Vorfeld und am Veranstaltungstag so 5% dazu beigetragen haben, dass das Ding rockt. Ich bin gerade etwas bösartig, wenn ich “die Hansel” sage, so aber fühlt sich mein Ego. Menschen, die wenig dazu beitragen, dass etwas funktioniert, sich aber in den Mittelpunkt stellen.

Sie stellen sich auf dem Bild frech vor mich, drängen die beiden Personen, die maßgeblich den Erfolg gezogen haben, nach hinten. Ihn noch eine Stufe weiter nach hinten als mich. Er scheint damit ganz gelassen umgehen zu können. Er ist der Hauptverantwortliche für die gesamte Firma und für diesen Event. Ich stehe schräg vor ihm, Hauptverantwortliche Organisatorin des Events. Und schon beim Foto machen denke ich mir – verdammt, wir stehen falsch. Ich stehe falsch.

Ja, an die Seite gestellt als Verantwortliche, damit hätte ich kein Problem gehabt. Aber nach hinten gedrängt von Menschen, die Stift und Papier fallen lassen und Hauptsache schnell weg? Die keinen einen Extrameter gelaufen sind?

Warum kann ich denen die Bühne nicht gönnen? Wie kann ich werden wie der Mann, der hinter mir steht? Der das gelassen hinnimmt, weil er weiß, wer er ist? Liegt es daran, dass eh jeder weiß, wer er ist?

Ich durfte allerdings erfahren und erfahre es noch, dass das Umfeld sehr genau weiß, wer ich bin. Meine Sichtbarkeit hat sich deutlich erhöht. Sein und mein Name werden mit dem Event in Verbindung gebracht. Wir haben die Verantwortung getragen. Wir haben die Fäden in der Hand. Und wer gelassen ist und sich seiner selbst bewusst, der muss nicht ganz vorne stehen. Der kann das mit einem Schulterzucken hinnehmen.

Warum kann ich das nicht? Warum macht mich das ein wenig sauer? Ich fühle mich an den Rand gedrängt, warum? Ich weiß doch, dass da wenig Luft drin ist, in den beiden Pumpen. Warum ist es mir so wichtig, gesehen zu sein? Liegt das noch in meiner Kindheit begraben? Nie gut genug? Nie gesehen? Immer nur das Wasser, das halt aus der Leitung kommt, wenn man den Hahn aufdreht? Brauche ich mehr Bühne?

Und wenn ja, warum nehme ich sie mir nicht?

Minuten vorher holt mich eine der Ladies auf die Bühne, um mir für meine Arbeit und die Organisation der Konferenz zu danken. Es gibt Beifall und ich freue mich, nehme dankend mein Geschenk an, bin etwas schüchtern. Was ich nicht tue? Ich nehme nicht das Mikro und sage nicht, wie großartig ich mich fühle, wie stolz ich bin, wie dankbar auch für die tollen Menschen, die heute hier zusammengekommen sind. Ich sage nichts dergleichen. Warum?

Ich bin überrumpelt von diesem Lob. Wenig schlagfertig, eher – gehemmt. Eine Bühne. Ich stehe drauf. Ich werde beklatscht. Ich bin schüchtern. Vielleicht wirkt das sogar symphatisch, das kann sein. Aber es ist vor allen Dingen eine verpasste Chance. Die Chance, die ich mir doch wünsche. Endlich sichtbar zu werden. Endlich selbst etwas zu bewirken. Endlich gesehen zu sein in meiner Funktion.

Ich darf weiter dazulernen. Mir meinen Platz in der ersten Reihe nehmen. Gerne an der Seite, damit die Menschen, die auch mitgearbeitet haben, sich nicht übersehen fühlen. Aber sicherlich nicht mehr in der hinteren Reihe, halb verdeckt.

Unfassbar. Was eine Farce, was ein komisches Gefühl jetzt bei mir entsteht. Schal. Luft nach oben.

Im nächsten Jahr halte ich die Begrüßungsrede. Und ich achte darauf, dass alle Speaker nochmal auf die Bühne kommen und gefeiert werden. Dass die beiden Hauptdarsteller gefeiert werden. Und danach das Team. Als Team.

Nix mehr zweite Reihe, nix mehr kein Mikro in der Hand, nix mehr Klappe halten weil schüchtern. Es wird Zeit, dass mein Ego sich auch mal nach vorne schubst. Ich habe dazu keine Lust mehr. Nicht gesehen zu sein.

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