offene Enden

Am Ende eines Buches oder Films wünsche ich mir, dass es allen gut gehen möge. Ich wünsche mir ein Happy End. Ich hasse die Ungewissheit, das offene Ende. Vielleicht stelle ich deshalb auch so selten offene Fragen. Ich wünsche mir Gewissheit. Klarheit. Ein Ja. Ein Nein. Eine Entscheidung. Ein Happy End.

Wenn die Liebe siegt, kommen mir die Tränen. Auch das, ein immer. Ein schönes, warmes Gefühl, dass ich mir aus den Augenwinkeln wische.

Ich bin herrlich sentimental.

Dieses Buch hier habe ich in den letzten Tagen gelesen. Tage, die ich ohne meine Kinder verbracht habe. Tage, in denen ich weniger Struktur hatte und etwas weicher wurde. Tage, in denen ich mehr gefühlt habe, auch Unsicherheit. Mein normales Leben war eine kurze Zeit abgeschaltet. Das sind meist die Zeiten, in denen ich intensiv lerne, intensiv lebe. Spüren tue ich das erst am Ende –

Am Ende dieser Woche wünsche ich mir ein Happy End.

offene Enden

Vielleicht liegt mein Wunsch nach dem Happy End an den vielen offenen Enden, die ich in meinem Kopf habe? Da sind viele Handlungs- und Lebensstränge, die offen verwirrt herumliegen. Ich habe selten die absolute Klarheit darüber, was los ist. Alles ist ständig im Wandel, ich erlebe mein Hirn wie einen Kreisverkehr in Athen. Unfassbar, was da los ist. Alles hupt, fährt, steht, winkt, schimpft, lacht und irgendwie – geht es an der richtigen Ausfahrt weiter. Falls es doch mal die falsche Ausfahrt ist, ist das nicht tragisch – ich kann ja wenden und mich erneut in den Kreisverkehr werfen.

Eine cleane, reine Datenautobahn habe ich nie!

Ich kenne das nicht, dieses klare, nach vorne gerichtete. Alle stehen in Reihe brav an der roten Ampel. Warten auf grün, um gemässigt, gemeinsam, in eine Richtung zu fahren. Sicher, wo sie hinwollen. Nur ich, ich bin nicht sicher. Dieses Bild der Ruhe und Gleichmäßigkeit verunsichert mich zutiefst.

Ich habe diese offenen Enden. Das ist mein Leben, immer. Es ist schwer zu beschreiben, wie verwirrt es mitunter ist. Vielleicht wünsche ich mir daher eine abgeschlossene Geschichte. Ich möchte am Ende des Buches sicher sein. Die Menschen, die ich im Buch begleiten durfte, sollen am Ende ihr Glück gefunden haben. Ich möchte sie in einem glücklichen Moment verlassen. Einem Moment, der mich zum weinen bringt, weil ich ihr Glück fassen kann. Dann ist es wunderbar für mich.

ich bin Typ Märchen

Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute … und leben immer noch in diesem letzten, abgeschlossenen Glücksmoment. Sie sind eingefroren in diesem Moment, ich will, dass es gut ist. Vollkommen. Den mutigen Helden das Ewige.

Ja, die Vollkommenheit. Sie beschäftigt mich auch noch heute. An einem durchaus vollkommenen Tag. An dem ich ein Buch zu Ende gelesen habe und ein paar Tränen weinen konnte. Ich bin ganz weich, innen drin. Die offenen Enden ruhen.

am Ende dieses Buches

Am Ende sagt einer der Personen des Buches etwas über seine Mutter. Das, was mein Weinen vorbereitet. Mit ihm habe ich am intensivsten gefühlt. Auch mit seiner Mutter, die in sich war, wie sie war. Einfach nicht die passende Mutter für ihn. So wie meine Mutter nicht die passende Mutter für mich war. Es wäre anders gewesen, wäre ich mehr so gewesen wie sie, leiser, ruhiger, besonnener. Vielleicht hätte ich dann mehr von ihr bekommen, vielleicht hätte ich das bekommen, was ich gebraucht habe.

Sagt er, im Buch. Fühle ich, in meinem Hier. Da ist diese Lücke, sie weint an manchen Tagen. All die offenen Enden. Mein Chaos im Kopf. Meine Unsicherheiten. Mir fehlen Umarmungen. Ich bin ein Kind, das aufgehört hat zu weinen und verloren ging im Bewusstsein, dass es nur mich gibt. Und dass ich mich um mich selbst kümmern muss. Dass ich nur mich habe. Kein Wunder bin ich manchmal sehr erschöpft. Ich bin als Kind zu oft allein gewesen. Mein Happy End muss ich mir selbst zusammenbauen.

Ich hoffe, meinen Kindern mehr geben zu können. Ich habe da sicherlich blinde Flecke, weil ich gar nicht weiß, wie es normal sein könnte. Wenn sie morgen heim kommen, werde ich sie alle lange in den Arm nehmen. Vielleicht auch ein wenig weinen. Ich bin so nah am Wasser gebaut gerade – dieses Lesen, diese Bücher, Verdammt 😉

Meine Mutter ist meine Mutter. Sie hat gegeben, was sie geben konnte. Für mich war es nie genug. Ich war zu viel. Ich wünsche uns beiden ein Happy End.

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