Oh, wow, bei euch ist es aber unordentlich!

Der Satz hat mich heute Nachmittag echt gekillt!

8 Jahre alt, 3. Klasse. War heute Nachmittag mal wieder zu Besuch bei uns daheim. Wir kennen uns schon seit der Grundschule und seine Mutter gehört zu den sehr entspannten Menschen. Ich bin von Herzen gerne in ihrer Nähe, sie ist sehr bei sich. Außerdem ist sie unordentlich und verbreitet damit gute Laune. Es ist herrlich entspannt bei ihr daheim.
Sie ist herrlich entspannt, in ihrem Chaos.

Ihr Sohn hat mich heute Nachmittag voll erwischt, mit seinem “Oh, wow, bei euch ist es aber unordentlich!”

Er war kaum zur Tür rein, da musste er das begeistert feststellen! Dass man im kleinen Bad ja nicht mal gescheit bis zum Waschbecken laufen könne, so viel läge da herum. Ja, ich habe vorhin noch eine Waschmaschine gestellt und dafür beide Wäschekörbe gefilzt. Ich habe es auch geschafft, die Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Die Wäsche aber, die es heute nicht in die Maschine geschafft hat, die liegt noch am Boden …

Ein paar Schritte weiter schaut er bei seinem Freund ins Zimmer und sagt “Und hier sieht es ja auch übel aus”. Wusch, zweiter Schlag, voll auf die 12.
K5 hatte gestern und heute richtig gut aufgeräumt, sein Zimmer sieht besser aus als seit Wochen! Richtig gut!

Ich beobachte K5 nach dieser Aussage seines Freundes. Er bleibt total ruhig, es kommt keine Entschuldigung oder Erklärung von ihm. Er lässt es einfach so im Raum stehen und sie beginnen direkt zu spielen. Offenbar ist es ihm gar nicht wichtig?

Und was tue ich? Also, als erstes habe ich einen dummen Kommentar von mir gegeben, es war etwas wie “bei euch ist es doch auch unordentlich?”
Danach habe ich schnell den Staub auf dem Sideboard im Flur entfernt. Reflexhandlung. Schnell was sinnvolles erledigen …

Keine Ahnung, warum ich a) vergleiche, mich b) rechtfertige und mich c) empöre. Es ist doch total egal! Bei uns, bei mir sieht es aus, wie es aussieht. Wir fühlen uns mal mehr, mal weniger wohl damit. Je nach Level tun wir mal mehr, mal weniger für die Ordnung. Für mich ist wichtiger, dass die Wäsche zum Trocknen auf der Leine hängt. Der Rest der ungewaschenen Wäsche kann gerne unordentlich herumliegen. Da sehe ich ihn wenigstens, und vergesse ihn nicht 😉

Ich bin schon verblüfft über mich selbst. Ich höre Wertung in den Worten eines fröhlichen 8jährigen. Der im übrigen meinte, “Ja, bei uns ist es auch unordentlich, aber bei euch ist es schlimmer.”

Damit habe ich wohl irgendwie – gewonnen? Ich kann auch – liebevolles Chaos?

Mein Thema ist, dass ich mich sofort schlecht fühle, irgendwie ertappt. Faul. Unfähig. Kann nix. Ich fühle mich bewertet. Und will mich dagegen wehren, erkläre mich direkt: Warum die Wäsche auf dem Boden liegt, warum mein Schreibtisch unordentlich ist, warum ich total zum Chaos neige…

So what. Es ist, wie es ist. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit – wie mein Sohn sie hat. Dem war der Satz total egal. Er bewertet sich nicht daraus. Da will ich hin!

Gleichgültig, also, im besten Sinne. Ja, wir sind unordentlich. Und was kann das schon bedeuten?

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