Tag 1

28 Tage schreiben und dann schauen, was dabei herauskommen will. Ich – schreibe also jetzt jeden Tag, was mir in den Sinn kommt. Das ist schon am ersten Tag schwierig, weil mein Hirn sich dem verweigert. Es möchte nur schreiben, wenn es sinnvoll ist. Sobald es allerdings sinnvoll ist, bekommt es Muffesausen und versteckt sich hinter ein paar Ausreden, warum. Dann nicht geschrieben wird, obwohl es sinnvoll ist.
Es ist also alles in allem problematisch. Ich kann nur schreiben, wenn es sinnvoll ist und ich kann nicht schreiben, wenn es sinnvoll ist.

Was ich ganz besonders nicht kann, ist, nach Plan schreiben. Content produzieren, fürs Marketing. Das stresst mich mehr als die anderen Dinge, über die ich ab und an schreibe. Ein geplantes “ich schreibe jetzt über Produkt X und das ist echt cool” verursacht regelmäßig, dass der Hahn der Kreativität abgedreht wird. Anstelle von jeder Menge Wow kommen dann nur Tropfen, die sofort in der Luft verdampfen oder sich maximal als Nebel an der Fensterscheibe niederschlagen.

Niedergeschlagen bin ich dann auch alle naslang, weil ich das schon kenne. Was ich manchmal meinen Freundinnen per Podcast aufs Ohr spreche, könnte ich auch einfach schreiben. Dann könnten alle Freundinnen auf einmal lesen, was mir im Kopf herum geht. Und müssten es sich nicht anhören. Zumal ich mehr als eine Sprachnachricht am Tag spreche und das dauert dann am Ende genauso lange, wie es einmal aufzuschreiben.

Im Schreiben hätte ich dann auch mehr davon – ich kann es jederzeit wieder lesen.
Ja, den “Podcast” kann ich auch jederzeit wieder anhören, Fakt ist – das tue ich aber meistens nicht. Meist höre ich ihn einmal (warum auch immer, eventuell um mich zu erinnern, was ich überhaupt erzählt habe?) direkt an, wenn ich ihn verschickt habe. Auch das nicht immer. Und dann – nie wieder. All die gesprochenen Gedanken versauern in Sprachnachrichten auf WhatsApp. Dabei sind da sicherlich oft Perlen der Kommunikation darunter, voller Witz und – Ja. Auch voller Erkenntnisse über mich selbst und mein Leben und Arbeiten. Täte gut, das ab und an mit etwas Abstand zu lesen und weiter zu reflektieren …

Was also soll Gutes dabei herauskommen, wenn ich jetzt jeden Abend 30 Minuten schreibe? Ein Roman? Einen Roman wollte ich schon immer mal schreiben, einziges Problem dabei ist das schreiben. Also – alles drumherum, ums Schreiben. Ich weiß nicht, welche Geschichte genau will ich erzählen. Und warum will ich das erzählen. Und wem will ich das erzählen. Und egal, ob das nun für den Job ist, oder für den Blog oder für ein Buch – ich muss all diese Fragen klären und dann – dann fängt vermutlich auch der Hahn der Kreativität morgens an zu krähen!

Fakt ist, einige Dinge verstehe ich bereits. Andere sind mir völlig unklar. Beginnen wir mit den Dingen, die ich verstanden habe. Warum ich schreibe oder erzähle. Ich reflektiere meinen Alltag und mein Sein absolut durch Schreiben und Reden, und ich wünsche mir Austausch dazu. Ich möchte von mir erzählen, von meinem Glück, meinem Unglück, und hören, was das bei Anderen auslöst. Vielleicht macht es sie glücklich. Vielleicht regt es sie an, etwas zu verändern. Veränderung ist eines meiner Kernthemen. Sie ist immer um mich und ich entwickele mich ständig weiter.

Schreiben tue ich dabei schon immer am Rechner oder – früher – an der Schreibmaschine. Ich tippe mit 10 Fingern und im Zweifel auch blind. Das ist notwendig, weil. Würde ich mit Hand schreiben, ich käme leider meinen Gedanken nicht hinterher, was bedeutet, dass die Hälfte von dem, was ich schreiben wollte, wieder vergessen ist, bevor meine Hand dazu kommt, die entsprechenden Buchstaben aufs Papier zu zaubern. Und dabei schreibe ich ziemlich schnell per Hand.

Ich mache oft Sprachnachrichten, auch manchmal an mich selbst, weil das der schnellste Weg ist, meine Gedanken einzufangen. Manchmal sind da Formulierungen für einen Text oder für eine Frage, die müssen dann auch sofort aufs Band oder aufs Papier, weil sie danach weg sind. Geschliffene kleine Textdiamanten entstehen meist dann, wenn ich nicht damit rechne. Also – im Wald oder unter der Dusche, im Schlaf, im Aufwachen, während ich im Auto sitze und singe. Wenn ich entspannt bin. Bewegung hilft mir sehr, in den Flow zu kommen. Wenn ich im Flow bin, hilft es sehr, wenn ich schnell bin. Weil es auch schnell wieder vorbei sein kann.

Also – klar ist, wenn ich schreibe, dann am Computer oder der Schreibmaschine. Einfach, weil ich da ähnlich schnell tippe wie ich denke und es mehr ein “runterschreiben” werden kann, als wenn ich den Stift in die Hand nehme. Das wäre also geklärt – Larissa schreibt auf einer Tastatur, welche, ist dabei egal. Nur, wenn ich wirklich Tagebuch schreibe und es allein für mich ist (auch das gibt es), dann schreibe ich per Hand. Das tue ich langsam.

Ich schreibe, um einem Gefühl Ausdruck zu verleihen, das kann jegliches Thema treffen, wichtig ist nur – dass es mich berührt hat. Ich kann glücklich sein oder unglücklich, wütend oder voller Liebe, all diese Emotionen rund um eine Geschichte bringen mich zum schreiben. Wenn ich keine Emotion zu einer Geschichte aufbauen kann, kommt es mir so vor, als wäre es eine Lüge – und dabei kann das völlig echt sein. Gerne auch wissenschaftlich belegt. Ich werde es mir erst merken, wenn es eine Emotion bei mir ausgelöst hat. Und ja – das ist mit Sicherheit einer der Gründe, warum es in der Schule nicht so gut geklappt hat mit mir. Geschichtsdaten kann ich mir nicht merken. Geht nur, wenn die Geschichte dahinter nicht rein faktenbasiert ist.

Gefühlen Ausdruck verleihen.

Im vergangenen Jahr wollte ich schreiben, um etwas zu verkaufen und Menschen auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte durchaus ein tolles Produkt und auch tolle Ideen, aber das ganze verkopfte sich so extrem, dass mir das Schreiben immer schwerer gefallen ist – bis es ganz aufgehört hat. Ich bin stumm geworden – nicht mit mir selbst, aber mit meinem Umfeld. Daraus resultierte Unsicherheit – ich wusste nicht, was will ich denn? Bin ich für irgendwas gut genug? Und wenn ja, für was? Was ist mein Weg, wie will ich arbeiten, wie will ich schreiben.

Der Weg raus aus der Schreiblosigkeit ging nur über – wieder schreiben. Nur – wo? Weil, verdammt, ich will auch gelesen werden, gehört werden. Es reicht mir nicht, in mein Tagebuch zu schreiben. Das ist mir zu wenig. Ich habe schon immer eine leicht öffentliche Ader. Hat angefangen, als ich mich damals bei WKW angemeldet habe. Wer Kennt Wen. Da war ich wirklich viel aktiv, habe viel geflirtet, viel Unsinn und viel Witziges gepostet und hatte viele Kontakte. Viel Netzwerk. Und ich war immer offen und ehrlich. Habe mein verrücktes und manchmal auch trauriges Leben mit dem Netzwerk geteilt. Und mir hat das sehr viel Spaß gemacht.

Parallel gab es damals eine Buchidee zwischen einer Freundin und mir, eine Art E-Mail-Verkehr. Sie, die erfolgreich berufstätige Singlelady, ich, die alleinerziehende Working-Mum, im Austausch. Unsere beiden Leben, so unterschiedliche Bedürfnisse, so unterschiedliche Ansätze, so echt, so wahr, so witzig. Sie hat sich irgendwann zurückgezogen, weil es doch sehr – privat war. Es war unser echter Schriftverkehr. Und der hatte mitunter echten Tiefgang. Echte Erschöpfung im Job und mit den Kindern. Echte Verzweiflung, weil es keine Windeln mehr im dm gibt und man zu müde ist, noch einen anderen Laden anzufahren. Echte Begeisterung, weil der nette Typ, den man auf der Geburtstagsparty kennengelernt hat, wirklich angerufen hat. Obwohl er die Kinder schon kennt.

Heute bin ich geschieden von dem damals netten Typ und meine Freundin und ich, wir haben keinen Kontakt mehr. Wir haben die Unterschiede im Leben und Erleben irgendwann nicht mehr verschriftlichen können. Vorher hatten wir fünf Verlage angeschrieben und wurden abgelehnt. Den einen war die Sprache zu ungeschliffen, das Format, einen Austausch per E-Mail, fanden sie aber super. Den anderen war das Format nichts, wer will das denn lesen, wenn sich Menschen E-Mails zusenden. Die Sprache hingegen fanden sie wunderbar authentisch.

Was habe ich daraus gelernt? Freundschaften können vergehen, und das ist in Ordnung so. Das Leben zieht manchmal weiter.

Was habe ich daraus noch gelernt? Es gefällt nie allen, was du tust. Immer wird irgendwer feststellen, dass es so aber nicht richtig ist. Oder besser geht. Oder gar nicht geht. Sich danach zu richten, kann verdammt unglücklich machen. Oder Stuck. Wenn ich es allen recht machen will, werde ich nicht mehr schreiben können. Es wird immer jemand geben, der feststellt, dass es ihm nicht gefällt. Oder ihr. Thema verfehlt oder Stil verfehlt. Ist okay. Habe ich verstanden.

Gut gegen Nordwind kam im übrigen kurze Zeit später heraus und ich war wütend. So ähnlich war meine Idee mit meiner Freundin und dann kommt jemand – und hat damit Erfolg – und ich – habe mich nicht getraut. Habe mich von fünf Absagen aufhalten lassen. Fünf. Verdammt. Und dann kam die Müdigkeit und die neue Beziehung und die Kinder wurden älter und es kamen noch Kinder dazu und das Leben hat stattgefunden und wurde nicht beschrieben.

Es soll aber ein beschriebenes Leben sein. Das sollte es immer. Schon in der Schule habe ich mir (mit anderen Freundinnen) Bücher geteilt, in die wir immer abwechselnd was reingeschrieben haben. Jede hatte jeweils ein Buch an einem Tag mit dabei. Und am nächsten Tag wurde gewechselt und wieder hat jede hineingeschrieben, was ihr im Kopf herumgegangen ist. Witzige Sprüche oder tränenreiche Liebesbekundungen, Schimpfe über doofe Lehrer und kleine selbstgemalte Kunstwerke. Ich habe noch zwei dieser Bücher im Keller und immer wenn ich die Aufschlage und darin blättere, lese – werde ich sehr melancholisch. Das war so gut damals. Da kommt kein Chat auf WhatsApp mit. Wirklich nicht.

Schlimm war, wenn jemand diese Bücher in die Finger bekommen hat. Lehrer zum Beispiel. Es war immer sehr wichtig, dass das nie jemand zu lesen bekommt. Es stand einfach alles darin, auch, wie wunderhübsch der Kai auf dem Pausenhof die Kippe anzündet. Heute frage ich mich, was ich daran wunderhübsch finden konnte. Aber egal. Damals galt – wenn Kai das lesen würde, wäre das mein Weltuntergang. Die ganze Klasse, die ganze Schule, die ganze Welt würde über mich lachen …

Damals habe ich entschieden, nur noch über Dinge zu schreiben, bei denen ich in keinem Fall das Gesicht verlieren werde. Also nix darüber, in wen ich aktuell verliebt bin oder wen ich aktuell total nervig finde. Das ist wohl der Punkt, der als Privat gesehen wird. Nichts privates. Nichts, was mich angreifbar macht. Aber über meine alten Geschichten – rede und schreibe ich heute gerne – über die neuen Geschichten auch, allerdings nicht in Form von “Heute mit Sally gesprochen, ich weiß wirklich nicht, was ich von ihr halten soll – ”
Ich will nicht, dass echte Menschen aus meinem näheren Umfeld meine Bedenken, Gefühle und Sorgen um die Ohren geschlagen bekommen. Das wäre zu privat, da es ihr Leben ist und ihre Geschichten – diese zu teilen steht mir nicht zu.

Meine eigenen Geschichten kann ich in einem humorvollen Ton teilen und die Menschen, die Teil der Geschichten sind, umbenennen. Sie leicht abwandeln. Niemand wird merken, wenn ich der Geschichte ein wenig neue Würze gebe. Das nennt sich – künstlerische Freiheit – glaube ich zumindest. Weil, wirklich echte Geschichten zu erzählen, das geht nur, wenn Alle das auch wollen. So wie bei meiner Freundin und mir damals, die wir gerade 30 geworden waren und unser Leben völlig auf den Kopf gestellt hatten. Das, was wir damals geschrieben haben, war wunderbar und ich lese es heute noch gerne. Auch wenn ich heute so nicht mehr denke oder fühle, so kann ich doch ganz deutlich spüren, wie echt das ist, was ich damals geschrieben, gedacht und gefühlt habe.

Und das ist auch das Fazit für heute. Wenn ich schreibe, muss es echt sein. So, dass ich mir das glauben kann. So, dass ich das später lese und fühlen kann, wie es war, damals. Und leise sagen kann, es war gut, auch wenn es weh getan hat.

6 Antworten zu „Tag 1“

  1. Liebe Larissa,

    was für ein tolles Experiment. Ich wünsche dir, dass du dran bleibst und es eine tolle Erfahrung für dich wird. Ich ordne meine Gedanken auch schreibend und empfinde es als so angenehm deinen Text zu lesen und mich darin wieder zu finden.
    Schreiben um ist dagegen so schwierig. Ich bin gespannt, wie es dir weiterhin ergeht und welchen Sinn du in dieser Art von Schreiben finden wirst.
    Und zu deinem letzten Satz: Es fühlt sich total echt an, deine Worte zu lesen, als wärst du sehr nah bei dir und bist doch nicht zu privat.

    Liebe Grüße Stephanie

    1. Larissa

      Liebe Stephanie,

      ich habe deinen Kommentar heute morgen beim Spaziergang gelesen und werde das große Glücksgefühl vermutlich nie vergessen. Mein erster Kommentar! Hier, in diesem Projekt, das so unvollendet vor sich hinschlummert und gerade wach werden will. Meinem Blog.
      Dein “dich lesend zeigen” motiviert mich sehr! Und zu lesen, dass dir meine Worte nahe gegangen sind ohne zu privat zu sein, tut mir gut.

      Ich finde meinen Weg im Schreiben und freue mich, das wir uns im 28-Tage-Content Format begleiten!

      Liebe Grüße, Larissa

  2. Ist ein Blog nicht immer unvollendet? Mein Blog kleiner-komet.de habe ich inzwischen zwei mal umgebaut.
    Er ist gewachsen, hat sich verändert und viel zu viele Kategorien und trotzdem liebe ich mein virtuelles Zuhause sehr.

    Liebe Grüße
    Stephanie

    1. Larissa

      Liebe Stephanie,

      jaaaaa! Ich stimme dir zu – natürlich ist ein Blog nie “fertig” und das ist auch gut so! Wir sind es ja auch nicht – entwickeln uns immer weiter!
      Ich meinte ein wenig, das Gerüst, die Kategorien, die Themen, die Farben, die Bilder …
      *lacht*
      Ich sehe, es kommt ganz viel Veränderung auf mich zu!
      In deinen Blog habe ich kurz hineingeschaut – dafür nehme ich mir gerne ein wenig Zeit in der nächsten Zeit, damit auch ich dir Feedback geben kann!

      Herzliche Grüße, Larissa

  3. Liebe Larissa, ich bin sehr beeindruckt von dem Experiment und wieviel du geschrieben hast, wow. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Reise!
    Freudige Grüße
    Eva

    1. Larissa

      Liebe Eva,

      herzlichen Dank für dein Feedback!
      Ja, viel kann ich. Das bedeutet nicht gleich, dass es auch gut ist – ich spüre aber, es kann gut werden! Mir tut das “runterschreiben” erstmal sehr gut, und ich sehe dabei, welche Themen hochkommen und eventuell auch nochmal tiefer angesehen werden möchten. Allein dafür lohnt das Experiment schon jetzt …
      Ich freue mich auch, dass wir uns begleiten auf dieser Reise und bin gespannt, wo wir am Ende der Zeit sein werden!
      Liebe Grüße, Larissa

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