Tag 10

Dieser Tag ist komplett aus dem Rahmen gefallen.

Ende der Geschichte.

*lacht*

Mein Sohn ist im Bett, in meinem. Ich schreibe, bevor ich gleich noch tanzen gehe. Ich fühle mich gerade – sehr jung, Ende 20. In der Phase nach der ersten Trennung mit zwei kleinen Kindern und der Freundin, mit der ich an dem Buchprojekt gearbeitet habe, damals. Ich hatte ein ähnliches Verlangen nach Lebendigkeit und Alltagschaos. Schreiben war damals elementar wichtig und hatte Vorrang noch vor Tanzen. Tanzen kam direkt danach. Mein Ausgleich, meine Inspiration, mein Schweben über den Texten.

Ich habe damals oft abends gearbeitet, meist von 21 bis 24 Uhr. Iofch hatte einen Job, bei dem ich mir im Groben die Arbeitszeiten selbst aussuchen konnte. Meine Kinder waren in im Kindergarten oder Schule, ich habe einen Teil der Arbeit tagsüber erledigt und den Rest mit in den Abend genommen. Das ging erstaunlich gut, ich war deutlich belastbarer damals. Ich bin aber auch später aufgestanden. Die beiden Großen waren im Kindergarten immer die Letzten … morgens um Acht habe ich nicht angefangen, zu arbeiten. Dabei wäre das im Homeoffice durchaus möglich gewesen.

Aber das – ist nicht die Geschichte. Es ist nur eine Erinnerung, an damals, und an das, was notwendig war, um arbeiten zu können. Alleinerziehend, zwei kleine Kinder, Vollzeit. Geht. Geht, wenn Firmen es möglich machen, flexibel zu arbeiten. Dann geht so viel!

Heute ging auch sehr viel. Nur im Arbeiten war es schwierig. Aber ich konnte alle unvorhergesehenen Momente gut in den Alltag integrieren. Tatsächlich war ich selten so belastbar wie heute. Heute –

ist ein Fenster aus dem Rahmen gefallen

Und ich war schnell genug, zu realisieren, dass mir gerade ein Fenster in die Arme fallen will. Zum Glück steht vor dem Fenster meines Sohnes ein Sofa mit höherer Rückenlehne. Sonst wäre das eventuell nicht so glimpflich ausgegangen. Besagtes Fenster, über 1 Meter im Quadrat, ist schwer. So schwer, dass mein Nachbar und ich es kaum heben konnten. Wir haben es mit großer Mühe aufs Fensterbrett stellen können. Dort hat es sich an den Rahmen angelehnt und – tja, man kann sich das in etwa so vorstellen, als hätte man das Fenster gekippt. Nur halt, das Fenster stand frei. Vor dem Fenster, quasi. Ist nicht ganz einfach zu beschreiben.

Ich hatte – ein offenes Fenster und es gab keine Möglichkeit, dieses Fenster zu schließen. Und damit startete mein Tag, der dicht genug an Terminen schon ohne Dauerlüftung im Kinderzimmer war. Man sollte meinen, da ruft man seinen Vermieter an und dann kümmert sich jemand darum. Tatsächlich rief ich mehrfach an, bis hin zu einem “sie wissen schon, dass sie nerven?”. Ja. Weiß ich. Es ist ja auch – ein offenes Fenster im 1. Stock und es ist kalt draußen. Ich will sofort Hilfe!

Ich habe mir dann Hilfe geholt und selbst ein Unternehmen beauftragt, hier erste Hilfe zu leisten. Mein Vermieter, bzw. der Mensch, der die Immobilie verwaltet, fragte noch, was eigentlich mein Problem sei. Das könne doch bis Montag warten. Und ich solle nicht glauben, dass ich heute noch jemand erreichen würde, der vorbeikäme.

Eine Stunde später stand der Glaser in der Wohnung und war erstaunt. So ein Fenster hatte er in der Form auch schon lange nicht. Es war ihm auch nicht möglich, das Fenster alleine zu heben und zurück in den Rahmen zu setzen. Gemeinsam und mit einer Art Löffel (irgendwie wie ein Wagenheber) haben wir das Fenster anheben und in den Rahmen schieben können. Es gibt jetzt keine Möglichkeit mehr, es zu öffnen, für den Moment aber zieht es zumindest nicht mehr in die Wohnung.

Das war – ein Kraftakt, irgendwie sind die Fenster wohl schallgedämpft und doppelt verglast, was sie so schwer macht.

Seit 15 Uhr am Nachmittag läuft die Heizung wieder. In den meisten Zimmern haben wir fast schon 19 Grad erreicht – es ist erstaunlich, wie schnell eine Wohnung auskühlen kann. Man glaubt das nicht und ist entsprechend demütig und dankbar dafür, eine Wohnung zu haben. Mit Fenstern. Mit Heizung. Mit Strom. Ich bin mir der Lage bewusst. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist. Ich weiß auch, dass die schnelle und professionelle Hilfe nicht selbstverständlich ist.

Ich weiß ebenfalls, dass es für einen Arbeitgeber nicht selbstverständlich ist, hier so gelassen zu reagieren. Als der Glaser in der Tür stand, startete gerade das Vorstellungsgespräch via Zoom, zu dem ich mich dann erst später dazuschalten konnte. Die Bewerberin hat somit direkt gemerkt, wie wir als Firma mit Notfällen umgehen. Wir vertuschen sie nicht. Wir sind ehrlich und kommunizieren das, was wichtig ist.

Mir ist übrigens immer noch kalt, obwohl ich zwischendrin samt Kind im Büro war, um mich aufzuwärmen und eine Runde Tischtennis zu spielen. Ja. Wir haben ein Büro, das hat nur einen Tisch. Einen Tischtennistisch. Ich finde das großartig, mir hilft Bewegung sehr, um im Flow zu bleiben. Entsprechend oft spiele ich gerade in Phasen von beginnender Schreibblockade eine Runde Tischtennis. Oder gehe tanzen. In der Küche, oder wie heute, in der Disco.

Ich hatte heute massiv Ärger mit “dem Hausmeister” und ich freue mich, dass ich mir das jetzt ein wenig von der Seele schreiben konnte. Um dann jetzt ein wenig Tanzen zu gehen. Ich weiß, dass ich einen solchen Text nochmal überarbeiten würde, im echten Leben. Ich würde die witzigen Momente herausarbeiten und es sprachlich schön auskleiden. Das Fenster. Dazu bin ich aber heute gar nicht mehr in der Lage. Ich habe heute nur Termine, Kinder, Vermieter und Glaser jongliert, es war eine Freude und dabei sehr anstrengend. Für einen gegliederten Text mit Neugierig am Anfang und weiteren Komponenten (eine Idee: der Glaser fällt aus dem Fenster – dem Vermieter fällt das Fenster auf dem Kopf – der Glaser und ich beginnen eine wilde Romanze) bin ich zu ausgelutscht heute. Das wäre wunderbar für einen anderen Tag. Und dafür ist es wunderbar, dass ich es runtergeschrieben habe!

Würde ich das normalerweise so veröffentlichen? Wo ich doch gerne so schreiben möchte, wie ich will? Nein, würde ich nicht. Der Text gefällt mir noch gar nicht. Außerdem passt das Bild nicht, obwohl es den Tagesabschluss von K5 zeigt, der noch ein paar Minuten in die Tasten der Lego-Schreibmaschine gehauen hat, bevor es ins Bett ging. Es war so eine schöne Szene! Er hat sich seinen Text erst vorgeschrieben, das Blatt dann eingezogen und dann Buchstabe für Buchstabe abgetippt. Es war – großartig!

Und es war nur das Ende seines Tages. Mein Ende geht jetzt bei den Nachbarn das Babyfon ausleihen und aufbauen. Und dann – tanzen. Meine Emotionen sind noch brüchig, verworren. Es hat mir gut getan, bis hier zu schreiben. Den Rest erledige ich jetzt mit den Füßen. Mit etwas Abstand wird aus dem Chaos und dem Stress eine schöne Geschichte. Eine typische Larissa-Geschichte, weil mir gerne genau diese Dinge passieren. Ein wichtiges Meeting und mir fällt vorher ein Fenster in die Arme. Das ist stark! Ein starkes Bild!

Morgen mehr. Ich weiß, ich habe hier Text, der mit mir arbeitet. Ich bin langsam bereit, diese Arbeit zu beginnen. Ich sehe, ich darf schreiben, wie ich will. Und dennoch, wenn ich gelesen werden will, darf es meinen Leser:innen angenehm gemütlich machen. So, dass sie mich gerne lesen. Dafür darf es ein wenig mehr Handwerk sein.

Gutes Handwerk ist Gold wert! Mein Vermieter mauschelt sonst gerne mit Freunden und Verwandten, die auch gerne nebenbei Fenster reparieren. Das ist soweit okay, kann man machen, wird aber selten wirklich gut. Wirklich gut wird es, wenn jemand kommt, der sein Handwerk versteht. Dann ist es leichter. Sicherer. Zuverlässiger. Ich will mein Handwerk auch verstehen. Ich bin bereit, dazuzulernen und mich intensiver auszuprobieren. Mit dieser Geschichte und allen anderen, die erzählt werden wollen.

Ein Fazit habe ich noch, neben dem Handwerk. Das Arbeiten. Das Arbeiten als Alleinerziehende Mutter. Die Anstrengung, all diese Komponenten samt Fenster unter den Hut zu bekommen und dennoch tanzen zu gehen. Ich feiere! Auch mich! Auf dass ich mein Thema finde. Ich glaube, ich bin ganz nah dran!

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