Traummodus

Ich habe geträumt. Das tue ich sicherlich jede Nacht, ein bewusstes Erinnern ist mir dabei selten gegönnt. Heute war ich mich auch nicht sicher – ist das schön oder Scheiße? Im normalen Alltag stehe ich 5:30 Uhr auf und bin müde. Es ist kein – ach, ich bin schon ein wenig wach und meine Träume kurz vor dem Aufstehen kommen an die Oberfläche – 

Heute war es anders. Ich war zwischen wach und aufstehen, ein Resultat aus “ich bin schon wach und schlafe dennoch weiter”. Einer von den Träumen, die noch ganz klar sind, wenn wir dann wirklich wach sind und aufstehen.

Ich war gegen 7:00 Uhr wach und habe mich bewusst nochmal umgedreht und ein wenig Schlaf geangelt. Mit am Haken mein Unterbewusstsein. 

Es schickte mir zwei aufeinander aufbauende Traumsequenzen, beide drehten sich um mich und Kind 5. 

Auf dem Spielplatz kam ich ins Gespräch mit Großeltern eines Kindes, das mit Kind 5 in die Schule geht. Es ging um Lernräume, Förderung und es kam auf ein “wir fördern noch zusätzlich mit XY”. Die großen Eltern dieses Kindes wollten mir zeigen, was alles möglich ist, wenn man nur das passende Geld investiert. Ich fühlte mich ungenügend ausgestattet, ich stand mit leeren Hosentaschen da – und reagierte aggressiv. Wütend. Getroffen.

Ich wendete mich ab und fand mich in der nächsten Sequenz, im Elterngespräch mit der Lehrerin von Kind 5. Es war ein Reigen an negativen Dingen, die mein Kind noch nicht kann, nicht gut genug kann, die zu verbessern waren. Ich sitze da und nicke und werde innerlich unruhig. Die Wut kommt wieder zurück. Es ist ein – ist das Alles? Ich frage ob es auch etwas Gutes von meinem Kind zu berichten gäbe? 

Das Ja, aber klingt nach, während ich aufwache. Ja, aber das ist jetzt nicht wichtig. Wir wollen doch darauf schauen, wo er mehr Förderung braucht, was zu verbessern sei. 

Ich liege wach im Bett. Draußen, Sonnenschein. Drinnen, Düsternis. Ich fühle mich zum Heulen, mein Herz rast, ich brauche einen Moment, um zu realisieren, was da los ist. Gehe ins Bad, haue mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich habe nur geträumt! Es ist gar nicht so!

Das Gespräch mit der Lehrerin hatte ich schon. Sie hat mein Kind über den grünen Klee gelobt. Alles Positive auf den Punkt gebracht. Sie weiß, wie man Feedback gibt. 

Auf dem Weg zum Bäcker dämmert mir, es geht gar nicht um Kind 5. Es geht um mich. Um meine Eltern. Um Gespräche, die meine Eltern geführt haben. 

Aufgewachsen bin ich als viertes Kind, in eher armen Verhältnissen. Meine Eltern hatten alles, was notwendig war. Urlaub oder besondere Spielsachen, teure Klamotten – all das gab es nicht. Ausflüge und Eis essen waren utopisch. Dennoch hatte ich Klavierunterricht und war im Sportverein. Sie haben viel möglich gemacht! 

Wahrgenommen habe ich oft nur den Mangel, die Dinge, die ich nicht haben konnte. Das, was nicht gut genug war. 

Weil ich nicht gut genug war. Ich bin Kind 5. Und damals war es durchaus üblich, die Dinge zu benennen, die zu verbessern waren. Nicht ordentlich genug. Nicht strukturiert genug. Schreibt mit der falschen Hand. Träumt zu viel. Lacht zu viel. Stört den Unterricht. Ist unsportlich. Dabei viel zu lebendig. Wir müssen zusehen, dass wir das verbessern. Da ist so viel Potential, lasst uns das negative in positives verwandeln. Wäre doch gelacht!

Ich bin genau so aufgewachsen. Mit dem Vergleich auf das, was die anderen haben, und es gibt immer jemand, der es vermeintlich besser hat als man selbst. 

Noch schlimmer, ich wurde immer nur darauf hingewiesen, was ich nicht kann. Wo ich verbesserungswürdig bin. 

Mein neige noch heute zum Vergleichen, im doppelten Sinne – die Anderen können es besser! Ich bin nicht gut genug! Ich bin niemals gut genug, egal, wie sehr ich lerne, übe. Es ist nicht zu schaffen, irgendjemand weiß immer noch mehr als ich …

Mein Unterbewusstsein steuert dieses Denken und Fühlen unbewusst seit so vielen Jahren. Jetzt daraus zu erwachen ist schwer. Anstrengend. Lähmt. Dennoch nehme ich gerade diesen so deutlichen Traum als Hinweis. 

Ich will diese Denke loswerden! Dieses ständige sich selbst optimieren. Ich will meine positiven Seiten stärken! Die sind da – fallen mir aber immer erst mit Verspätung ein. Die negativen Aspekte hingegen liegen mir schon auf der Zunge, sie kann ich binnen Sekunden im ganzen Raum um mich verbreiten. 

Das Positive ist eingeschüchtert, es kann nicht so recht raus. Das Negative nimmt zu viel Raum ein. 

An guten Tagen, draußen, im Wald, beim Spaziergang – hat das Positive mehr Luft und zeigt sich. Das Negative hasst das helle Licht und Luft. 

Es geht darum, das Positive in den Raum zu holen. Im Außen kann ich es schon. Im Innen braucht es noch Unterstützung. Verstärkung. 

Ich hatte in meiner Zeit bei der Femkom das Vergnügen, mehrere Workshops mit Sabine Berg zu besuchen. In einem durften wir ein Plakat gestalten, mit all dem das uns positiv ausmacht. Ich bin, ich kann … 

Das will ich wiederholen. Das Plakat von damals ist nicht mehr da. Es hing gut ein Jahr an der Tür im Wohnzimmer, ab und an habe ich darauf geschaut. Es war – noch nicht am richtigen Platz. Es war zu versteckt. Ich brauche das jetzt deutlicher, klarer. Im Schlafzimmer hängt mein Flipchart an der Tür. Darauf werde ich beginnen zu notieren, was ich bin, was ich kann – und nur das Positive! 

Das Positive verstärken! 

Das Negative verbessern – das ist der Ansatz, den ich schon als Kind gelernt habe. Umlernen, wie die rechte auf die ursprüngliche linke Hand, das ist schwer! Verdammt schwer! Da steckt mehr dahinter als den Stift in die linke Hand zu nehmen … 

Neben mir selbst geht es auch sehr um meine Kinder. Ich neige dazu, sie ähnlich zu behandeln wie ich mich selbst behandele … ich sehe Verbesserungsmöglichkeiten. Biete Lösungen an. Ich meine es gut mit ihnen. So gut wie es andere mit mir meinten, als ich Kind war. Gut gemeint ist mitunter nicht gut gemacht …

Für meine Kinder werde ich ebenfalls aufschreiben, was sie im Positiven ausmacht. Auch hier fallen mir sehr schnell die Dinge ein, die nicht so optimal sind … Ich bin diese Lektion sehr gut gelernt. Immer im Optimierungsmodus. 

Ich will in den Selbstliebemodus! Ich bin wertvoll, so, wie ich bin! Meine Kinder sind wertvoll, so, wie sie sind. Kein JA, ABER mehr!

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