Wer A sucht muss auch B such sagen

B such ist das, was meine intrinsische Motivation aus dem Sofa-Tiefschlaf weckt und mit dem Staubsauger durch die Wohnung laufen lässt. Sorgsam bemüht, nicht über das Kabel zu stolpern. Dabei den Blicken schweifend, um zu überlegen, was ich in der meist viel zu kurzen Zeit erledigen kann. Schaffe ich einen groben Status ordentlich oder ist es sinnvoller, sich intensiv mit einer Stelle zu beschäftigen?

Ich hatte mal eine kurze Beziehung, die das liebevoll auf den Punkt gebracht hat. Er sagte, hey, ich sehe doch, hier hat jemand auf den letzten Drücker aufgeräumt, um den Eindruck zu erwecken, alles sei in Ordnung. Dabei ist deutlich, wo was wie in die Ecken geschoben, gestapelt oder zugedeckt wurde, um den Schein zu wahren. Tja. Ertappt. Er lachte, ich lachte und überlegte, welche Strategie ich das nächste Mal nutzen könnte. Weil, durchschaut war ich. Und ich konnte ihm auch nicht böse sein, er hatte ja Recht. Ich war und bin unordentlich.

Ich suche auch ständig Dinge. Was das eine Zeit kostet, gemessen am normalen Aufräumen, unfassbar! Und dann kaufe ich Dinge erneut (weil ich sie nicht wiederfinde) oder ich kaufe Dinge, weil sie schön sind (obwohl ich gar keinen Platz für sie habe) und der wenige Platz muss sich aufteilen für noch mehr Dinge, die gar keinen Platz haben.

Es ist anstrengend, ja, das ist es!

Vorhin stand ich bei K5 im Zimmer. Ich werde recht schnell wütend, wenn ich bei K5 im Zimmer stehe. Alles ist so unordentlich, dabei ist er im Grunde ein sehr ordentliches Kind. Er bekommt offenbar in meiner Nähe keine Ordnung in seine Prozesse. Der Schreibtisch sieht schlimmer aus als bei mir. Er hat zu viele Dinge und keinen festen Platz, wo die Dinge hingehören. Von seinem Vater bekommt er ständig noch neue Dinge hinzu. Trennen kann er sich natürlich auch von gar keinen Dingen. So spielt er zum Beispiel nicht mit den Schleich-Tieren, es stehen aber zwei große Kisten in seinem Schrank … Mit Schleich-Tieren. Weil. Vielleicht. Spielt er ja irgendwann damit. Ich denke, die kommen jetzt mit einer Kiste mit Deckel in den Keller. Sie sind wertvoll, waren teuer, werden sicherlich noch von anderen Kindern bespielt werden, aber nicht mehr von ihm. Wenn ich die Kiste allerdings in seiner Anwesenheit in den Keller bringen will, DANN spielt er garantiert mit Hingabe mit den Tieren 😉

Isso. Kennich. Machtnix. Genau, er macht nix, jedenfalls nicht freiwillig! Ätzend! Und vorhin meinte er, er kann morgen nicht aufräumen, er weiß gar nicht, wo er die Sachen hinstellen soll. Vor seinem Fenster steht gesamt Minecraft. Kein Scherz! Also, ein ganzes Dorf aus Legosteinen. Was soll ich sagen? Dorf muss evakuiert werden. Es macht mich ganz schrecklich nervös und hibbelig, dass das Dorf da steht. Ich komme kaum ans Fenster, ohne Dorfbewohner zu verletzten. Oder meinen Fuß. Je nachdem, wie man die Lage des Legosteins einschätzen will.

Wenn wir keinen Besuch bekommen, ist mir das alles viel egaler. Wir bekommen allerdings morgen Besuch und unser Wochenende ist zudem komplett verplant mit lauter schönen Dingen. Besuch. Kinogehen. Sommerfest der Firma. Zum Aufräumen bringt mich dabei allerdings nur der Besuch.

Besuch hilft. Jedenfalls oberflächlich betrachtet. Ich mache die Oberflächen sauber, staubsauge, wische durch, stecke Sachen in Schubladen, da sieht man sie nicht. Der Besuch öffnet zum Glück keine Schubladen. Der Besuch will gar nicht in die Tiefe besuchen, sondern einfach nur ein oberflächlicher Besuch sein. Das darf er, sie, es gerne. Ich will natürlich, das sich Besuch bei uns wohlfühlt, also renne ich vorher hektisch umher und überlege, wie ich mein Chaos kosmetisch kaschieren kann.

Der Besuch sagt immer, egal welcher Besuch es ist, dass es ihm oder ihr oder es völlig egal ist, wie es bei mir aussieht. Man sei ja nicht deswegen da. Und dennoch sehe ich immer, wie der Blick schweift und man, frau, es sich einen Überblick verschafft. Wie ich doch bewertet werde. Es ist wie mit dem Gefühl, zu dick zu sein. Nein, du bist nicht zu dick! Du siehst super aus! Und dann, wenn man abgenommen hat, sagen sie, hey, toll, du hast ja abgenommen, wow! Ich frage mich dann oft, was jetzt? Ich dachte, ich sah doch ach so gut aus und jetzt gratulierst du mir zur Abnahme? Dein Ernst?

So ist es auch mit der Wohnung und meiner Ordnung. Wenn ich es schaffe, die Wohnung gut ordentlich zu haben, sagen Menschen, die sonst sagen, dass es ihnen ja doch so egal ist – sie sagen – hey, cool, wie ordentlich es bei dir ist! Und dann schweift der Blick weniger und die Anspannung scheint abzufallen. Auch bei mir.

Warum ist das so? Bilde ich mir ein, dass ich über Ordnung bewertet werde? Bilde ich mir ein, generell bewertet zu werden? Bewerten mich Menschen, weil ich mich andauernd dafür entschuldige, nicht so gut zu sein, wie ich gerne wäre? Entschuldige, es ist nicht so ordentlich bei uns, ich hatte viel Arbeit die vergangene Woche. Entschuldige dies, entschuldige das.

Ich habe es satt! Ich will endlich echte Ordnung. Weil, ich gebe zu, ich liebe mein Chaos nicht. Ich habe es nie geliebt. Ich fühle mich schon immer unwohl damit. Ich feiere es, wenn es ordentlich ist. Wenn ich morgens durch eine saubere Wohnung laufe. Wenn die Dinge ihren Platz haben.

Besuch stresst. Weil ich auf mich selbst schauen muss und feststelle, es ist immer noch nicht besser. Ich laufe immer noch wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung. Ich fühle mich immer noch bewertet. Vor allem von mir selbst. Und auch von den Menschen, die mich besuchen, weil auch sie wissen, dass es nicht okay ist mit mir. Ich habe es vorhin in einem Blog gelesen, Selbstliebe und Ordnung gehören ganz eng zusammen. Wer sich selbst liebt, kümmert sich gut um sich, im Innen und im Außen. Zum Außen gehört dabei auch die Ordnung im Außen. Und deshalb – krempele ich jetzt liebevoll die Ärmel hoch, die ich gar nicht trage, und fange mit dem Eingangsbereich an. Ein herzliches Willkommen in mein Leben. In ein ordentliches, liebevolles Leben.

Ich stelle mir allerdings die Frage, die Menschen, die extrem ordentlich sind, so mit richtiger Macke hinten dran, die also im anderen Extrem unterwegs sind. Sind die liebevoller mit sich? Passt da die Selbstliebe? Oder anders gedacht, welcher Grad von Ordnung ist der, der zu einer gesunden Selbstliebe gehört? Angenehm ordentlich? Pedantisch ordentlich ist in meiner Welt genauso schwierig wie chaotisch unordentlich …

Ich war übrigens ein sehr unordentliches Kind. Mega. Ganz extrem. K5 ist harmlos dagegen. Und meine Mutter hat immer mit mir geschrieen, wie eklig, unordentlich und widerlich mein Zimmer ist. Ich bin. Erstaunlich finde ich, dass ich nicht begonnen habe, aufzuräumen. Ich fühlte mich gar nicht fähig, das zu tun. Dabei hätte ich vielleicht ein Lob bekommen oder wäre sogar geliebt worden, wäre ich ordentlicher gewesen. Und obwohl es “so einfach” gewesen wäre, wenigstens nicht angeschrieen zu werden, habe ich dennoch – nichts getan! Gar nichts! Das hat meine Mutter zur Weißglut gebracht …

Bei dem Gespräch mit K5 über das Minecraftdorf vorhin habe ich festgestellt, dass ich auch wütend werde, über die Unordnung. Erschreckend. Mein Sohn räumt dann, im Gegensatz zu meinem kindlichen Ich, tatsächlich auf am nächsten Tag. Das konnte ich als Kind nicht.
Dennoch, meine Reaktion war der Reaktion meiner Mutter so ähnlich, dass ich mich erschreckt habe. So will ich nicht sein! Ich will liebevoll sein. Ich will, dass mein Sohn lernt, sein Zimmer und seine Seele in Ordnung zu halten. Ich will, dass er einen Platz hat für die Dinge. Ich werde mit ihm Platz schaffen. Es ist wirklich wichtig. Wirklich.

(im übrigen gibt es deutlich schlimmere Wohnungen als meine. ich kann ganz gut kaschieren, dass da kein System dahinter steckt. dennoch, wer es wagt, genauer hinzusehen, hinter die lächelnde Fassade zu sehen, der findet einen Menschen in einer Wohnung, der sich noch nicht gefunden hat. der noch sucht. und der sich Besuch einläd, damit das finden einfacher wird)

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