zieh. den. Bauch. ein

Schöne Sätze aus der Kindheit. Jeder hat sie, jeder kennt sie, einer der meinen ist: 
Zieh den Bauch ein. 
Reiß dich doch mal zusammen! 

Ich ahne, meinen Kindern gebe ich auch irgendeinen Schrott mit und die bloggen dann später und ich lese das und denke, Scheiße, war ich eine bescheuerte Mama. Ganz schön schräg!
Ich schäme mich schon heute im voraus ein bisschen dafür 😉
*lacht*

Fakt ist, “zieh den Bauch ein” hat es echt lange geschafft. Bestimmt 40 Jahre begleitet mich die Tatsache, dass ein Bauch etwas ist, dass ich besser nicht haben sollte. In jeder Schwangerschaft war ich die glücklichste Frau der Welt. Mein Bauch war Weltklasse, ein Zeichen der Liebe und der Fortpflanzung und völlig akzeptiert in der Gesellschaft. Ich war schwanger. 

Heute bin ich ganz ohne Baby im Bauch bei 112cm Bauchumfang. Und ich ziehe den immer noch ein. Niemand soll denken, ich sei undiszipliniert, dumm, hässlich. Dick. Eine Versagerin.

Leider bringe ich momentan all diese Glaubenssätze hoch. All dies “nicht richtig sein”, dass mit der linken Hand begonnen hat. Ich drehe in den Negativspiralen der Kindheit fröhlich meine Kreise und esse dabei Toast mit Nutella. Das habe ich schon als Kind gerne getan. Bevorzugt wenn meine Eltern aus dem Haus waren. Ein Toast mit Nutella, vor dem Fernseher, der schönste Trost des Lebens … 

Neben der linken Hand, mit der zu Schreiben nicht in Ordnung war, habe ich noch ein paar schöne Sätze, die mich zum Teil seit Jahren begleiten: 

  • Zieh den Bauch ein
  • Reiß dich doch mal zusammen
  • Sprich nicht so schnell
  • Sprich nicht so laut
  • Du kannst nicht singen – lasses
  • Du bist so ungeschickt – lasses
  • Du bist so unsportlich
  • Du bist zu dick
  • Dein Busen ist zu groß, das ist nicht schön – zieh die Schultern nach vorne, dann sieht man das nicht so deutlich –

Mir fällt gerade gar nicht mehr ein. Das sind so die, die mich momentan ganz fürchterlich stressen. Ich mag ihnen entgegensetzen, dass auch dicke Menschen toll sind, schlau sind, sportlich sind. Dass ich sehr wohl singen kann und zu laut auch immer im Auge des Hörers liegt. Was ist denn ZU? Zu was? 

Bisschen wütend bin ich. Dass ich an all diese Sätze sehr lange geglaubt habe. Besonders erwähnenswert ist dabei dieses “Zieh den Bauch ein”. Ich ziehe noch heute den Bauch ein. Ich tue das ganz automatisch, und oft halte ich dabei auch die Luft an. Ich atme nach innen. Und blockiere mich selbst. Stecke fest.

Wie viele Urlaube, Familienfeste und andere gesellschaftliche Ereignisse habe ich mir im Kopf kaputt gemacht mit diesem “ich bin nicht schön genug, ich bin zu dick, was werden die anderen denken, wie ich aussehe”. Die Gedanken daran, besonders auszusehen, sind schon immer da. 

Heute haben wir Bilder angesehen, auf denen ich Ende Zwanzig und wunderschön war. Überhaupt nicht zu dick. Ich selbst habe mich als pummelig und nicht so schön in Erinnerung. Im Vergleich dazu wiege ich heute locker 15 Kilo mehr und dürfte mich entsprechend direkt entsorgen. Ich denke aber, ich entsorge besser all diese Sätze, diese Gefühle, dieses “nicht richtig sein”. 

Die ersten Schritte gehe ich ja bereits. Atmen im Singen und Fokussieren auf die linke Hand, beides tut schon sehr gut. Im nächsten Schritt beginne ich mit Schwungübungen für die linke Hand und lasse beim Singen den Bauch raus. Ganz und gar. So dick wie er ist. Ich verschaffe mir Raum und halte die Luft nicht mehr an – Ich bin schön, so, wie ich bin! 

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