der Fluch der Produktivität

Nichts tun. Es gibt nur wenige Dinge, die mich wirklich verunsichern, verängstigen, beunruhigen. Nichts tun ist eines dieser Dinge.

Es umgibt mich mit Atembeschwerden. Dieses – Nichts tun.

Manchmal, wenn ich besonders viel zu tun habe, wünsche ich mir einen Zustand von Nichts tun. Ich träume dann davon, wie es wäre, ganz viel Zeit zu haben, um mit dieser Zeit dann nichts zu tun. Also, lesen oder so. Bummeln. Herumsitzen. Am Hintern kratzen. In der Nase bohren. Sich langweilen. Wie schön das dann für mich klingt. Einfach mal stundenlang lesen. Und sonst, nichts tun.

Und wenn es dann soweit ist. Dann ist es die Hölle. Nichts tun frisst mich innerlich auf und spuckt mich dann unverdaut auf die Straße. Auf der stehe ich dann und weiß nicht, wohin soll ich gehen? Was kommt noch? Auf was kann ich mich verlassen? Wer hilft mir? Wer nimmt mich an die Hand und führt mich, an einen Ort, an dem ich nichts tun kann ohne zu verzweifeln?

Ich fühle mich – betrogen, um meine freie Zeit. Sie fühlt sich so nichtsnutzig an. Als würde ich sie nicht gut genug nutzen. Das Nichts tun schimpft mit mir, es möchte mehr genutzt werden. Wie, das weiß es selbst nicht. Aber einfach nur nichts tun kann es nicht gewesen sein. Der Tag braucht doch Struktur! Die ganze Zeit rede ich von nichts anderem als Struktur. Und dann gehe ich erst spazieren, dann ins Musuem, dann wieder spazieren, dann einen Kaffee trinken und Appeltaart essen, und fühle mich dennoch total unzulänglich. So habe ich mir nichts tun aber nicht vorgestellt …

Mich verunsichert das gerade sehr. Ich schaue ständig auf Slack, ob es was zu arbeiten für mich gibt. Ich überlege, wie ich mich noch besser optimal managen kann. Ob ich jetzt vielleicht Persönlichkeitsentwicklung machen sollte, oder Sport, um mich besser zu fühlen. Ich fühle mich zeitlich vereinsamt. Mein Charme, der sonst mit mir spazieren geht, ist abwesend. Ich lächele nicht. Auch wenn ich es wollte, gerade will es nicht.

Ich habe keine Angst davor, hier zu sein. Ich habe nur Angst davor, wer ich bin, wenn ich nichts tue. Will ich das erleben? Ich fühle mich wertlos, wenn ich nichts tue. Als sei ich es nicht wert, nichts zu tun. Die Menschen hier, sie gehen spazieren und sitzen im Café. Reden und lachen. Es scheint ihnen nicht schwer zu fallen. Und ich, ich bin überfordert. Wie gerne hätte ich jetzt jemand um mich, der mit mir lacht. Es fehlt ein Lachen. Dem Nichts tun würde ich gerne lachend gegenübertreten. Nur, mir ist gar nicht nach lachen. Mir ist eher klamm im Herzen.

Ich bin sehr dazu erzogen, immer zu leisten. Ich kann schlecht ohne Arbeit sein. Ich kann mich noch schlechter entspannen. Ich bin ständig unter Anspannung. Mir den Stecker zu ziehen, ich traue mich das nicht. Weil ich nicht weiß, was dann mit mir passiert. Vielleicht falle ich auseinander. Und wenn das passiert, wer hilft mir beim Zusammensetzen? Ich bin sicherlich ein sehr buntes, unübersichtliches Puzzle.

Ich wage es also nicht. Ich gebe mich nicht völlig hin. Ich weiß nicht, wie das geht. Mir fehlt die Leichtigkeit, einfach zu flanieren. Ständig überlege ich, was ich noch erledigen könne. Mein Geist kann nicht stillstehen.

Vielleicht ist es aber auch genau das. Vielleicht bin ich so nicht. Vielleicht kann ich nur im Tun entspannen. Gibt es das?

Was dehnt die Zeit?

Wie kannst du nichts tun?

Was ist – nichts tun – für dich?

Was ist – nichts tun – für mich?

Ich sehne mich nach freier Zeit, in der ich endlich nichts tun kann. Und dann ist sie da und raubt mir den Atem.

Lieber wäre mir, die Liebe raubte mir den Atem. Aber ich ahne, es ist noch zu früh. Läge ich mit einem Menschen Arm in Arm, ich würde wohl auf die Uhr schauen, ob es nicht noch was zu tun gibt …
Das ist sehr traurig und die Wahrheit.

Vielleicht hilft Meditation?
Oder, spazieren gehen.

Das Beschissene an Persönlichkeitsentwicklung ist – es ist unglaublich anstrengend! Ich bin Kilometer entfernt von nichts tun. Ich tue gerade alles, was notwendig ist, um ich zu werden. Nichts tun gehört mit dazu. Weil ich im nichts tun mit mir sein muss. Mit mir und meiner Geschichte, die nichts tun als Zeitverschwendung in meine Zellen gebrannt hat.

Nichts tun.

Pah, als täte ich gerade nichts.

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