keine Ahnung und ein Herz voller Liebe

Hahnibal by Larissa

Heute im Hühnerstall, drei Hennen – Lady Gaga, Lillia und Lydia sowie Hahnibal, der Hahn – da werden Erinnerungen an Ostern vor 32 Jahren wach …

Kind 5 hat heute versonnen die Hühner gefüttert, mit Löwenzahn und Klee. Die waren ganz happy, im Gehege hatte es nur noch fades Gras. Mein Sohn durfte erst herausfinden, was sie mögen, das hat eine kleine Weile gedauert. Beobachtung und Schlussfolgerung kamen ganz rasch, und dann war er unterwegs, Löwenzahn und Klee für die Hühner sammeln.

Ich stand in der Nähe und habe aufgepasst, dass er ihnen keine zu großen Kiesel füttert oder andere, unangebrachte Dinge … und ich habe mich erinnert, an mein Huhn, damals.
Okay, ein Hahn, damals.

Er hieß Archimedes und kam als Babyküken in mein Leben. 16 war ich, und er war auch nicht viel älter als 16. 16 Minuten, geschätzt. Viel älter kann er nicht gewesen sein.

Es war Ostern, vor ziemlich genau 32 Jahren … Ich war mit Freundinnen aus dem Internat ins Auto gestiegen und nach Athen gefahren. Stundenlange Quälerei im Auto war unsere Begleitung, ich erinnere mich, nur zwei von uns hatten überhaupt einen Führerschein, das Auto war alt, ein VW. Dunkelrot. In Athen angekommen waren wir alle sehr dankbar, dass wir in Athen angekommen waren …

Der Plan sah vor, mit der Fähre nach Kreta überzusetzen und dort ein-zwei Wochen am Strand zu campen. So ganz wild. Im Süden gab es damals noch Strände ohne Hotels … All das, eine Ewigkeit her.

Das Wetter hatte andere Pläne und die Fähre, auf der wir waren, konnte nicht ablegen. So hatten wir einen Tag in Athen zu verbringen – mich hat es mit einem netten jungen Griechen, dessen Namen ich mir niemals gemerkt habe, auf den Markt in Athen verschlagen. Schon in der Bahn dorthin hatte eine Frau eine kleine braune Packtüte auf dem Schoß, mit zwei Babyenten drin. Ich war verzückt! Meinem griechischen Stadtführer schien meine Verzückung zu gefallen – kaum auf dem Markt angekommen, hatte ich eine braune Packtüte in der Hand, und der Inhalt war flauschig gelb piepend.

Archimedes! Das erste, was er tat, war, Pipi auf meine Hand zu machen. Ab da waren wir verbunden – vermutlich beide mit einem Sehfehler ausgestattet. Archimedes kam es gar nicht in den Sinn, daran zu zweifeln, dass ich WIRKLICH seine Mama bin. Und ich? Ich war sofort verliebt! Der junge Grieche hatte keine Chance mehr bei mir.

Ich habe ein-zwei Wochen am Strand im Süden von Kreta verbracht, mit einem Huhn in der Tasche, dass ich mit Müsli, Sand und Wärme großgezogen habe … das mir dort und weitere drei Monate überall hin gefolgt ist. Das groß und weiß und wunderschön wurde, und tatsächlich auch ein männliches Exemplar war. Ein stolzer, weißer, griechischer Hahn!

Zurück nach Deutschland geschmuggelt im Auto, über vier europäische Grenzen, unter meinem Pulli. Küken und auch Hühner oder Hähne sind quasi nie ruhig. Sie gackern immer. Entweder laut. Oder leise. Es ist eine Art sonores Schnurrgegacker. Ganz wunderbar, sogar wenn sie schlafen …

Wir waren froh, dass Archimedes zwar gegackert hat, unter meinem Pulli, aber nicht entdeckt wurde. Hühner aus Griechenland mit nach Hause nehmen war nicht erlaubt …

Archimedes hat mehrere Monate mit mir im Internat gelebt – auf der Marienhöhe in Darmstadt gab und gibt es einen Bauernhof, und es gab Enten. Die Enten und Archimedes wurden nicht wirklich Freunde … aber eine zeitlang war beides gut zu vereinbaren. Erst als Archimedes erwachsen war, laut krähte, die Blumen der Heimleitung aufaß und einen Fetisch für nackte Füße entwickelte, erst da brauchte es eine neue Unterbringung für ihn.

Schweren Herzens habe ich ihn einer Freundin mitgegeben, auf deren Hof in der Nähe von Gießen, und ich will glauben, dass er dort noch lange im Gebüsch gescharrt und hinter nackten Füßen hergelaufen ist. Vielleicht hat er auch ein paar wunderschöne kleine Küken gezeugt, die ähnlich fabelhaft aussahen wie er …

Dieses kleine Wesen … ich weiß noch, es gewitterte einen Abend und er hatte so eine große Angst. ich war nicht in der Nähe und er suchte sich ein Versteck. Hinter der Tür, in einem Flaschenkorb, zwischen vollen Wasserflaschen fand ich ihn wieder. Zum Glück hat er gegackert, ich hätte sonst vermutlich sehr lange nach ihm suchen können.

Geschlafen hat er jede Nacht auf meiner Brust, oben, zwischen die Brüste gekuschelt. Leise gackernd.

Ich weiß manchmal nicht, Lady Gaga, die Gute, wäre das nicht mein Name gewesen? Gaga war ich in jedem Fall – mit Teetassen habe ich zwar nicht geredet, aber ich hatte einen Hahn auf der Schulter, der im Unterricht neben mir saß …

Nun. Ja. Ach. Ich hätte gerne Hühner daheim. Sie sind so wunderbare Tiere! Mein Sohn steht seit heute auch sehr auf Hühner. Er war eine gute Stunde nur mit diesen Tieren beschäftigt heute. Saß vor dem Gehege und hat sich unterhalten. Ich habe bestimmt eine Affinität für Hühner an ihn vererbt 😉

Es ist so schön, sich an diese Zeit zu erinnern, in der ich völlig unverhofft und unvorbereitet zur Hühnermama wurde. Ich hatte keine Ahnung und ein Herz voller Liebe. Das war keine schlechte Grundvoraussetzung 🙂

Dem jungen Griechen von damals bin ich dankbar, dass er mir keine Baby-Ente geschenkt hat. Warum? Hühner scheißen deutlich angenehmer! Enten, das ist sehr – nun ja, lassen wir das …

 

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