Re: Tag 26

Ein Hauch Depression weht herüber, vom Sofa des vergangenen Tag 26 im Februar. Herabstürzende Neubauten lösen das gerne bei mir aus. Situationen, man könnte es auch unvorhergesehene Herausforderungen nennen, die mich gedanklich sofort in Fahrt bringen. Karusselfahren. Davon wird mir schlecht! Schwindel, Übelkeit bis zum Erbrechen. Ich fahre niemals freiwillig Karussel.

Vergangenen Tag 26 liest man meine Themen deutlich zwischen den Zeilen. Ich gebe mir selbst etwas Mut, am Ende des Tages, will mich zum aufstehen bewegen. Sehne mich nach Halt und Unterstützung. Möchte aber keine Krücke aus dem Keller holen. Ich bitte auch nicht um Hilfe – ich möchte keine Last sein. Ich liege einen Tag auf dem Sofa und – bin erschöpft. Ich war erschöpft, ich kann das noch fühlen. Es hat mich von jetzt auf gleich hingelegt und den Schwung abgebremst. Ich hatte an dem Wochenende Pläne, wollte schreiben und lernen. Ich hätte problemlos lernen können – das geht auch im Liegen auf dem Sofa. Allein, ich habe es nicht getan.

Ich solchen Situationen, in denen ich körperlich gelegt werde, aber geistig fit wie ein Turnschuh bin, gerate ich aus dem Gleichgewicht. Ich kann den fiesen Gedanken nicht weglaufen, die mir zusätzlich zu einem “niemand mag mich”, “ich habe gar nichts, warum stelle ich mich so an” und “ich bin es nicht wert” noch ein “und nicht mal lernen hast du geschafft, du faule Sau” noch oben drauf drücken …

Abwärtsspiralen kenne ich. Immer, wenn ich in diesen Gedankenzyklus einsteige, fühle ich mich machtlos. Hilflos. Nicht mal mehr fähig, um Hilfe zu bitten. Es wäre so einfach, zu sagen, HALLO! Ein kaputter Fuß löst bei mir depressive Gedanken aus, bitte kommt und helft mir! Ich brauche euch, jetzt! Stattdessen – kuschele ich mich in das Gefühl, dass es sowieso allen egal ist, wie es mir geht.

Ganz so heftig war es nicht, vor einem Monat, aber die Tendenz ist da. Ich fühle mich gedanklich immer noch wohl in meinem Mitleid mit mir selbst. Es fühlt sich normal an, so zu denken. Es bedient ein gut geübtes Muster. Es macht mich traurig. Es ist all das, was ich nie mehr will. Und was mich dennoch magisch anzieht. Daran schüttele ich, bis ich vom Sofa falle!

Tatsächlich – hat es letzten Monat ein paar Tage gebraucht, bis ich wieder laufen konnte. Zwei Tage war ich sogar krank gemeldet, ich war mental null auf der Höhe. Es ging mir einfach beschissen. Arbeiten braucht man dann wahrlich nicht. Und – ich habe dann am Mittwoch wieder gearbeitet, und natürlich von daheim. Das hat noch zusätzlich Kraft gekostet. Daheim, allein, im Gedankenkarussel.

Ich bin tatsächlich stolz, wie gut ich die Situation dennoch gemeistert habe. Ich habe mich nicht vom Sofa ziehen lassen. Ich bin tatsächlich aufgestanden und habe mir gut selbst geholfen. Es gab ähnliche Situationen in der jüngeren Vergangenheit, da konnte ich nicht so gut auf die Füße kommen. Da waren die inneren Stimmen lauter und mächtiger und das Gefühl, nicht wert und nicht geliebt zu sein, war größer.

Ich komme zur Ruhe. Auch das tägliche Schreiben hilft mir dabei. Meine Schmerzen und meine Gefühle sind es wert und ich darf formulieren, dass ich Hilfe brauche. Ich sehe mich! Zu allererst darf ich mich sehen. Dann sehen mich auch die Anderen!

Ich weiß, dass meine Psyche ihre Schwachstellen hat. Ähnlich wie Bänder, die können ausgeleiert sein und dann knickt man schneller um. Meine Psyche ist auch etwas ausgeleiert und daher knicke ich schneller um. Kritik ist sehr anstrengend für mich, da ich eh immer kritisch darauf schaue, was ich so tue (und vor allem: was ich halt nicht tue). Ich rede mir auch gerne ein, was ich alles nicht tun kann.Weil. Ich es nicht tun kann.

Dieses “nicht gesehen sein”, dass ich in der Notaufnahme erlebt habe, das macht mich tatsächlich wütend. Es triggert Situationen in meinem Leben, in denen ich auch nicht gesehen wurde, meine Gefühle abgetan wurden –
Ich habe in der Depression mehrfach Hilfe gesucht. Und wenig Hilfe gefunden. Auch “damit” saß ich in der Notaufnahme – in derselben wie letzten Monat im übrigen – und dieses “die ist ja verrückt” fühlt man in Blicken auf sich ruhen. Das ist schwer. Auch für mein Leben mit den Kindern habe ich mir damals Hilfe gesucht. Dafür habe ich ein “zu schwach für die Gesellschaft” geerntet. Von den Kindern nahestehenden Personen. Wenn der ehemalige Partner Depressionen abtut als eben das – ein “du hast dich nicht genug angestrengt” – dann wird es anstrengend.

Depressionen sind wahnsinnig anstrengend. Es dauert lange, bis man endlich wieder auf die Füße kommt. Und dann, selbst wenn man wieder, nach außen normal, laufen kann, dann muss man dennoch gut aufpassen. Man knickt schneller um als andere. Und es dauert länger, bis das wieder verheilt …

Mein Fuß tut im übrigen noch ein wenig weh. Ich bin heute nur spazieren gegangen mit K1, der zu Besuch war. Außerdem haben wir Nussecken gebacken, ich habe mein Lieblingsessen gekocht, zweimal Wäsche gewaschen, das Bett von K5 frisch bezogen und ein Bad geputzt. Das darf reichen für einen Sonntag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert