im körperlichen müde, im geistigen arm, vorwärts
im spüren leise, im lachen frei, vorwärts
singend kreativ, in streifen, vorwärts
freundlich auf mich schauend, amüsiert –
Und der Zug fährt einfach ohne mich weiter. Ich stehe draußen, mit einem Kaffee in der einen Hand, Handy und Portemonnaie in der anderen Hand. Verzweiflung im Blick. Die Türen, geschlossen. Ein langsames Bewegen. Des Zuges. Ein langsames Bewegen, meines Geistes. Soll ich rennen? Wenn ja, wie weit? Kann man denn diese Tür – nicht nochmal öffnen? Mein Leben ist doch – im Zug? Fährt jetzt weg, lässt mich zurück, halb nackt, auf dem Bahnsteig. Kein Pulli. Keine Jacke. Und noch viel schlimmer – keine frische Unterwäsche.
Meine Mutter hatte früher genau einen brauchbaren Tipp für mich. Er lautete – geh nie mit dreckiger oder kaputter Unterwäsche aus dem Haus. Du weißt am Ende des Tages nie, wer dich darin sehen wird!
Mit 19, einmal mehr mit 19, kam ich an einem hell beleuchteten Ort nur mit einem BH bekleidet zu mir und dachte – Scheiße, hättest du mal den schönen schwarzen BH angezogen! Wie sieht das denn aus!
Tanzen war ich, vorher. Der Gedanke da war einfach – ich schwitze immer sehr beim Tanzen, also, alter BH, der eh nach nix mehr aussieht. Konnte ja niemand ahnen, dass ich abends noch einen Ausflug in die Notaufnahme mache …
Ja. Unterwäsche. Auch die ist weggefahren. Mit dem schönen neuen pfirsichfarbenen Köfferlein. Mit dem türkisfarbenen Rucksack. Und, mit meinem Laptop … den ich zur kurzen Aufbewahrung an eine mir völlig unbekannte Person im Zug übergeben hatte. Es hieß – wir stehen noch 20 Minuten wegen eines Baumes auf dem Gleis.
Die 20 Minuten sollten ja reichen, um einen Kaffee zu holen. Denkt man. Besser, man denkt weniger. Es waren 8 Minuten und die wahrscheinlich bekloppteste Idee meines Lebens bis dahin 😉
Wobei, ich hatte schon andere Ideen, die ähnlich bekloppt waren. Niemals vorher ist mir allerdings ein Zug vor der Nase weggefahren, in dem Koffer, Rucksack und Laptop ungesichert und namenlos hinfort und so. Oder sagen wir, mein Gepäck reist halt voraus! Ich reise in der Regionalbahn hinterher, halb lachend, halb weinend. In Kassel Wilhelmshöhe kommt es zur Wiedervereinigung von Gepäck und Inhaberin, auf Gleis 3 steht er, der pfirsichfarbene Koffer mit dem türkisfarbenen Rucksack und im Rucksack – mein Macbook, dass die nette Unbekannte fürsorglich eingepackt hat. Als sie sah, dass ich zwar einen Kaffee hatte, dafür aber keinen Sitzplatz mehr 😉
Ich liebe unvorhergesehenes. Es trainiert eine bestimmte Muskelform. Die der Gelassenheit. Oder auch – die der Resilienz. Was machst du in einer solchen Situation? Also – zuerst – Kaffee auf das Shirt kippen, damit du in jedem Fall ganz ganz schlau aussiehst! Das wäre mein erster Tipp für dich 😉
Dann: naja. Atmen. Es hilft ja nichts. Du kannst dem ICE hinterherrennen. Ob du das von Gießen bis Kassel schaffst, ich weiß es nicht. Ich persönlich habe es gar nicht erst ausprobiert. Ich bin – zur Info gegangen, habe mir die Rufnummer vom Bahnhof in Kassel geben lassen, habe denen mein Leid geklagt. Die haben im ICE angerufen, mein Gepäck gefunden und mangels Ticket dann in Kassel rausgeworfen. So. War das.
Und, ich war nicht alleine verwirrt und einsam. Wir waren zu zweit, Hassan und ich. Vereint mit einem Kaffeebecher in der Hand 😉
Er musste weiter nach Göttingen, ich bis nach Berlin. Bis Kassel sind wir gemeinsam unserem Gepäck hinterhergefahren und haben uns sehr amüsiert und sehr nett unterhalten. Gute Gespräche sind für mich das Schönste!
Gute Gespräche hatte ich noch Weitere, auf meiner besondere Reise, nach Berlin, letzte Woche. Mit vielen kleinen und großen sehr besonderen Momenten. Einer davon war, meinem Gepäck hinterherzuwinken 😉
Spannend, im Anschluss hatte ich so viel Adrenalinüberschuss, dass ich hellwach und satt war. Ich konnte tatsächlich das arme Brötchen, dass ich mir gekauft hatte, nicht essen. Da ging nichts. Ich empfehle daher, ab und an Adrenalin zu tanken. Das scheint mir eine sinnvolle Diät zu sein 😉
Heute – erinnere ich bereits schmunzelnd. Hinterher lacht es sich immer besonders gut. Vermutlich wird es eine Geschichte, die ich im Leben noch öfter erzählen werde. Damals, als mein Macbook auf Reisen ging. Und ich meinem Chef schrieb, ach, alles gut, der Baum auf der Strecke ist weg und ich reise jetzt meinem Gepäck hinterher. Das ist schon in Kassel. Ich lasse mir ein wenig mehr Zeit …
Ich freue mich, kommende Woche gehe ich alleine auf Reisen. Mit Koffer und Rucksack, allerdings ohne Laptop. Den werde ich wohl daheim lassen, wahrscheinlich. Vielleicht – nehme ich ihn auch mit, weil ich hoffe, zum Schreiben zu kommen. Weniger müde zu sein als aktuell, wo der Job mich an jeder Ecke herausfordert. Ich entscheide das spontan. Momentan – bin ich von der Physio oft müde, vom Sport manchmal verkatert und im Job oft am Abend nochmal am Text. Ich habe Zug. Zum Tor. Und bleibe das nächste Mal sitzen, wenn es wieder heißt – wir fahren in 20 Minuten weiter –
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