Keine Regel ohne Ausnahme – bei mir ist die Ausnahme die Regel 😉
Jedenfalls in der Regel.
Öfter zu beobachten, gerade dann, wenn ich mir sehr starre Vorsätze formuliert habe, angepasst an die Erwartungen, die Andere haben könnten.
Mein Lieblingsthema – Vergleich ist Schleich –
(nein, das ergibt keinen Sinn, es reimt sich nur)
Die Aulawiese
Ich erinnere meine ersten Monate im Internat – 16 Jahre alt war ich damals und über Regeln habe ich zu dem Zeitpunkt wenig nachgedacht. Ich weder pro noch kontra Regeln. Sie waren mir meistens einfach egal. Hat es zu mir gepasst, habe ich mich an die vorgegebenen Regeln gehalten. Problem los.
Hat es nicht zu mir gepasst, habe ich die vorgebenenen Regeln entweder gar nicht erst wahrgenommen oder direkt ignoriert. Problem los.
An manchen Regeln bin ich auch problemlos vorbeigelaufen. Wie an dem Schild auf der Aulawiese.
Überqueren verboten!
Die Aulawiese der Marienhöhe, eine quadratische Fläche, umrandet von einem Weg. Man stelle sich das vor, Startpunkt unten links, Zielpunkt oben rechts. Der direkte Weg führte diagonal, über die Wiese, von unten links nach oben rechts. Dabei entstand ein neuer Weg – in diesem Fall, ein Trampelpfad auf dem gepflegten Rasen.
Schul- und Heimordnung wollten keinen Trampelpfad auf der Aulawiese, daher stand dort ein Schild, und eventuell stand „Überqueren verboten“ darauf. Eventuell waren es auch andere Wort. Klar in Erinnerung habe ich, dass es ein rotes Schild war. Rot ist ja Stopp. Gefahr. Rot ist bei mir – Neugierde. Ich bin der kleine grüne Drache und roter Knopf ist Abenteuer… Roten Knopf ist Höllenfeuer …
Die Hölle ist hier auch ausgebrochen. Die Worthölle, eine Strafpredigt, und das, wo ich schon am Wochenende ungern in die Predigt gegangen bin – Ich mag das nicht so, wenn mir allmächtig von oben gepredigt wird, wie ich zu sein habe, damit ich nicht ewiglich verdammt werde. Aber keine Sorge, ich wollte hier nicht ins Religiöse überziehen. Oder ins Politische. Beides hat für mich hier, in dieser Form, keine Relevanz.
Ich wurde erwischt. Beim wiederholten Überqueren der Aulawiese auf dem direkten Weg. Quer. Alles niedertrampelnd, was dort zart wachsen wollte. Es war ein Unsinn. Und der Unsinn war mit mir nicht alleine. Wir liefen alle quer über die Wiese, oder zumindest – einige von uns.
Mit meinen 16 Jahren hat sich mir nicht erschlossen, was so dramatisch an einem Trampelpfad ist. Und warum ich den Umweg nehmen sollte. Viel schöner war mir ein Weg, an dem ich auch links und rechts direkt ins Gras fallen konnte, wenn mir danach war. Es war mir also – völlig egal. Und die Strafe (in dem Fall irgendeine Strafarbeit, die ich vergessen habe, vermutlich habe ich dafür eine Ausgangssperre bekommen oder ein paar zusätzliche Toiletten gereinigt) war mir auch egal. Siehe Hinweis, dass ich es vergessen habe. Was ich tun durfte.
Ich erinnere nur, dass ich überrascht war. Trotz Warnschild in roter Farbe habe ich diese Regel nicht ernstnehmen können. Sie dünkte mir als schlechter Witz.
Ähnlich erging es mir mit manchen Lehrenden und oft auch im Lernenden. Mathematik wuchs mir regelrecht über den Kopf. Deutsch war fabulierend. Das war wunderbar. Dennoch gab es auch hier Regeln. Wann man einen Punkt macht. Oder ein Komma setzt. Oder groß oder klein schreibt. Ich habe – irgendwann zwischendrin einfach mal alles klein geschrieben, einfach so, um zu sehen, was passiert 😉
Ich habe auch – mit Kugelschreiber geschrieben, obwohl es verboten war, das zu tun. Es war mit einem Füller zu schreiben. Das ging allerdings gar nicht für mich – es sah zum weglaufen aus und fühlte sich zum weglaufen an. Das lag eventuell an der aberzogenen Hand – ich kann bis heute nur schlecht mit einem Füller in der rechten Hand schreiben. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn ich dauerhaft wieder mit links schreibe. Ob dann ein Füller gehen wird? Und falls nicht – ich schreibe gerne mit dem Kugelschreiber.
Meine Lehrenden wollten mir den Füller quasi überstülpen. Sinnhaft erklären, warum ich in keinem Fall mit einem Kugelschreiber schreiben darf, konnten sie dabei nicht. Es ging wohl um die Ordnung. Einen Füller kann man auslöschen. Einen Kugelschreiber nur durchstreichen. Das sieht einfach nicht so schön aus im Heft und in einer Arbeit.
Wahrlich. Ich sage euch. Regeln sind nicht so meins. Und im Brechen bin ich ziemlich gut –
Gewesen. Damals war mir das wirklich Banane. Ich war viel zu sehr bei mir, als noch wahrnehmen zu können, was mein um mich von mir erwartet. Ich erwartete, dass das um mich nichts erwartet.
Ich ahne, ich darf mich glücklich schätzen, meine Kinder sind völlig harmlos im Vergleich zu mir 😉
Ich kann auch über vieles hinwegsehen, weil ich weiß, rote Schilder mit „nicht überqueren“ funktionieren in meiner Familie nicht 😉
Neue Wege gehen
Ich finde es spannend, neue Wege zu gehen. Grundsätzlich gehe ich gerne abseits eines Weges, um zu sehen, was es dort noch spannendes geben kann. Im Joggen suche ich mir immer mal neue Wege, quer durch den Wald, gerne Trampelpfade. Da laufe ich deutlich langsamer, achtsamer, aufmerksamer und bin wacher, entspannter. Ich mag das. Breite Ausfallwege im Wald langweilen mich und ziehen sich dann wie Kaugummi. Ich verliere Energie im geradeaus laufen.
So wie im Homeoffice. Da verliere ich auch eine Menge Energie. Das beschäftigt mich heute schon wieder – es ist eine so tiefe Erkenntnis, so ein Erleben meiner Selbst, dass es mich total verblüfft. Dass ich das nicht vorher erkannt habe.
Ich habe mich die letzten Jahre im Homeoffice gequält, weil ich es an mich anpassen wollte. Mich auch so gut fühlen wollte wie Andere. Fast habe ich mich schlecht gefühlt, weil, Homeoffice ist die beste Erfindung seit – genau! Wie kann ich denn das nicht geil finden.
Ja, wie kann ich? So undankbar sein und wieder ins Büro wollen? Gute Frage …
Übrigens, SEI DANKBAR ist für mich der Trigger schlechthin. Ich weiß, dass Dankbarkeit Wunder bewirken kann. Ich bin im Leben aber zu oft durch die „sei dankbar“-Schule gegangen. Sei dankbar, andere haben keine Aulawiese …
Sei Dankbar ist ganz eng verknüpft mit meinem Vergleichen. Es ist immer vergleichend eingesetzt worden. Sei dankbar, andere haben noch weniger. Sei dankbar, andere wären froh. Sei dankbar, es geht dir doch gut.
Seid dankbar, ich höre jetzt hier auf 😉
Es lohnt, ab und an quer über die Aulawiese zu gehen. Das hält wach im Kopf, weil man immer versucht, sich nicht von Pacmann erwischen zu lassen.
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