Seit März leben wir in einem Schwebezustand. Unklar, wie es weitergehen wird. Unsicher, was wir wollen. Unentschieden, welchen Weg wir gehen werden.
Heute hebt sich dieser Zustand aus der Schwebe, gewinnt an Klarheit. Ich kann endlich weitergehen und mit mir meine Kinder.
Wir verkleinern uns. Neben Kind 1 und 2, die bereits seit einigen Jahren in eigenen Wohnungen leben, verlässt jetzt auch Kind 3 zumindest überwiegend das Nest. Er hat sich dafür entschieden, beim Vater zu wohnen.
Nicht von jetzt auf gleich – es ist eine gut überlegte Entscheidung, die uns ein paar Monate hat verharren lassen. Das war kein schöner Zustand – vermutlich für niemanden von uns. Hinter diesen Dingen, einer solchen Entscheidung, stehen auch Entscheidungen der Eltern.
Ich tauche – aus einem Wechselbad der Gefühle auf. Anfang des Jahres war es schwierig mit uns, ich habe nach Lösungen und Veränderungen gesucht. War überfordert von der geballten Unlust und der Verweigerung meines Sohnes. Kein Schritt ging ohne Diskussion. Das Leben fühlte sich vergiftet an, für alle Beteiligten.
An manchen Tagen ein warmes, liebevolles und dennoch toxisches Zusammenleben. An anderen Tagen offen schwierig.
Es folgten Testphasen beim Vater, wieder bei mir, beim Vater und jetzt die finale Entscheidung – darauf folgen Prozesse wie Ummelden, Kindergeld, Unterhalt berechnen.
Alles Themen, die im Vergleich sehr einfach sind. Dinge, die einem ein gutes Gefühl geben, da man sie erledigen, abhaken kann. Sie sind klar.
Die Gefühle, die bis heute in der Schwebe hingen, lassen sich nicht so einfach einordnen, planen, bearbeiten. Sie sind total erschöpft. Hingen irgendwo überm Feld und lassen sich jetzt seufzend nieder. Gestreichelt von einem warmen, weichen Wind. Sich zwischen Gräsern wiegend.
Liegen auf dem Rücken, schauen in die Wolken, die träge vorüber ziehen, und fragen sich – was fühle ich? Was fühle ich nach diesen Monaten im Ungewissen? Bin ich erleichtert? Traurig? Zerrissen?
Habe ich verloren? Am Ende mein Kind verloren? Hatten wir zu viel Streit, habe ich nicht gut genug kommuniziert, war ich nicht ausreichend als Mutter?
Fragen, die ich mir gestellt habe. Fragen, die sehr zu mir und meinen Glaubenssätzen gehören. Nicht gut genug zu sein. Versagt zu haben.
Tatsächlich geht es nicht um mich. Es geht um ihn. Er braucht eine Veränderung, um wachsen zu können. Ich brauche eine Veränderung, um wachsen zu können. Ich entwachse der Verantwortung, gebe sie auch räumlich an ihn und ziehe mich zurück. Ich werde nicht mehr von der Schule angerufen, ich diskutiere nicht mehr über Hausaufgaben, ich ärgere mich nicht mehr über das dreckige Geschirr im Zimmer –
Ich bin entschlossen, diese Situation zu unser aller Besten zu gestalten. Ich bin sicher, die Beziehung zwischen mir und ihm und den Geschwistern, die weiterhin bei mir sind, wird sich verbessern. Ich sehe klar, was die nächsten Schritte sein müssen.
Und ich feiere den Zustand, dass mein Sohn ebenso klar sieht und eine Entscheidung für sein Leben fällen konnte. Er ist 16. Ich bin mit 16 ausgezogen bei meinen Eltern und ins Internat gekommen. Ich halte das für ein gutes Alter für Veränderung!
Aus der Schwebe folgt keine Bruchlandung, sondern eine weiches Abfedern, erleichtertes Aufatmen und ein in Bewegung setzen. Andere Dinge kommen parallel in Bewegung. In der Wohnung werden Zimmer getauscht, im Job kommen neue Ideen und der Wunsch nach einer Veränderung. Der richtige Zeitpunkt, um aus der Schwebe zu kommen – ist Jetzt!
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