geschenkt

Vorgestern stellte ich fest, dass ich nicht weiß, wie ich gesund geworden bin. Heute frage ich mich, ob. Bin ich überhaupt schon gesundet? Oder sagen wir, welche Teile sind gesund und an welchen darf ich noch arbeiten? Und was lösen die Anteile aus, die noch im Teenagermodus vor sich hin poltern? Verletzt und maximal böse, auf der Suche nach Vergeltung? Du hast mich gehauen. Verdammt. Jetzt haue ich dich zurück!

Mich erwischt es mitunter völlig unvorhergesehen. Und vermutlich braucht es auch genau das – Mitten auf die Zwölf – für die klare Sicht. Mein Geschenke-Thema nehme ich wohl mit ins neue Jahr. Es ist ein sehr belastetes Thema. Ich bin käuflich. Das fühlt sich nicht so toll an. Man kann mich mit Geschenken kaufen, zumindest in Teilen. Ich kaufe mir Gesehenheit. Es sind so viele verschiedene Themen auf einem Haufen, und oben drauf steht das gesehen sein. Ich klettere auf den Berg von Themen und stelle mich oben drauf und winke. Hallo! Hier stehe ich! Ich will gesehen sein! Ich will Wertschätzung, gerne mit Wert. Auch ohne Wert nehme ich das gerne. Aber bitte freiwillig und von Herzen, und nicht etwa, weil ich danach gerufen habe. Ihr versteht? Ich suche ECHTE Wertschätzung. Keine ertrotzte Wertschätzung. Keine gekaufte Wertschätzung. Die fühlt sich schal an. Schale Wertschätzung möchte ich nicht tragen.

Seit meinem Geburtstag im Mai arbeite ich an dem Thema WERT und SCHÄTZUNG. Ich hatte mir angewöhnt, den Wert des Geschenkes zu bemessen in “ich bin viel wert”, “ich bin wenig wert” und in “ich bin nichts wert”. Diese Muster kommen aus meiner Kindheit und aus einem meiner tiefsten Themen. Mir ist bewusst, dass es nur eine Person gibt, deren Wertschätzung ich brauche, und dass diese Person ich selbst bin. Mir ist ebenfalls bewusst, dass das DIE Aufgabe im Leben ist, und dass es dafür auch andere Wörter gibt, die mit Selbst beginnen. Selbstwertgefühl. Selbstbewusstsein. Selbstliebe. Selbstsicherheit. Alles miteinander verbunden, alles im Mangel in mir selbst. An allem arbeite ich. Es ist mir sehr wichtig, mir selbst auf der Spur zu bleiben. Mir selbst Sicherheit zu geben. Mich selbst zu aktzeptieren, wie ich bin, um im nächsten Schritt sagen zu können, dass ich mich selbst liebe.

Mein Lebensthema! Ich bin schon mit Mangel groß geworden. Taub für Liebe. Mit viel Platz für Geschenke, zum Beispiel. Und für Essen. Irgendwann habe ich begonnen, mich selbst zu füttern. Damit das innen drin eine Weile beschäftigt ist und weniger laut nach oben drängt. Die Liebe, die fehlt, habe ich gegessen. Und eingekauft. Hier ein bunter Teller, dort ein Buch, da ein Kleid und ab und an auch Bettwäsche, um mir selbst das Gefühl zu geben, dass das in jedem Fall vertretbar ist. Bettwäsche, das braucht man zumindest wirklich! Bunte Teller, von denen zu essen, naja, mir war schon bewusst, dass ich keine weiteren bunten Teller benötige …

Seit diesem Jahr bekomme ich die Themen besser in den Griff. Das Fasten hilft mir viel, mit mir selbst in Resonanz zu gehen und in den Abgrund zu schauen. Und ihn zu füllen, mit Ruhe, mit Liebe, mit guten Gedanken. Raus aus dem Mangel. Nicht essen. Keine Genussmittel. Kein Kaffee. Keine Schokolade. Kein Social Media. Und keine Einkäufe. Nur das Notwendige. Und ein Mittagsschlaf.

Auch auf meine Finanzen lege ich den schmerzenden Finger. Direkt in die Wunde. Ich, die ich keine Vorsorge für mich getroffen habe. Die ich einfach immer weiter lebe, mein Geld ausgebe, die Kinder und mich versorge. Nie etwas gespart habe. Vermutlich werde ich von Altersarmut betroffen sein, und das nur, weil ich nie gelernt habe, mich gut um mich zu kümmern. Es mangelt.

All das passiert in kleinen Schritten. Ich gehe voran, ich werde auch im kommenden Jahr weiter an diesen wunden Punkten arbeiten. Mich bewusst dem Mangel aussetzen. Wieder Fasten. Gleich schon im Januar ist das geplant, weil ich weiß, dass ich gerade nach Weihnachten und Silvester auf eine Reise gehe. Und ich will die Reise bewusster angehen. Wenn meine Psyche schon besonders belastet ist im Januar und Februar, und wenn ich das bereits weiß, weil es jedes Jahr so ist – dann darf ich darauf achten und mich vorbereiten. Ich darf Mittel und Wege finden, um es mir leichter zu machen. Und Fasten ist eines der Mittel, mit dem ich mich auf den weiteren Weg begebe.

Und dann.

Passiert, was ich nicht geplant hatte. Ich, die jetzt sagt, ich bin einfach froh über ein Geschenk und es ist völlig egal, ob es groß oder klein ist. Gekauft oder gebastelt. Gemalt oder aus der Zeitung ausgeschnitten. Es kommt nur darauf an, dass da jemand an dich oder mich gedacht hat. Sich liebevoll Gedanken gemacht hat. Auch eine Umarmung ist ein Geschenk. Nähe. Zeit. Gemeinsam Lachen. Damit will ich zufrieden sein.

Das hat bisher ganz gut geklappt. Was ich noch nicht auf dem Schirm hatte, ist, dass es Menschen gibt, die es schlicht und einfach vergessen. Die mich vergessen. Die Weihnachten verpennt haben und feststellen, huch, wir haben kein Geschenk für unsere Mutter. Egal. Dann tun wir so, als sei nichts …

Und dann sitzt man da und ist die, die kein Geschenk bekommt von K3 und K4. Und obwohl ich älter bin als die beiden, und damit wie eine Erwachsene umgehen können sollte, kann ich es doch nicht. Es tut sofort weh. Ein Gefühl von “ich bin egal”. Ein Gefühl von “ich bin nichts wert”. Dazu ein wenig Wut, weil ich alles tue. Stunden in der Küche stehe, Stunden vorher einkaufen war, die Wohnung aufräume, eine schöne Athmosphäre einziehen lasse. Ich gebe auch darüber hinaus, an vielen anderen Tagen, sehr viel. Und irgendwie ist da eine Erwartung, die sich wünscht, dass es eine selbstgebastelte Karte gibt. Oder eine Tafel Schokolade. So schwer ist es ja gar nicht. Und vielleicht gerade deshalb so schwer?

Ich konnte mir das gestern nicht verkneifen, es zu formulieren. Zu sagen, Hallo, das tut mir weh! Ihr habt mich vergessen! Was bin ich euch wert? War das Absicht, oder kann das weg? Wolltet ihr mir weh tun? Wenn ja, warum? Sollten wir darüber reden? Was soll das?

Und, dazu die nächste Frage, reagiere ich über? Sind Geschenke wirklich notwendig? Sollte es nicht gut sein, einfach, miteinander zu sein und sich aneinander zu freuen? Warum will ich Geschenke? Warum bin ich so hohl und leer innen drin? Oder ist mein Gefühl doch gerechtfertigt? Was ist da los, in mir, mit mir? Und mit meinen Kindern, die mich vergessen haben?

Eine ganz gesunde Larissa hätte wohl einfach sagen können, dass das uncool war und sie das nächste Mal darauf achten sollen, auch an ihre Mutter zu denken. Weil es einfach schön ist. Ein Geben und Nehmen.

Das konnte ich leider nicht. Also, ja, das habe ich formuliert. Ich musste aber zusätzlich weinen und mich ärgern, wütend werden und an mir zweifeln. Damit habe ich mir selbst weh getan.
Immerhin konnte ich zeigen, wie verletzt ich bin. Weil ich übersehen wurde. Und ich kann zugeben, dass ich mich dafür schäme. Ich kann aber auch formulieren, dass man auf diese Verletzlichkeit bitte Rücksicht nehmen möge. Mit 15 und 17 darf das schon drin sein. Dass man versteht, die Mutter mag bedacht werden, mit ein paar lieben Worten oder einem kleinen Geschenk. Sie möchte nicht daneben sitzen, farblos und ungesehen. Sie möchte auch geliebt werden. So wie sie euch liebt, möchte sie zurückgeliebt sein. Eine einfache Umarmung und ein “Sorry, wir haben dein Geschenk vergessen” hätte mir schon gereicht. Das aber konnten sie erst heute sagen. Nachdem alle ein wenig geweint hatten deswegen.

Und Weihnachten, es geht doch wirklich nicht um die Geschenke! Warum geht es mir denn so sehr um die Geschenke? Aber – die Antworten stehen alle schon oben. Und – ich darf mir das immer und immer wieder durchlesen und mir langsam aber sicher das Wachstum zutrauen. Dass ich doch noch erwachsen werde. Und meine Bedürfnisse formulieren lerne, ohne dabei in Tränen auszubrechen. Bitte zeigt mir eure Liebe. So, dass ich sie fühlen kann. Ich habe da eine dicke Narbe quer über dem Herzen sitzen, und Narbengewebe ist leider taubes, totes Gewebe. Da fühlt sich nichts mehr. Nur die Verletzungen, die zur Narbe geführt haben, die kann ich immer noch spüren. Auch im toten Gewebe ist der Schmerz noch gefangen.

Scheiß Geschenke. Die Geschenke meiner Eltern waren Schläge. Damit ich ein besserer Mensch werde. Und Schläge, damit ich nicht mehr lüge. Schläge, damit ich mein Zimmer aufräume und Schläge, damit ich nicht mehr klaue. Ganz viele Schläge, alle zu meinem Besten. Damit ich nicht so schlecht werde, wie ich schon bin. Ein schlechter Mensch. Wer schenkt schon einem schlechten Menschen Aufmerksamkeit? Warum sollte jemand mit einem schlechten Menschen wie mir Zeit verbringen wollen? Warum sollte jemand einem schlechten Menschen ein Geschenk machen?

Ja, ich provoziere mich selbst. Damit mir bewusst wird, wie bescheuert das klingt. Im Grunde sind Geschenke unwichtig. Aber – nicht für mich. Für mich sind Geschenke wichtig. Ich schenke gerne und ich bekomme gerne Geschenke. Ich mache mir regelmäßig Gedanken darum und liebe es, wenn die Beschenkten sich über ihre Geschenke freuen. Es ist meine Sprache der Liebe. Und ich bin wichtig. Daher sind Geschenke wichtig. Wie gesagt – sie müssen nicht groß sein. Sie müssen nur einfach da sein.

Die Jungs kamen heute mit ihrem Geschenk um die Ecke. Mit einer Entschuldigung und einem aufrichtigen “Es tut uns leid”.

Am Ende lernen wir wohl Alle etwas daraus. Auch, wie man mit den Bedürfnissen anderer Menschen umgeht. Auch, das kein Gefühl herabgesetzt werden darf, als unwichtig. Weder meine Bedürfnisse noch die der Kinder. Wir alle dürfen dabei lernen, Rücksicht zu nehmen. Und wenn ein Teil sich Geschenke wünscht, sollte es nicht so schwer fallen, eines zu machen. Weil jede positive Geste, und sei sie noch so klein, dabei hilft, wirklich gesund zu werden.

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