heute gebe ich an!

Nachdem ich jetzt mehrere Iterationen zum Thema Angeben in meinem Kopf durchgespielt habe, komme ich langsam zu einem Ergebnis. Ich muss mehr angeben! Ich brauche mehr Angeber-Gene und weniger Demuts-Gene.

Meine Genetik ist geprägt von einer unsicheren Mutter, die keine Angriffsfläche für die Nachbarschaft bieten wollte. Also wurden stetig die Fenster geputzt und man war leise – was sollen sonst auch die Nachbarn denken? Leise spielen, leise singen, leise sein. Es war meiner Mutter sehr unangenehm, wenn ich die Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe. Sie fühlte sich von mir ins Lampenricht gerückt. Da wollte sie nicht stehen –

Also, Arbeitsanweisung: sei leise und bescheiden! Das ziert sich nicht, so auffällig zu sein.

Demut, Bescheidenheit, Ruhe und Dankbarkeit. Das haut mich immer noch von den Socken.

Ich habe jede Menge Scham und Demut kennengelernt als Kind. Bei meiner Mutter bin ich mal in die Umkleidekabine reingelaufen, ich weiß gar nicht mehr, wie alt ich da war. Neun, vielleicht. Sie hatte eine Strumpfhose und ein Oberteil an. Dennoch ist sie vor Schreck und Scham fast umgefallen. Es war ihr sehr unangenehm. So unangenehm, dass sie tatsächlich laut wurde und mich tadelte. Man platze nicht einfach so in die Umkleidekabine hinein. Man dürfe seine Mutter nicht “so nackt” sehen. Das gehöre sich nicht. Ich solle mehr Respekt haben.

Spannend, ich habe mit 9 Jahren begonnen, mich selbst zu befriedigen. Ich wusste allerdings gar nicht, was ich da tue. Wie ein junger Hund, der sich am Hosenbein reibt. Tja – auch dafür gab es übrigens Schläge. Weil, das tut man nicht. Was genau man nicht tut, wurde mir leider nicht gesagt. Und fragen konnte ich auch nicht – das war ja noch respektloser.

Ich hab quasi voll einen an der Klatsche. Ganz wörtlich gemeint.

Heute kann ich ein wenig darüber schmunzeln. Und Mitgefühl haben. Mit mir selbst.

Tatsächlich bin ich also in Demut erzogen, dazu, still zu sein, dankbar und freundlich. Und bescheiden. Bescheidenheit ist eine Zier, doch ich kann auch ohne ihr.

Heute bin ich voll die Angeberin!

Ich lob mich jetzt mal über den grünen Klee, für all das, was ich heute geschafft habe. Und das Heute steht für alle Tage, weil ich an allen Tagen toll bin! Ich sollte mir viel öfter mal ein “Toll” Schild auf die Stirn kleben.

Heute!

  • beim HNO gewesen wegen meiner großen Perforation in der Nasenscheidewand
  • direkt einen Anschlusstermin zur Vorstellung in der HNO Klinik vereinbart
  • okay, der ist erst im August, aber immerhin – ich habe einen Termin gemacht!
  • Termine machen fällt mir nicht leicht, daher feiere ich mich schon allein deshalb!
  • Ich habe in einem Buch gelesen, Storytelling – das will ich schon die ganze Zeit “weiterlesen” und doch tue ich es selten
  • zwei wunderbare Kommentare im Forum von “28 Tage” habe ich auch bekommen und beantwortet – das war ein ganz persönliches Highlight meines Tages!
  • Ich habe den TED-Talk von Barbara Sher zumindest angefangen zu schauen – sie spricht ein wenig undeutliches Englisch, ich brauche dafür viel Konzentration
  • Auf der Arbeit habe ich mir dank einer guten Anleitung und meines “ich lerne gerne beim Tun” Ansatzes selbst beigebracht, wie ich unsere Blog-Posts anfassen, ändern, umgestalten kann
  • auf GitHub!
  • Das ist so eine Umgebung für Entwickler, mit kryptischen Zeichen, nennt sich: Code
  • Ich habe keine Ahnung von Code – ich habe eher sehr viel Respekt vor Code, ich könnte ja was kaputt machen. Dazu reicht mitunter einfach ein Leerzeichen an der falschen Stelle …
  • Ich habe heute einen Fehler gemacht, natürlich direkt auf GitHub …
  • Und dann habe ich ganz allein herausgefunden, wo der Fehler liegt und wie ich ihn beheben kann –
  • Ich habe einfach einen anderen Blog-Artikel in der Entwicklungsumgebung geöffnet und mir angesehen, wie es da funktioniert
  • das habe ich dann direkt für meinen Fehler angewandt
  • Hat super funktioniert!
  • Ich fühle mich jetzt voll wie der Mega-Brain!
  • Tatsächlich weiß ich und es tröstet mich oft:
  • DAS ICH ALLES LERNEN KANN, WAS ICH LERNEN WILL!
  • Alles, wirklich!
  • Sogar Quantenphysik
  • Ich betone allerdings das WILL –
  • Ich WILL auch alles lernen, und deshalb bin ich immer mal total Stuck. Weil ich mich nicht entscheiden kann, was ich ZUERST lernen will. Oder, sollte.
  • WILL ist immer auch ein MUSS –
  • Ich kann alles lernen. Ich will alles lernen. Wenn es wirklich dringend notwendig ist und ich nicht mehr drumherum komme, dann fange ich sogar WIRKLICH an zu lernen 😉
  • Das dazu –
  • Ich kann damit leben. Im Zweifel hole ich mir den Druck von außen, damit ich ein Diamant werden kann
  • Ich habe natürlich noch andere Dinge getan heute:
  • Aufstehen, Frühstück machen, meinen Sohn zur Schule begleiten
  • Einen Spaziergang
  • Gearbeitet inklusive Vertriebsstrategie besprochen, Landingpage umgetextet, FAQ geschrieben und besagtes Blog-Learning von oben inhaliert
  • zweimal Wäsche gewaschen
  • zwei Essen zubereitet, einmal Mittags, einmal Abends
  • Mit K5 gelesen und K4 motiviert, wieder aus dem Bett zu finden
  • K4 ist nämlich noch krank – Schnupfen!
  • Und jetzt geht es ihm schon viel besser, er kann wieder zocken 😉
  • Bedeutet: der geht morgen auch wieder in die Schule!

So. Bin zufrieden. Bin voll die Macht!

So. Bin außerdem leicht müde. So ein kleines bisschen. Angeben ist gar nicht so einfach. Ständig will ich “ist doch kein Ding” tippen. Dabei ist es ein Ding. Mein Ding. Mein Leben. Jeden Tag. Tempo.

Ich habe heute vergessen, bewusst zu atmen. Verdammt. Ich wusste doch, da war noch was!

Es war also doch kein perfekter Tag. Das ist allerdings völlig egal, weil es gar keine perfekten Tage gibt. Was heißt das schon, perfekt? Ich liebe ja unperfekte Tage, laut dürfen sie sein, und bunt. Das sind meine Lieblingstage. Also war es heute doch ein perfekter Tag. Ein Lieblingstag!

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