linkes Gemüse!

Das mache ich doch mit links! Sagte sie, und meinte, ach, das ist so simpel, das mache ich auch mit verbundenen Augen. mit links. mit verbundenen Augen. im Schlaf. Alles sehr abwertende und mitunter auch verletztende Äußerungen.

Denk dir, du bist vielleicht unsicher in Punkt X und dein Kollege kommt und lacht und sagt, ach komm, X, das mache ich doch mit links. Und dann? Wie fühlst du dich dann? Lachst du auch oder nagt es innerlich an dir, weil du halt mit links eher nix, Satz mit X?

Ich selbst möchte Dinge auch mit links machen können. Ganz einfach! Ganz easy! Ich möchte auch – Dinge besser machen können als andere, gerne mit links, aber auch mit rechts, egal, wie. Hauptsache, das. Gerade beobachte ich bei mir, vor allem im Job, das Folgende:

  • ich will besser sein als andere
  • ich will gefeiert werden für das, was ich tue
  • ich will unersetzbar sein
  • ich will Respekt, weil ich mich aufopfere
  • ich will zeigen, dass ich belastbarer bin, als der Rest

Warum will ich das? Woher kommt das? Warum tue ich das immer und immer wieder? Von Teamplay ist ein solches Verhalten sehr weit entfernt. Und ein reflektiertes Selbstbild sieht so ja auch nicht aus. Wobei, zum reflektieren hatte ich in den vergangenen Wochen wenig Zeit. Nach den Sommerferien ging es rasant los und knallte, Tag für Tag. Mehrere Aufgaben, gleichzeitg, viele unterschiedliche Handlungsfäden, alle beisammenhalten. Keinen Faden fallen lassen. Keine Knoten rein basteln. Kein Wirrwarr in den Wollknäueln. Nach Möglichkeit auch, keinen Handlungsfaden zu früh abschneiden. Und, alle Fäden gescheit kommunizieren.

Dabei habe ich vergessen, dass ich ein Team habe, das mich unterstützen kann. Wenn ich so im Tunnel bin, achte ich wenig auf links oder rechts, ich manövriere mich so durch. Dabei kann es passieren, dass ich anderen das Gefühl gebe, nicht sonderlich wertvoll für mich zu sein. Menschen, die helfen wollen und denen ich dann mitteile, sorry, bis ich dir erklärt habe, was du mir helfen kannst, habe ich es zweimal selbst getan …

Wer kennts?

Heute vormittag habe ich Gemüse geschnippelt, siehe Bild. Ganz klein! Für unsere Lasange. Ich habe mir die Zeit genommen, das mit links zu tun. Seit letzter Woche schnippele, schneide und schmiere ich weitestgehend mit links. Ich konzentriere mich darauf, diese Arbeitsschritte jetzt immer mit links zu tun. Wenn es so viel Gemüse ist, wie heute morgen, tut dann durchaus auch die Hand und vor allem der Zeigefinger weh. Vom Messer herunterdrücken. Ich ahne, ich muss echt mal wieder die Messer schärfen 😉
K5 wollte mir gerne helfen, beim Gemüse schneiden. Da ich aber selbst schon deutlich langsamer war als sonst und mein Zeitplan keine weitere Verlangsamung vorgesehen hatte, habe ich ihm mitgeteilt, dass er mir heute nicht helfen könne beim Schneiden. Weil – also, er kann schon ganz gut hartes Gemüse schneiden, allerdings halt in völlig unterschiedlich große Stücke. Gleichbleibend klein ist nicht. Und wenn die Stücke zu groß sind, muss ich sie danach kleiner schneiden, damit das im Sugo nicht als “ih, was das, das esse ich nicht” auftaucht. Es soll klein sein. Für eine Kartoffelsuppe, auf die ich hinterher den Stabmixer halte, ist mir das egal. Da kann er schneiden wie Kraut und Rüben.

Hier aber – wollte ich keine weitere Verzögerung. Und auch keine zusätzliche Arbeit. Das erlebe ich halt auch im Job öfter. Da will jemand helfen, der (noch) nicht weiß, wie überhaupt. Und dem kann ich dann nicht mehr alles erklären und zeigen, weil mir selbst die Zeit fehlt. Es soll ja fertig werden! Und so ging das die letzten Wochen durchgehend. Kein Wunder – bin ich jetzt müde, mir tut Hand und Hirn weh. Und kein Wunder – sind die Anderen genervt, weil, sie hätten ja geholfen, wenn ich sie nur gelassen hätte.

Mit K5 habe ich da heute eine andere Möglichkeit gefunden. Er durfte beim Anbraten in der Pfanne helfen und hat fleißig umgerührt. Außerdem später beim Einschichten der Zutaten in die Auflaufform. Er legt besonders gerne die Lasagneblätter rein. Und am Ende hat er die Bechamel verteilt. Ich musste noch ein wenig nachbessern, da ich aber im Prozess dabei war, war das nicht schwierig für mich und ich konnte es ihm auch zeigen: “Schau, da in der Ecke fehlt noch Bechamel. Da müssen wir auch noch was hin tun, sonst verbrennt die Lasagneplatte an der Stelle und das schmeckt dann nicht so gut.”

Das hilft ihm. Bei der nächsten Lasagne wird er es schon etwas besser können. Ich lerne ja auch jedes Mal noch dazu, auch ich brauche Übung. Einmal im Monat mache ich dieses aufwendige Essen, und so langsam gelingt mir das auch mit links!

Im Job wünsche ich mir, dass ich Dinge aus der Mitte erledigen kann. Ruhend in mir, ohne dieses linksgetriebene “ich zeige dir, wie toll ich bin”. Es gibt keinen Grund, es allen beweisen zu wollen – ich bin gut so, wie ich bin. Ich muss nicht noch mehr arbeiten, noch mehr leisten, mich noch unentbehrlicher machen. Das ist unnötig. Ich kann mein Wissen in Ruhe teilen und Andere befähigen, meinen Job tun zu können. Und ich tue dahin morgen den ersten Schritt, indem ich die vergangenen Wochen und Learnings aufschreibe und ablege. So, dass die Kollegen es nachlesen können. Und vielleicht auch verstehen können, warum es gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Es musste schnell gehen. Wenn es brennt, kann ich nicht noch erklären, wo man das Wasser zum Löschen herbekommt und wie man den Schlauch halten muss.

Für die Zukunft ist es wichtig, dass ich lerne, rechtzeitig Menschen anzulernen. Damit ich im Falle eines Falles nicht alleine vor dem brennenden Haus stehe. Oder, schlimmer noch, alleine ins brennende Haus hineinrenne. Ein Held, das wollte ich ja auch immer sein. Meine Psyche findet das Heldentum zum Heulen. Das hat sie mir gestern sehr deutlich mitgeteilt.

Sei achtsam, sagt sie.
Kümmere dich um Andere, sagt sie.
Zeige ihnen, was du tust, wie du es tust und lass sie lernen.
Zeige ihnen, wie es dir geht, damit sie dich verstehen können.
Sei liebevoll mit dir selbst, du bist nur einmal.

Ich möchte mich nicht mehr beweisen wollen. Ich habe ein Arbeitsumfeld, wo das auch gar nicht nötig ist. Und dennoch tue ich es. Als sei ich nur gut, wenn ich besser bin. Besser als Andere. Am Besten noch, kann ich auch alles. Alleine. Ganz vorne will ich stehen. Boar, bin ich anstrengend! Ich hätte auch ein Problem mit mir, wäre ich meine Kollegin 😉

Alles in allem geht es mir heute besser. Und ich sehe, was die letzten Wochen zu kurz gekommen ist. Meine Auszeiten. Meine Ruhephasen. Ich war zwar auch mal in der Sauna und auch mal beim Sport, aber die täglichen Aufmerksamkeiten habe ich ausgeschlichen. Das tägliche Schreiben. Das tägliche Planen. Das tägliche Aufräumen. Das tägliche Fußbad.

Jetzt wird es Zeit für das Tägliche. Für die Dinge, von denen ich weiß, dass sie wichtig für mich sind. Ja, ich kann ein paar Tage ohne sie auskommen. Nein, eine gute Idee ist das niemals. Es ist nunmal so, wer einmal Depressionen hatte, der wird den Rest seines Lebens achtsam sein dürfen mit sich selbst. Es gibt einige Faktoren, die meine Depressionen befeuern. Auf die darf ich aufpassen. Und es fließt am Ende immer alles zusammen. Zu viel Social Media, zu viel Schokolade, zu viel Überheblichkeit (ach, das kann ich doch alles, ach, ich brauche keinen Plan, ich weiß ja, was zu tun ist … ) und zu viel Bequemlichkeit bringen mich dahin, wo ich gestern war:

Wütend, erschöpft, müde, voller destruktiver Gedanken, bissig, aggressiv. Richtig sympathisch, so alles im allem 😉

Ich bin im übrigen stolz auf mich, weil ich niemanden angeschrieen und niemanden nachhaltig verletzt habe. Ich habe meinen Kindern sehr deutlich gesagt, wie es mir geht und mich nachmittags dann auch mal ins Bett gelegt, um zu schlafen. Das waren sehr weise Entscheidungen. Hätte ich eine Erkältung gehabt, hätte ich mich wohl auch ins Bett gelegt und darum gebeten, mich in Ruhe zu lassen. So habe ich gesagt, dass ich erschöpft und müde bin und mir die Kraft fehlt, fröhlich lachend durch den Tag zu tanzen. Dass mir sogar die Kraft für ein normales Gespräch fehlt. Das man mich bitte in Ruhe lassen möge. Und zum Glück ist mein jüngstes Kind inzwischen auch schon 8 Jahre alt und kann durchaus alleine mit sich Lego spielen. Er braucht mich nicht mehr so sehr, wie er mich gebraucht hat, damals, als ich wirklich dauerhaft krank war. Und das ist gut so! Ich hoffe dabei immer sehr, dass die Kinder die Schuld nicht bei sich selbst suchen. Sie haben es nicht immer leicht, mit einer Mutter, die anders krank ist. Es bleibt die Hoffnung, dass sie resilient genug heranwachsen, um später gut für sich selbst sorgen zu können.

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