Ich bin wütend und weiß nicht, warum. Ich laufe durch die Gegend, fahrig, ziellos, mit dem Impuls, ständig gegen Türen zu treten, mit Gläsern oder Worten zu werfen, treffend genau. Ich will verletzten. Mich. Andere. Jetzt. Und ich weiß nicht, warum. Ich weiß nicht, was mich so sehr verletzt, dass ich es heimzahlen will. In meiner Währung. Die da heißt – ich vernichte dich! Mit Worten! So dass du dich schlecht fühlst, weil ich mich schlecht fühle.
Warum ich mich so schlecht fühlen kann, ich weiß es nicht. Ich fühle mich momentan nicht gut genug. Über Monate ging es mir blendend, bis ich aufgehört habe, regelmäßig zu schreiben. Das regelmäßige Schreiben war ein regelmäßiges Reflektieren meiner selbst. Ich, das unemphatische, berechnende, psychopathische Ding.
Ich hätte gerne mal einen Hirnscan, um zu schauen, ob in diesen Arealen tatsächlich tote Hose herrscht oder ob ich mir das ab und an nur einbilde. Es gibt immer wieder Phasen, in denen mir die Gefühle anderer dermaßen egal sind, dass es schon beeindruckend böse ist. Ich sehe es – und genieße es – und frage mich, wer ist hier eigentlich der böse Narzisst in meinem Umfeld? Wohl doch am allermeisten – ich selbst?
Es gibt Momente, da bin ich so erschöpft, da will ich morden für eine Stunde mehr im Bett. Eine Stunde mehr Schlaf. Eine Stunde mehr Ruhe. Ich will nicht putzen, nicht aufräumen, aber ich will, dass hier endlich wieder Ordnung herrscht. Dafür müsste ich herrschen. Oder, führen. Vorführen, wie es gelassen und gut gelaunt gelingt, freundlich zu sein und sich und andere in Ordnung zu halten. Stattdessen – abgrundtief schlechte Laune, Wut, Frust und das Gefühl, das niemals in den Griff bekommen zu können. Auch – es gar nicht zu wollen. Ich will mich so Scheiße fühlen und alle sollen daran teil haben. Was mich dazu bringt – es aufzuschreiben.
Vielleicht hilft schreiben, einmal mehr.
Weil natürlich meine Kinder nichts dafür können, dass ich ein krotziger doofer Mensch bin. Freunde habe ich gerade keine – da ist niemand, der gerne Zeit mit uns verbringen möchte, einen Ausflug mit uns machen möchte oder anderes. Ich habe keine Freunde. Menschen finden mich in der Regel erstmal doof. Aber wenn ich darüber jetzt auch noch nachdenke, werde ich noch gemeiner mir selbst gegenüber und verletzte mich noch mehr selbst.
Die Gedanken sind dann, wenn es so ist wie jetzt, nicht freundlich. Sie sind scharfe Klingen, geführt gegen mich selbst, die ich ätzend und scheiße bin und schlechte Behandlung mehr als verdient habe. Ich bin nichts wert und die Klingen schneiden mir immer direkt die Hände ab. Bis die wieder nachwachsen, das dauert.
Nie schneiden mir die Klingen die Zunge aus dem Mund. Weil, vernichtende Sachen sagen, das will die Psyche. Sie will, dass ich verletzte. Mich. Andere. Wütend. Gefangen. Unfähig, sich aus diesem Gedankenkarussel zu befreien. Beschämt, so böse Gedanken zu haben. Ich will verletzten. Im Grunde will ich töten. Alles, was liebt. Liebe, die ich nicht spüren kann. Liebe, die mir niemals begegnet. Ich bin nicht geliebt. Und falls doch, kann ich es nicht spüren. Dieses Zentrum ist schon lange abgeschaltet. Ich funktioniere nur, kopiere das, was andere tun, versuche, aufmerksam zu sein und rücksichtsvoll. Um ein halbwegs normales Leben zu führen.
Ich manipuliere mich lügend durch mein Leben. Ich empfinde dabei – maximal Müdigkeit und Erschöpfung –
Wenn ich so weiter mache, kommt die nächste Depression, sie steht seit den Sommerferien hier herum und tröpfelt ständig durch meine Tür. Mein ganzes gutes Gerüst hat sich dabei aufgeweicht und zersetzt mich. Von innen. Ich bin wütend, weil ich mich nicht wehren kann dagegen. Und weil es keine Hilfe gibt für mich. Durch jedes depressive Tal wandere ich alleine. Keine Therapie, da keine Plätze. Und ich bin ja auch gesund genug, meinen Alltag zu stemmen.
Ich bin müde. Ich weiß nicht, wie ich mir selbst noch glauben soll. Ich kann mich nicht leiden. Ich fresse Schokolade und werde immer dicker. Ich finde mich abstoßend, undiszipliniert, und die Fruchtfliegen essen derweil das Obst in der Küche. Und den Quark. Warum auch immer sie so sehr auf Quark stehen.
Ich bin wirklich wütend. Und ich möchte wirklich jemand verletzen. Klein machen. Beschimpfen. Anschreien. Es verblasst allerdings gerade hinter dem Schleier aus Tränen, der mir auf den Pulli tropft. Vielleicht muss ich auch einfach mal Weinen. Weil es mir seit Tagen und Wochen nicht mehr so gut geht. Weil ich müde und erschöpft bin und zu wenig Zeit finde für die Dinge, die mir gut tun. Wie, schreiben. Und singen. Und tanzen.
Stattdessen höre ich gar nicht mehr auf zu Arbeiten, stehe alle freie Minute am Rechner. Checke Linkedin, checke Slack, schaue nach Aufgaben. Versuche, noch präsenter zu sein. Denke nur noch an die Firma und an die Herausforderungen. Dabei lief es bis zu den Sommerferien sehr gut und sehr klar für mich. Ich weiß nicht, wo ich falsch abgebogen bin. Vielleicht, weil ich auch in meinem Urlaub täglich meine Mails gecheckt habe. Nichts verpassen. Nicht so aussehen, als habe ich irgendwas nicht im Griff. Besser sein als der Rest. Dass der Rest mir daher eher aus dem Weg geht, wundert mich dann nicht. Ich würde mir auch aus dem Weg gehen.
Warum ich das tue? Wenn ich das wüsste. Die drei Wochen hier daheim mit allen Kindern, vielleicht war es zu viel für mich. Gegen eines dieser Kinder kann ich mich schlecht wehren. Er gibt mir immer das Gefühl, dass ich nur die Putzfrau bin. Wertlos, austauschbar, nicht reich genug. Der Vater, voller Geld. Die Mutter, eine bedauerliche Existenz. Und ich nehme das an, ungefiltert, lasse es mich durchdringen und fühle mich – schlecht. Austauschbar. Nicht reicht genug. Jämmerlich.
Vor einer jämmerlichen Mutter hat dieses Kind keinen Respekt. Und zeigt es deutlich. Und meine Psyche, der es besser ging als all die Jahre vorher, bekommt sofort wieder einen Knick. Und ächzt. Und weint. Und ist jetzt nicht mehr wütend, sondern unfassbar traurig. Ich weiß so viel. Ich weiß auch, was mir gut tut. Und tue gerade nur Dinge, die mir schaden und die mein Leben verschlechtern.
Und das tut weh. Das macht mich anders wütend. Es fühlt sich an, wie Sterben hinter einer Maske. Die Maske wird mir nicht zu groß, ich verschwinde nicht dahinter. Ich nehme den anderen Weg, ich quelle mit dickem Bauch aus der Maske heraus. Ich müsste mir eine größere Maske bauen. Will ich das? Immer ncoh größer, immer noch besser verstecken?
Ich muss annehmen, dass mir die drei Wochen Sommerferien sehr weh getan haben und meine ganze Kraft gekostet haben. Seitdem arbeite ich unter Hochdruck, aber nur im Job. Daheim habe ich alles liegen gelassen. Haushalt, Essenspläne, Sport. Ich tue nichts. Ich rette mich von Tag zu Tag. Und dann werde ich wütend und will verletzen. Dabei ritze ich mir nicht die Arme, um auf mich selbst aufmerksam zu machen. Das wäre viel zu simpel. Ich tue denen weh, denen ich noch was bedeute, damit auch die mich alleine lassen – damit ich gewiss sagen kann, dass niemand mich liebt. Weil ich es nicht wert bin, geliebt zu werden.
Wer je ähnlich gedacht hat. Ich sage dir. Es ist die Hölle. Und ich verstehe dich gut. Die Hölle ist, nie geliebt worden zu sein und daraus gelernt zu haben, sein Herz zu verschließen. Und das schon in frühester Kindheit.
Ich suche mir einen Therapeuten. Schema Therapie kann ich mir vorstellen. Vermutlich brauche ich Jahre, bis ich einen Platz finde. Aber ich suche ja schon seit Jahren nach meinem Platz, da sind ein paar Jahre mehr oder weniger auch schon egal.
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