steht im ständigen Konflikt mit meinem inneren Kritiker und meist kommt dann mein innerer Verhinderer und schlichtet beide Parteien. Und setzt sich dann durch und in die Mitte. Wie ich früher bei WettenDass… , da saß ich meist Samstag Abends zwischen meinen Eltern. Da herrschte dann auch eine wahnsinnige Stimmung! Da war alles dabei, zwischen gehemmten Lacheln und gehemmten Aggressionen. Alles war gehemmt. Mir inklusive. Ich war ein Hemmschuh. Wurde dazwischen gesetzt, war Auffangbecken für allen Mist. Verhinderer.
Ich habe verhindert, dass die Eltern sich streiten. Dass meine Mutter ihre verschluckten Aggressionen ausgepackt hat. Dass mein Vater seine Freude am Leben ausgepackt hat. Beide versunken, und ich stehe an der Reling und rette beide. Meine Arme, schwer wie Blei. Oft, wenn ich müde bin, sind meine Arme besonders schwer.
Es wundert mich nicht, dass mein Innerer Verhinderer meist die Oberhand hat. Der hat wirklich kräftige Arme, mit denen er mich umschlingt. Und mir leise ins Ohr säuselt – das kannst du nicht. Sieh, du bist schon wieder zu spät. Sieh, wieder hast du nur auf dem Sofa gesessen und gelesen. Sieh, du kannst es auch gleich lassen. Einen Plan schreiben? Warum? Unnötig! Das kann man entweder ohne Plan oder halt – gar nicht.
Neben dem inneren Verhinderer sitzt, man glaubt das kaum, mein innerer Kritiker. Der direkt losschimpf, rück mal!! Rück mal, Verhinderer, ich muss der Dame mal die Leviten lesen! Wie kann das denn sein, wieder auf dem Sofa? Du hast doch frei? Urlaub? Warum erledigst du nicht mehr? Warum lässt du dich so gehen? Du musst doch noch den Geburtstag von K4 vorbereitet, den Koffer packen, putzen und aufräumen, sowieso, wie kann man denn wegfahren wollen, wenn es so aussieht? Und warum fährst du überhaupt so spät weg? Wäre es nicht sinnvoller, du kommst nicht erst um 18 Uhr im Urlaubsort an? Der ganze Tag ist dann ja weg! Du kannst auch nicht ins Café gehen, das hat dann schon zu. Ist doch alles – voll daneben!
Der Verhinderer nickt dann und sagt – stimmt, das liegt aber daran, dass sie das halt sowieso nicht kann. Sie ist eine träge Suse. Da kannste schimpfen wie du willst, die räumt ihr Zimmer niemals auf!
Ich höre die Stimme meiner Mutter. Räum dein Zimmer auf, du Pottsau. Ich höre ihre Stimme, zieh den Bauch ein, du findest sonst nie einen Mann. Als sei das mein Lebensziel, einen Mann zu finden. War es dann irgendwie. Einatmen kann ich ja. Ausatmen ist viel schwerer. Locker lassen. Mal sein lassen. Scheiß auf den Bauch.
Der innere Verhinderer ist ganz nah verwandt mit dem inneren Verunsicherer. Ich glaube, es ist ein und dieselbe Person. Multiple Persönlichkeiten kann ich ganz gut, mehr als einmal stand eine Persönlichkeitsstörung bei mir im Raum. Und wollte mich diagnostizieren. Oder das Gegenteil davon tun. Während meiner depressiven Zeit gab es Überlegungen, ob ich ein ADHS habe (eher nein) oder Borderline (hier ein vielleicht). Ich wollte so gerne eine Diagnose, die mir sagt, was ich habe. Wer ich bin. Wie ich mich weiterhin verhalten soll. Ich habe beides nie getestet und bin heute froh darum. Kein Stempel für mein Sein. Borderline stellt sich inzwischen, als geistig halbwegs gesunder Mensch, auch nicht mehr in Frage. Es ist ausgeschlossen.
Dennoch habe ich, und wir haben sie alle, diese inneren Anteile. Verhinderer sind bei mir besonders stark ausgeprägt. Ich bin mit einem „das kannst du nicht, du machst doch sowieso alles falsch“ aufgewachsen. Dazu kommt der Kritiker, der sich ab und an mit dem Schweinehund ausruht – um mir dann zu sagen, hey, du bist auch viel zu faul! So wird das nichts! Du machst viel zu wenig! Schäm dich! Wie kannst du nur im Urlaub einfach gar nichts tun?
Der, den ich sehr liebe, mein innerer Herumtreiber, dem geht es nicht so gut. Er hat ein ganz kleines Kämmerlein und ihm fallen derzeit die Haare aus. Er hat keinen Glanz in den Augen. Er ist traurig und schaut meist demonstrativ in die andere Richtung, wenn ich mit ihm spreche. Er schaut nie aus dem Fenster, immer nur an die Wand. Das liegt auch daran, dass sein Fenster sehr dreckig ist und er eh nicht viel sehen würde. Es liegt an mir, noch eben sein Fenster zu putzen … und ihn an die Hand zu nehmen und zu sagen, komm, in meinem Koffer ist noch Platz, wir machen eine Reise. Wir lassen die anderen Idioten auf dem Sofa sitzen, mitten in der Unordnung. Sollen die doch aufräumen. Wir hauen einfach ab!
Und es ist auch völlig egal, wann wir abhauen, ob morgens um 7 Uhr, weil wir so geile Helden sind und dann noch viel Zeit am Urlaubsort haben. So macht man das nämlich! Man hat gepackte Koffer und reist frühmorgens, um noch viel aus diesem Tag herauszuholen! Wichtig! Immer Optimal organisiert.
Und wir machen das anders. Ich muss ja meinen inneren Herumtreiber erst davon überzeugen, dass er sein Zimmer verlässt. Und in den Koffer krabbelt. Damit ich ihn heimlich aus dem Haus bringen kann. Und mit etwas Glück, wenn wir in drei Tagen zurückkommen, geht es ihm so gut, dass er aufrechten Ganges den Gang entlang geht. Und sollte er in sein Zimmer gehen, lässt er dann hoffentlich die Tür offen.
Und nein, ich spreche NICHT von einem meiner Teenager 😉
Auch wenn mir das selbst gerade so ähnlich vorkommt 😉
Ich spreche ausschließlich von mir selbst. Ich weiß, dass ich alle Anteile brauche. Auch einen Verhinderer, damit ich keinen Bullshit baue und verantwortlich denke. Menschen wie ich brauchen das, sonst verhungern sie eventuell. Auch brauche ich einen Kritiker, der braucht nur einen anderern Namen. Vielleicht – mein innerer Reflektor. Und auch der Schweinehund hat seine Berechtigung. Immer dann, wenn ich eine Pause brauche, mich zu erinnern – dass es okay ist, auch einfach mal nichts zu tun und auf dem Sofa zu sitzen. Obwohl Sport dran wäre und obwohl es genug zu tun gibt.
In meinem Kopf gibt es durchgehend und immer genug zu tun. So viel, dass ich meist nichts davon tue und mich dann dafür verurteile, nichts getan zu haben. Es braucht also auch – eine neue Freundin! Die innere Planerin. Und die setze ich zum inneren Herumtreiber ins Zimmer. Der braucht auch eine Freundin. Mit der er sich geplant herumtreiben kann. Ohne schlechtes Gewissen. Das schlechte Gewissen darf ausziehen. Mit einem gut funktionierenden inneren Reflektor brauche ich das destruktive schlechte Gewissen nicht mehr.
Mir reicht ein gutes Wissen!
Und jetzt wecke ich meinen inneren Herumtreiber. Damit er mitfährt, in meinen Kurzurlaub.
Schreibe einen Kommentar