übermutig

Das Spiel mit über, mit, vor gefällt mir sehr gut. Ich habe heute über über nachgedacht und festgestellt, dass wir im Grunde ständig über irgendetwas sprechen oder nachdenken. Im Zweifel über uns selbst. Über uns. Über unsere Ängste. Über unsere Zweifel. Über unsere Erfolge. Über unseren Hunger. Über unseren Durst. Über unsere Müdigkeit. Über unsere Verzweiflung. Über unsere Freude. Über unser Glück. Über den Frühling. Über Eis und über Mozartkugeln.

Das Über lässt mich innerlich übersprudeln. Ich mag es, wenn ich schöner über Dinge nachdenken kann. Das macht mich übermütig. Eines der Adjektive, die ich früher negativ für mich besetzt habe. Übermütig, das klingt leichtsinnig. Naiv. Vertrauend. Übermutig.

Übermütig, das klingt leichtsinnig.
Über Mut zu sprechen klingt leicht sinnig.

leichtsinnig

Wie schön das auf mich passt. Ich war ein übermütiges Kind. Leichtsinnig.

Ich hatte tatsächlich viel Mut. Viel Leichtigkeit. Viel Sinn. Auch, viel Sinnlichkeit, das allerdings erst, als ich älter wurde. Übermutig.

Diesen Übermut, manchmal spüre ich ihn noch. Er schwebt lächelnd an mir vorbei, umweht mich, wie ein lauer Frühlingswind. Ganz leicht. Sinnlich.

Er steht mit mir in 50 Meter Höhe auf diesem Kran. Über die Angst in diesem Moment, und den Lebenswillen, der an einem Seil hängt, über diesen Moment möchte ich auch noch sprechen. Das war gewaltig. Der Körper denkt, er sterbe. Der Kopf weiß, es kann nicht sein, ich hänge hier gesichert an diesem Seil. Das interessiert den Körper allerdings nicht die Bohne. Er fühlt, was er fühlt. Den Wind. Er sieht, was er sieht. Den Boden, ziemlich weit weg.

Es ist auch kein Springen.

Es ist ein Fallen.

Leicht.

Sinnig.

Noch Jahre später kann ich mich fühlen. Dieser Ruck, der durch den Körper geht, während die Reise wieder aufwärts geht. Das Atmen, das wieder einsetzt. Die Überflutung mit Adrenalin, der ein rauschähnlicher Zustand folgt. Noch Tage nach dem Sprung konnte ich all das abrufen. Wie in Trance stand ich lächelnd neben mir.

Irgendwie rund um die 19 war ich damals. Ein magisches Alter. Ein Alter, in dem ich für mich selbst verantwortlich wurde. In dem ich fast ertrunken wäre. In dem ich von einem Kran gesprungen bin. Vielleicht war ich auch 18 oder 20, im Grunde ist das egal. Ich war 19 und habe leicht sinnig gelebt. Das Leben war leicht. Ich habe allerdings auch gespürt, wie leicht es zu Ende gehen kann, dieses Leben.

naiv, zu denken

Über Mut und über Angst. Über die Überwindung von Angst. Über diesen Mut, sich fallen zu lassen, zu vertrauen, sich hinzugeben. Darüber will ich sprechen. Schreiben. Leicht. Sinnig. Mutig. Naiv.

Gutgläubig. Nicht dumm. Es wirkt nur auf manche Menschen so, und eventuell habe ich es deshalb so sehr verankert, mein “dumm sein”. Dumm ist der, der dummes tut. Danke, Forrest Gump!

Ich bin nicht dumm. Tatsächlich spüre ich auf einer unbewussten Ebene sehr schnell, ob mein Gegenüber echt oder unecht ist. Bei unechten Absichten reagiere ich etwas über. Es schleicht sich ein komisches Gefühl ein. Ich werde unsicher, ob ich richtig verbunden bin und ziehe mich zurück. Diese Unsicherheit ist heute massgeblich für meine Sicherheit. Ein Indikator. Menschen verursachen ein unsicheres Gefühl? Aha. Obacht. Da ist irgendwo was – unsicher und sollte gesichert werden …

Ich bin naiv. Auf eine wunderbare Weise. Naivität ist leider negativ besetzt, dabei hat sie, in einem gesunden Rahmen, so viel Kraft. Sie befreit uns aus Zwängen, holt das Gute ans Licht, vertraut auf die Zukunft und zeigt uns den Weg. Vielleicht verbinde ich mich so schnell mit kleinen Kindern. Ihr naives Vertrauen in die Liebe der Welt rührt mich sehr und schwingt mit mir – weil ich es oft auch noch fühle. Dass wir gut sind.

All meine Adjektive, von übermütig bis naiv, sind meine Wunderkraft, über die ich nachdenken, über die ich sprechen, über die ich schreiben will.

Anfang Juni habe ich die Hand gehoben für einen Pitch auf einer Bühne in Darmstadt. Drei Minuten. Sprechen, vor Menschen. Ich war so mutig, Freunden zu erzählen, dass ich über die Bühne nachdenke. Sie haben mich direkt auf eine geschubst. Übe Sprechen. Sei Übermütig. Denke leicht und sinnig. Vertraue.

Ich spreche über Mut. Ich glaube, das ist ein gutes Überthema.

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