Auch das Naheliegende kann ungewiss sein. Was passiert, wenn ich kopfüber ins Wasser springe? Schlage ich mir dabei eventuell die Beine am Beckenrand an? Oder klatsche ich mit dem Bauch auf? Weil, so als Sack Kartoffeln, der ins Wasser fällt, mache ich garantiert eine witzige Figur …
Die Vorstellung, dass ich kopfüber ins Wasser springe, Hände voran, die ist so absurd, da kommen mir die Lachtränen! Ich! Freiwillig! Kopfüber ins Wasser. Jaja. Nene!!
Ich habe es mehrfach erzählt und erwähnt, Wasser und ich, wir sind keine guten Freunde. Wir weichen uns aus. Wasser macht mich unsicher. Auch und vermutlich vor allem wegen des Erlebnisses als junge Erwachsene. Mit 19, am Atlantik. Einen Teil davon liest du im Blog-Post eiskaltes Wasser –
Jedenfalls, und dann passiert, womit nicht zu rechnen war. Wir kommen uns immer näher. Weil ich mich ins Wasser begebe. Das Vertrauen wächst. Die Ausdauer auch. Ich schwimme weiter regelmäßig. Am gestrigen Freitag waren es 800m und auch mal längere Strecken am Stück ohne Atemnot und ohne das halbe Becken leer zu saufen. Zeit also, etwas Neues zu wagen.
Der Beckenrand hat einen Sprung!
Neben dem Wunsch, Kraul schwimmen zu lernen, habe ich auch irgendwann festgestellt, dass ich gerne einen Kopfsprung können möchte. So locker und souverän, wie ich das oft beobachten konnte.
Von locker und souverän bin ich noch ein bisschen entfernt. Meine tapfere Trainerin sagte allerdings, daß meine beiden Sprünge gar nicht so schlecht aussahen. Vor allem mein zweiter Versuch hatte deutlich mehr Körperspannung. Der erste Versuch war auch eher verzweifelt. Es war ein – wenn ich hier schon hocke wie eine Bekloppte, in tiefer Hocke, Arme über den Kopf nach vorne gestreckt, dann kann ich auch den Rest noch erledigen. Und ab ins Wasser. Hände vorne weg – – –
Ja. Das habe ich gestern gemacht. Einen Kopfsprung vom Beckenrand. Und tatsächlich – ist da ja Power drin, das habe ich nicht erwartet! Beim zweiten Versuch hatte ich schon das Gefühl, dass das stark ist! Richtig stark! Ein ganz bewusstes eintauchen, an die Oberfläche schwimmen, ins Kraulen kommen, atmen, ziehen, atmen, ziehen, Power!
Wow!
Ich!
Power!
Im Wasser!
Und das Wasser – es tut mir nichts! Es trägt!
Der Sprung ins Naheliegende!
Dass es so einfach ist, hätte ich nicht gedacht. Aber es ist auch nur so einfach, weil ich seit bald einem halben Jahr trainiere. Ich bin immer und immer und immer wieder ins Wasser gegangen. Und jetzt schwimme ich. Meine Trainerin sagte gestern, sie könne mir nur noch wenig beibringen. Mein Stil sei hervorragend für eine Nicht-Wettkampf-Schwimmerin. Sie sei mega stolz auf mich. Jetzt brauche es noch Ausdauer und natürlich könne man noch Feinschliff für die Arme machen, aber – Aber ich spiele auf ganz hohem Niveau. Kein Grund, hektisch zu werden. Kein Grund, zu zweifeln. Kein Grund, sich unsicher zu fühlen.
Und so ist es auch im Job!
Da springe ich auch ab kommender Woche ins Naheliegende. Ich tue etwas, dass ich kann, vor dem ich aber Angst habe. Oder sagen wir, Respekt. Wie vor dem Wasser. Es könnte mich ja in den Abgrund reißen. Könnte vernichtend sein. Zu telefonieren. Wieder Akquise zu machen. Weil, vielleicht erinnert sich die Eine oder der Andere, der mich regelmäßiger liest. Ich hatte diesen Job mit der Kaltakquise, von Mai 2021 bis September 2022. Das war der Kopfsprung vom Beckenrand, allerdings ohne dass ich vorher meine Technik trainiert hätte …
Es war die Hölle für meine Psyche! Wegen sehr vielen kleinen Details, von denen ich keine Ahnung hatte, dass sie für mich wichtig seien. Es hat mich direkt frontal mit alten Glaubenssätzen frontriert. So wie mich das Wasser beim ersten Schwimmunterricht im Oktober mit meinem Beinahe-Ertrinken konfrontriert hat. Schrecklich, anstrengend.
Jetzt kann ich mich dem stellen – ich werde wieder telefonieren, 1-2 Stunden am Tag, für meine jetzige Firma. Weil wir aktiv auf Kundensuche sind und weil es wichtig ist. Es ist jetzt wichtig, dass ich den Sprung ins Naheliegende schaffe. Dass ich meine Angst vor dem, was ich kann, ablege, und losschwimme. Die Firma braucht das. Ich brauche das. Mich nochmal damit auseinandersetzen, was mich so sehr angestrengt hat. Leichtigkeit und Sicherheit gewinnen. Ausdauer drauf setzen. Nie wieder Angst haben vor Dingen, die mir in die Wiege gelegt sind – wie – einfach und freundlich zu verkaufen.
Ich freue mich drauf! Nach diesen zwei Kopfsprüngen gestern glaube ich, dass ich alles schaffen kann. Auch einen Sprung vom Startblock 😉
Und somit starte ich, einmal mehr – mit einem Sprung ins Naheliegende! Nicht das erste Mal und hoffentlich nicht das letzte Mal. Es tut gut, regelmäßig an die eigenen Grenzen zu gehen. Das hält sehr lebendig. Allein das Gefühl DANACH ist unfassbar. Für dieses Gefühl darf ich ab und an die Hocke gehen, die Arme nach vorne ziehen, den Körper anspannen und abspringen.
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